„Und sehet, hoch oben in den Bergen wird eine Stadt aus dem Nichts entstehen, ihr Zentrum sei ein Tempel des Konsums und sie wird zur größten und prächtigsten ihrer Art wachsen. Die kaufenden Zehntausend werden kommen aus weiter Ferne in den Bäuchen großer eiserner Vögel“, sprach der Prophet, „Verdammnis über dich, du stinkender Weiler am schwarzen Bach – bis zu den Knien werden deine Bürger im Blut gescheiterter Einzelhändler waten“.
Der Prophet war müde, legte sich auf eine Parkbank und erfror am letzten Samstag bei minus fünf Grad.
Ich jedoch hatte nur eines im Sinn: Brauchst Handschuhe zum Radfahren. Also begab ich mich hinunter in den stinkenden Weiler, wo in einem City-Outlet-Center ein Vaude-Laden Ausverkauf hatte. Dort gab es alles, nur keine Handschuhe. Also ging ich den beschwerlichen Weg hinauf auf den Berg, oh Golgata, welcher, wie der Prophet mir sagte, eine glänzende Stadt aus dem Nichts hatte entstehen lassen. Das größte Outlet-Center der Republik. Dort, so ahnte ich, muss es doch Handschuhe geben. Gab es auch. Entweder waren sie aus Leder, zu fein, zu dünn, aus Seide, rosa, kitschig oder sie besaßen sonst einen Schicki-Micki-Makel. Die einzig brauchbaren Handschuhe, denen ich zutraute, dass sie auch fürs Radfahren bei Temperaturen unter minus fünf Grad taugen, gab es beim Outdoor-Ausrüster S. Sie kosteten über 100 Euro. Dafür kann man schon ein Auto kaufen.
Meine Überlegung war einfach und knapp: ehe ich 100 Euro hier oben in der bourgeoisen, verwirkten Markenwelt lasse, gebe ich sie doch lieber dem Fahrradhändler unten in der Stadt. Kurz vor zwölf war dieser im Begriff zu schließen. Er hatte einen Dreitagebart, sah übernächtigt aus, aber die Beratung war perfekt. Noch jetzt sehe ich den Glanz in seinen Augen, als ich die wärmsten Handschuhe, die er zu bieten hat für 40 Euro kaufte und noch ein paar Neoprensocken dazu packte, sowie in Aussicht stellte, demnächst ein Fahrrad bei ihm zu kaufen.