Wenn ich zurückblicke auf die Anfänge meines Schreiber-Daseins staune ich, dass mir das Schreiben mittlerweile ganz leicht von der Hand geht. Ich habe verdrängt, dass das nicht immer so war. Beschwerliche Zeiten liegen hinter mir. Die ersten handschriftlichen Notizen datieren auf Januar 1991. Ich hatte Frankreich und halb Spanien mit dem Rad durchquert, bis mich eine Grippe in Calpe nieder streckte. Nachdem ich mich erholt hatte, saß ich unter einem Orangenbaum an der Straße zum Stausee von Guadalest und kritzelte unbeholfen einige Sätze auf ein Blatt Papier. „Diese Reise musst du aufschreiben“, sagte ich mir. Sofort stellte ich fest, dass sechs Wochen auf den Straßen Europas sich nicht einfach so mal niederschreiben lassen. Obwohl die Erinnerung sehr wach war, gelang es mir nicht, auch nur einen einzigen Tag zu rekonstruieren. „Hättest du bloß abends immer ein paar Notizen gemacht“, redete ich mit mir selbst. Die Reise, auf der ich einen meiner besten Freunde, Leb aus Nürnberg, kennen lernte, verschwamm zu einem unheimlichen Klumpen gelebten Lebens. Und was haben wir für Abenteuer erlebt zwischen Sete in Südfrankreich und der Costa Blanca; durchquerten mit den Fahrrädern Barcelona bei Nacht, Stoppover in einer Jugenherberge mit fußstinkenden Zimmerleuten auf der Walz. Ein Besuch der Sagrada Familia, diverse Neubauten, Bauruinen, alte Gehöfte, in denen wir übernachteten, Sturm und tagelanger Regen; zu dritt mit Fahrrädern beim Trampen mitgenommen worden (das soll uns mal jemand nachmachen) … selbst jetzt, da ich dies notiere, schreibe ich mehr Worte in besserem Deutsch, als mir damals unter dem Orangenbaum gelungen sind.
Das war der Anfang meines Schreiber-Daseins. Seit 1995 habe ich auf Reisen immer ein Notizbuch dabei, skizziere die Welt wie ich sie vorfinde, denn man weiß ja nie. Ein einziges gutes Wort kann ein ganzes Kapitel auslösen. Eine einzige halbwegs plausibel erklärte Idee genügt, um sie später zu verwerten.
Ab 2001 habe ich mit der Bloggerei begonnen. Zunächst in selbst gestricktem HTML und eigenem Design ohne jegliche Blogsoftware und Datenbankunterstützung – was war das anstrengend und manchmal auch chaotisch, die Links durch das Buch händisch zu setzen. Ein zwei Jahre später ergatterte ich bei der aufkeimenden Plattform Myblog.de ein damals noch werbefreies Weblog – myblog.de/europenner lautete die Adresse – um schließlich auf WordPress umzusteigen.
Anfangs ist es mir sehr schwer gefallen, einen Artikel zu schreiben. Wo fängt man an, wie ordnet man seine Gedanken, wie strukturiert man einen Text, oh, und all die Tippfehler, die Unkenntnis der Kommaregeln.
Wie habe ich mich frei gemacht, dass ich heute so schreiben kann, wie ich es tue?
Insbesondere für Blogger hier einige Tipps:
- vergiss Rechtschreibung und Grammatik – zunächst; schreib das, was du denkst so schnell und konzentriert wie möglich nieder.
- verzettele dich nicht in Selbstmitleid und schreibe nie über etwas, was dich aufregt, sonst verkommt all dein Schreiben in einer Anklage gegen die Welt (Anklagen gegen die Welt führen zu unnötigen emotionalen Reaktionen deiner Leser, denn nie sind zwei einer Meinung).
- Solltest du dich in Selbstmitleid verzetteln oder über etwas schreiben, das dich aufregt, lass es dennoch stehen, denn es ist ein Teil von dir. Kehre nie zurück.
- verinnerliche Jack Kerouacs „Wie schreibe ich moderne Prosa?“ (Unterwegs, letzte Seite); insbesondere: Es gilt, die Flut, die in deinem Innern bereits unversehrt existiert, aufzuzeichnen! Ringe darum! und Komponiere wild, undiszipliniert, rein! Schreibe, was aus den Tiefen deines Innern aufsteigt! Je verrückter, desto besser!
- Wenn du beim Schreiben undiszipliniert warst, diszipliniere das Geschriebene in einem zweiten Arbeitsgang oder lass es für immer liegen, auf dass nach deinem Tod sich jemand darum kümmert.
- Denke nie darüber nach, dass du in der Zeit, in der du schreibst nicht bezahlt wirst und ignoriere die Furcht, nur weil das, was du (im Weblog) schreibst, nichts kostet, betrachtet niemand es als wertvoll.
- Nur ein einziger interessierter Leser ist es Wert, dass man für ihn schreibt (großer Dank nach Lorch)
- Ärgere dich nicht über verpatzte Geschichten (schlecht Geschriebenes), erfreue dich vielmehr daran, dass du sie vor dem Vergessen gerettet hast.
- Solange es sich nicht finanziell lohnt oder du sonstwie mit Ruhm rechnen kannst, lass Altes liegen und kümmere dich um das Neue.
