Noch vor Wochen tönte die Langzeitwetterprognose für diese Tage martialisch: kalt, Regen, strenger Ostwind. Keine gute Zeit, um das Haus zu verlassen. Trotzdem liebäugelte ich mit einer kleinen Radreise gen Süden, nicht zuletzt, um zur Liebsten in den Aargau zu radeln. Statt wie üblich schnell in zwei Tagen „runter“ zu radeln, hatte ich mir eine Tour auf der elsässischen Weinstraße ausgedacht. Das Kanal-Einerlei südlich von Straßburg kenne ich nach drei vier Touren dieses Jahr zur Nöche. Außerdem möchte ich versuchen, die gute alte „Kunstmaschine“ zu reaktivieren. Der reisende, radelnde Künstler im Gleichklang der Pedale auf moderaten Tagesetappen sich fortbewegend, erlebend, darüber schreibend und neu: filmend.
Die „Kunstmaschine“ funktioniert am Besten bei Tagesetappen von etwa 70 bis 100 Kilometern Länge. Mit viel Zeit am Morgen und am Abend, um die Erlebnisse zu verarbeiten; dem Hirn, dem kleinen zellgrauen Wiesel freien Lauf zu lassen, auf schräge Gedanken kommend, Netze von Unmöglichem knüpfend und einwebend ins Reise-Tagesgeschehen. Die letzten Touren in diesem Sommer waren allesamt schnell, auf Vorankommen getrimmt. Meist Etappen von 100 bis 200 km. Ich hatte weder Lust, noch Zeit zum Bloggen.
Das soll sich ändern (aber es muss nicht). Ich fange mit diesem initialen Blogbeitrag, noch in der heimischen Künstlerbude, ja schon behäbig an. Der Impuls war da, direkt nach dem Erwachen aufs Radel zu steigen und loszuradeln, aber nein, nein, nein, ruhig Brauner, ganz ruhig.
Das Fahrrad hatte ich gestern schon gepackt. Auch ein paar verwalterische Lästigkeiten abgearbeitet, sogar die Steuererklärung endlich abgeschickt, den Server nochmal gecheckt.
Ich leere den Kühlschrank, räume die Draußenküche nach oben, denn nun wird es definitiv Herbst und wenn ich zurückkehre liegt wahrscheinlich überall auf der Terrasse und in den Wirbelwindwinkeln das Laub des Nussbaums.
Schreiberisch, merke ich gerade, geht es zwar flott von der Hand, aber ich bin nicht mehr so fit. Habe mich wahrscheinlich ziemlich selbst verloren, diesen Sommer.
Auf Mastodon warnte man mich, dass in Frankreich die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen wurde, die Vigipirate. 7000 verdeckt ermittelnde Polizeikräfte und/oder Militärs würden ab heute patrouillieren und das Land auf „abweichendes Verhalten“ sondieren. Grund dafür ist der Anschlag in Arras vor ein paar Tagen. Und vermutlich auch der Krieg im Nahen Osten. Vom Wildzelten sei abzuraten, sagte man mir.
Nun bin ich verunsichert; liebäugele aber ohnehin mit Campingunterkünften auf echten Campingplätzen. Der Wind ist kalt. Und ein bisschen Geborgenheit hat noch niemandem geschadet.
Es gibt auch eine Neuheit im Werkzeugkasten des reisenden Künstlers: Film. Klar, bei der Reise um die Schweiz im Juni hatte ich auch gefilmt. Bloß etwas kopflos. Das soll sich ändern. Vorgestern hatte ich mein Dogma 23 ausgerufen, welches im Grunde ein an die Bedürfnisse des Allerweltsfilmens auf Youtube angepasstes Dogma 95 ist. Alles klar? Nein. Naja, wie sage ichs: Die Filmerei rund um die Schweiz hat einen Rattenschwanz an Material mit sich gebracht, was mich überfordert, es zu schneiden und etwas Anschaubares daraus zu machen. Auch der halbherzige Versuch, die Filme automatisch per App (Quik heißt sie) schneiden zu lassen, brachte kein für den Künstler, moi même, zufriedenstellendes Ergebnis. So dass ich die Filme, die ich, nein, die die App produziert hatte, wieder aus Youtube rausgenommen hatte. Und das Filmprojekt UmsLand Schweiz erst einmal auf Eis gelegt hatte.
Stattdessen, so dachte ich mir, sollte ich versuchen, so zu filmen, dass ich möglichst gar nicht schneiden muss. Sprich, die Schnitte schon beim Filmen einplane. Man möge mir verzeihen, dass ich so naiv darauf losplaudere, aber ich muss es doch lernen und das geht am einfachsten, wenn man darauf los experimentiert.
Mein Dogma 23 enthält neben ein paar Dogma 95 Kernpunkten schlicht nur einen weiteren eigenen Punkt: Filme so, dass Du möglichst nicht schneiden musst. Denke linear und schlicht.
Nun noch ein Bild des Reiserads als Artikelbild und dann ab in den Sattel.
„Der reisende, radelnde Künstler im Gleichklang der Pedale auf moderaten Tagesetappen sich fortbewegend, erlebend, darüber schreibend und neu: filmend“ …:
Was für ein schönes Arbeitsethos, das Geist und Körper rhythmisch ausbalanciert, idealerweise.
Bei der Realisierung wünsche ich viel Erfolg. Ich werde dranbleiben.
Gruß, Uwe
Danke lieber Uwe.