Seit wir auf dem Weg nach Süden sind, habe ich das Gefühl, in die falsche Richtung zu fahren. Jeder Breitengrad, den wir überqueren, gar jede Bogenminute Richtung Malmö eine kleine Niederlage.
Seit die Idee reift, mit weiteren europäischen Ländern so zu verfahren – rein künstlerisch – wie im Frühjahr mit Frankreich, nämlich die Länder mit dem Fahrrad zu durchqueren und dabei eine künstlerisch-wissenschaftliche Fotostrecke von hoher Bilddichte zu schaffen, kommt mir die Zeit wieder so schrecklich knapp vor. Als gäbe es nur diesen einen Sommer, ich Eintagsfliege der feinen Künste, ich Radieschen, ich nimmermehr blühende Einjahrpflanze.
Zudem graut mir vor der Hitze. Wenn es schon hier in Nordmaling nähe Umeå unweit des Polarkreises fast unerträglich ist: 9 Uhr, stechende Sonne, über 20 Grad Celsius.
Ein rotverbrannter Däne in Badehose wäscht die Scheiben seines Autos. Alter Knab;, Frau und Kind planschen im Schwimmbad nebenan und das Auto mit seiner flotten Ralleybemalung und dem silbernen Spoiler will und will nicht zu der Familie passen. Im Hintergrund, kaum 100 m entfernt säußelt die E4, die wichtigste Nord-Süd-Verbindung Schwedens. Unweit der Ostseeküste verbindet sie die wenigen Städte, meist zweispurig, manchmal auch dreispurig und nur um große Orte autobahnähnlich. Im Vergleich zu deutschen Autobahnen praktisch unbefahren. Nordmaling ist nicht sehr groß. Nächste nennenswerte Ausfahrt von der E4 ist gut 60 km entfernt. Dazwischen kommt Wald, ab und zu eine geteerte Strecke ins Landesinnere. Oft sieht man an diesen Straßen ein Ortsschild, 100 Meter später dann ein Haus, paar Felder, ungeteerte Wege, an deren Mündung auf die Hauptstrecke eine Phalanx Briefkästen steht. Nur sie geben Aufschluss darüber, wieviele Familien in den Wäldern wohnen. So sieht es im Norden Schwedens aus. Wir fragen uns, wie hier überhaupt Straßen entstehen konnten, 100e Kilometer weit durch scheinbares Nichts.
Vielleicht wie mit den Kunststraßen: eine Idee ging voraus? Die Idee vom Bodenschatz und vom Holzschlagen vs. Idee vom malerischen Kunststraßenbild? Ist der Kunststraßenbau nicht einfach nur eine Simulation ökonomischen Handelns mit künstlerischen Mitteln?
Bild: selbstgemaltes Hoppelstrecken-Warnschild bei Vindeln.
Da ist sie wieder: Die Sache mit dem Heimkommen :-)
Ist aber erträglich, zum Glück.