- Wenn dir mal nichts einfällt, schreib auch nichts.
- Betrinke dich nicht beim Schreiben.
- Wenn dir weiterhin nichts einfällt, fleddere dein lederbezogenes Notizbuch und verblüffe deine Leser mit verrückten Ideen.
- Sollte das Notizbuch nichts mehr hergeben, betrinke dich.
- Wenn dir ein Thema zu schwer ist, wende dich einem leichteren zu oder übe – Themen wollen gelernt sein.
- Gestalte deine Welt so wie du es magst.
- Halte dich nicht an Tatsachen fest (z.B. nur weil deine Freundin das Glas rechts neben sich gestellt hat, musst du nicht schreiben: „meine Freundin hat das Glas rechts neben sich gestellt“. In der Tat ist es sogar ratsam grundsätzlich wenn jemand etwas rechts tut, zu schreiben, er tut es links ;-)) –
- abstrahiere die Realität, sie ist ein Diener der Fiktion.
- Geize mit Emoticons.
- Hüte dich vor dem Mainstream, es sei denn du möchtest viele langweilige, nicht denkende, uninteressierte, oberflächliche Leser in deinem Weblog haben.
- Kümmere dich nicht um Statistiken. Ein enthusiastischer Leser, dessen Innerstes du erreichst, ist tausendmal mehr wert, als unzählige oberflächliche Leser.
- Nachdem du einen Artikel erstellt hast, streiche alles Überflüssige weg. Insbesondere Worte wie wie und und oder oder und eigentlich auch auch und eigentlich. Nur nur, bzw. bzw. darfst du stehen lassen. Weder weder, noch noch dürfen in einem guten Blogartikel vorkommen ;-)
- Schärfe das Schwert deiner Schreibe
Nachtrag: In diesem Artikel hätte ich eigentlich den gesamten einleitenden Text vor der Liste streichen müssen, um das Schwert zu schärfen, bzw. ich hätte den Artikel teilen müssen.
- Fazit: verstoße gegen die Regeln wo immer du kannst.
Wirklich schön erklärt.
Ich habe auch damals mit dem Gedanken angefangen, das bloggen doch auch ohne Selbstmitleid etc. möglich sein muss.
Ich finde und fand, das man ein Blog auch so schreiben kann, das es Spass macht zu lesen, selbst wenn es dem Schreibenden gerade nicht so gut geht.
Quark :)…ich vergehe manchmal im Selbstmitleid…Ist dass jetzt so ein FrauenDingS???mmhh…Ich bekam auch schon Kompimente..in etwa.“Du bist so offen und ehrlich,es tut gut“!
Kann auch sein,dass es mir halt SchnuRz ist wer wieviel wann und wo liesst.Ich bin keine Zeitung.Ich schreibe Tagebuch.Ich überlege auch nicht viel (joah..:)*ups*)..es kommt aus dem Herz.Rechtschreibung-weg damit.Ich kanns lesen :)..wer mein Deutsch (CH) nicht versteht helfe ich gerne weiter.
Und so winke ich Euch Selbstmitleidig;)in die Ferne und rufe Euch lieb zu;
„Schön dass jeder sein Style hat..so bleiben wir SPANNENDE MENSCHEN:D“!
Ich sehe, gerade der Punkt Selbstmitleid, von Literaten auch abfällig Larmoyanz, genannt, bewegt viele. Ich verweise auf Punkt drei der Liste: [… lass es dennoch stehen, denn es ist ein Teil von dir …]. Nela, Selbstmitleid ist kein Frauendings. Frauen sind da nur etwas rührseliger, weil sie nicht wie wir Männer den harten Kerl markieren müssen. Du weißt ja, auch hier gibt es selbstmitleidige Einträge ;-) ich hoffe, Ihr findet sie nie.
Immerhin sind wir ja alle unbezahlte Blogger, die die Welt aus freien Stücken mit Erdachtem und Erlebtem erhellen. Deshalb haben wir in unseren Blogs das Recht, zu tun und zu lassen, was wir wollen, die Tagesstimmung hochleben lassen und in euphorischen Momenten gerne übers Ziel hinauszuschießen.
Liebgrüß Euch allen.
Das Fazit gefällt mir am besten.
Und schreiben Sie bitte nur weiter so, wie es Ihnen gefällt. Ich möchte es nicht missen.
Endlich mal ein Leitfaden mit dem ich was anfangen kann!
Danke Jürgen für Deinen Besuch, ich habe Steffis Rat ja bereits befolgt und habe den oben erwähnten Bloganbieter auch verlassen und bin nun bei der Wortpresse;-)
Möge Dir die Lust am bloggen nie ausgehn, mir würde glatt was fehlen1
Grüße auch noch hier lasse.
hm, ich blogge auch das was mir so durchn kopp (oder durch die linse…) geht. teilweise um mich selbst damit zu entlasten…
Ich muss sagen, dass ich über einige der Tipps nachgedacht habe und werde versuche, damit besser umzugehen.
Aber letztlich ist es egal, da die Regeln zu brechen scheinbar die oberste Regel ist.
In dem Beitrag sind einige hübsche Ideen, die jeder für sich überdenken kann. Danke!
10 aktuelle Tipps wie man gelegentliche Blogbesucher zu Dauerbesuchern macht (aus energetischer Sicht), findet man übrigens hier: