Die Zurückhaltung meines inneren Ofenrohrabschneidexperten

Ich kann es für dich abschneiden, sag ich. Zumindest glaube ich, dass ich es sage. Im Nachhinein zweifle ich manchmal, ob ich die Dinge nur denke, oder tatsächlich sage. Der Schwager schlägt mit dem Hammer gegen ein Stück Holz, das er als Schutz vor den nigelnagelneuen Holzofen gelegt hat. Das Rauchrohr sitzt schräg. Wenn er den Ofen ein bisschen schräg stellen könnte, würde es vielleicht besser passen. Das Rauchrohr ist definitiv zu lang. Man hätte entweder das Futter in der Wand höher setzen müssen, oder das Rohr kürzen. Das Futter ist auch nigelnagelneu, obschon es nicht nötig gewesen wäre. An der Stelle saß zuvor das alte, baugleiche Futter. Meine Überlegung, probiere doch mal, ob es mit dem alten geht, lehnte der Schwager ab. Eine Mischung aus Sorge, dass das alte Ofenrohrfutter nicht richtig verbaut ist, nicht richtig passt, verkratzt ist, weniger glänzt und vermutlich der Einstellung: wir haben das neue Ding doch bezahlt, dann muss es auch eingebaut werden. So genau will ich mich nicht festlegen.

Nun steht der Ofen auf nur zwei Punkten und stützt sich mit dem Ofenrohr am neuen festzementierten Futter an der Wand ab. Das kann so nicht bleiben, weshalb der Schwager die Ofenbaufirma kontaktierte, damit sie jemanden schicken, der das richtet. Der Ofenbauer sagte, er würde das Rohr abschneiden. Genau wie ich es angeregt hatte. Mein Angebot, dass ich das erledigen könnte war leider etwas zurückhaltend. Ich erwähnte nämlich, dass es vielleicht nicht den Ansprüchen genügt wenn ich das mache. Dass ich es nicht so sauber abflexen könnte, wie es benötigt wird, fügte jedoch hinzu, dass es tauglich wäre und passen würde, dessen sei ich mir sicher. Diese vermeintliche Unsicherheit, mit der ich mich als Ofenrohrabschneidexperte nicht so recht etablieren konnte, kostet nun Geld und Mühe.

Die Sache ist für alle Seiten okay. Ich lerne daraus für mich, dass ich mein Licht nicht nur beim Ofenrohrabschneiden unter den Scheffel stelle, sondern dass es eine grundlegende Wesensart ist, die im Tanz der Kompetenzen mit meinen Mitmenschen zu Tage tritt. Dinge, die ich für mich selbst mit aller Sicherheit und Souveränität erledige, sei es etwas handwerkliches, etwas technisches, künstlerisches, literarisches oder sonstwasisches, empfehle ich anderen stets mit Vorbehalt – man könnte es Unsicherheit nennen – darüber dachte ich gestern den ganzen Tag nach, dass die Sache an meiner Unsicherheit scheiterte, aber nun weiß ich, es scheiterte daran, dass ich mich zu sehr auf die Führung meines „Tanzpartners“ konzentriert hatte, zu sehr auf seine womöglichen Ansprüche an die Sache eingegangen bin und mich selbst dabei unnötiger Weise zu sehr zurück genommen hatte.

Und ja: Ich hatte es tatsächlich gesagt. Ich kann es und es wird gut.

2 Antworten auf „Die Zurückhaltung meines inneren Ofenrohrabschneidexperten“

  1. @kibmib
    Oh ja.

  2. @kibmib Ich hoffe, die Lektion sitzt. Ich nehme sie auch mit. Danke fürs Aufschreiben.

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