Motivationsmotive und die verflixte Hydraischkeit allen Seins #Retrospektive

Off-Topic oder auch nicht, wer kann das in einem Blog schon so genau sagen. Das Problem liegt im Künstlerberuf, der sphärenübergreifend gestrickt ist, so vermute ich. Das Private ist professionell. Das Professionelle privat. Alles mischt sich. Du gehst nicht abends nach getaner Arbeit heim und widmest dich  deiner Hobbies. Profession und Alltag sind in einer untrennbaren Masse vermengt. Es gibt keinen Außenposten, von dem aus ich mich selbst definieren könnte. Kein Patron, kein Arbeitgebender, keine Institution, die mich feedbacken könnte. Geradezu im Blindflug. Das ist schwer auszuhalten.

Die Nacht war löchrig. Ich sinnierte verdrossen über meinen Rückstand beim Ausstellungsbauen. Immerhin sind noch fast drei Monate Zeit, die Retrospektive vorzubereiten … mal zählen, wieviele Fresszettel mittlerweile auf dem Tisch liegen … 26 Stück. Jeder ist ein Abschnitt der Retro-Ausstellung und jeder Fresszettel sollte auch ein Blogbeitrag werden. Über allem gaukeln noch weitere, ungeschriebene Fresszettel, bzw. Ausstellungselemente: Sollte ich den Gedanken umsetzen, dass mein Künstlerleben in Form eines Films in Sekundenschnelle an mir vorüberzieht? Ein Raspberrypi mit Beamer und eine Videokabine wären dann in der Ausstellung zu sehen und ich müsste entweder ein Skript schreiben, das sich alle Fotos von der Festplatte holt und sie zu einem Zufallsfilm zusammenfügt (hat jemand so etwas schon mal geschrieben?) … wieviele Fotos sind das … eine halbe Million … wie lange wäre solch ein Film, wie lange die Standzeit der Einzelbilder?

Und weiters: Sollte ich dieses Blog zum Schlagwort einlesen und in eine Audiodatei verwandeln? Hörbuch einer finalen Ausstellung. Verflixte Hydraischkeit allen Seins. Jede abgearbeitete Idee gebiert zwei neue.

Zurück zur letzten Nacht. Frustriert und müde zugleich, überlegte ich aufzustehen. Mein innerer Wecker vermutete, es sei vielleicht fünf oder sechs Uhr. Dafür sprach die Helligkeit, die diffus durch den Nebel sickerte. Dagegen sprach die Stille. Kein Verkehrslärm. Keine Frühmorgenmenschen unterwegs und es ist doch erst Freitag. Drei Uhr nachts. Die Frustration, die mich grübelnd wach hielt, rührte daraus, dass ich mein Ausstellungselement „Motivationsmotive“ nicht in Blogform gießen, es erklären kann. Es mangelt an Bildmaterial. Es mangelt an Idee, es zu formulieren. Also denkt es nur im Kopf und denkt und denkt und denkt. Und nichts, aber auch gar nichts, dringt nach draußen. Mit jedem Denk wälze ich hin und her, nutze das Bett ab, den Körper. Ich zerfließe und wenn ich es Flann O’Brienisch betrachte, bin ich halb Bett und halb Mensch. In ‚Der dritte Polizist‘ skizziert der irische Schriftsteller eine Molekültheorie, nach der Menschen, die Gegenstände über Gebühr nutzen und mit ihnen täglich in Berührung kommen, immer mehr zu dem Gegenstand werden und der Gegenstand wird immer mehr menschlich. Im Fall geht es um Menschen und Fahrräder. Aber ich finde, die Molekültheorie lässt sich auch auf Betten anwenden.

Leuchttischbild mit acht mal acht Dias in Schachbrettraster. Verschiedene Landschaftsszenen und künstlerisch bearbeitete Bilder.
Lichtinstallation mit 64 Kleinbilddias.

Ich überlege, die Leuchttisch-Diainstallation mit in die Ausstellung zu nehmen. Sie ist mit uralten Dias aus den 1990er Jahren beklebt und gibt ein tolles Retrobild. Leider fehlen darauf einige wichtige Motivationsmotive (z.B. das Titelbild dieses Beitrags). Tagsüber versuchte ich ein brauchbares Foto der Leuchtinstallation zu machen, kramte die uralte Nikon hervor. Ein RAW-Foto, das ich später entwickeln würde, scheiterte an der Kamera, die ohnehin schon abgelebt ist. Und nur 12 Megapixel hat. Das Bild war unscharf, ich mich auf die Schnelle in den Prozess des Raw-Entwickelns einzuarbeiten versuchte, dabei scheiterte … natüüürlich!

Dass ich aber auch immer die Perfektion herausfordern muss. Warum nicht das nehmen, was ist, es erklären und Ruhe. Mit dem iPhone, das mir die Liebste kürzlich schenkte, gab es ein besseres Bild als das Nikon. So vermutete ich.

Nun mal Tacheles und sags schnell, sags in einem Satz: Motivationsmotive sind die frühen Fotos, die ich analog mit Kleinbildfilm fotografierte und die selten absichtlich, oft aus Versehen zu Bildern gerieten, die mir sagten, mach weiter und somit ranke ich seit jeher an den Motivationsmotiven.

Der Leuchttisch enthält Bilder von etwa 1995 bis 2001. Viele Bilder aus der ersten Zweibrücken-Andorra-Reise im Jahr 2000 und aus der dritten Kunststraße, Mainz-Weikersheim-Fürth 1996. Es sind auch erste Dia-Sandwich-Experimente auf der Bildtafel. Besonders motivierend war C8, ein Dia-Schnappschuss am Main 1996, der im Gegenlicht das Zelt eines Zirkus abbildet.

Den gestrigen Tag verbrachte ich damit wahlweise die alte Nikon zu beherrschen, vom Neukauf einer aktuellen DSLR zu träumen, mich in Darktable zur Raw-Bildbearbeitung einzufuchsen und mit der Suche nach diesem verdammten zweiten Leuchttisch, denn es sind nicht alle wichtigen Motivationsmotive auf der Bildtafel.

Nun da ich dies schreibe kommen mir folgende Gedanken: Es sollten mindestens drei Leuchttisch-Collagen in die Ausstellung kommen, sprich, ich muss noch zwei weitere bauen. Und: Ist es nicht merkwürdig, dass die Tafeln aus genau 8×8 Bildern bestehen, genau wie beim Schach? Wenn ich ein imaginäres Künstler- Krimi- oder Mystery-Buch schreiben würde, käme darin ein Künstler vor, der in einer Schachbrett-Bildcollage einen Code hinterlässt, den man entschlüsseln kann, wenn man auf dem „Spielfeld“ eine bestimmte, berühmte Schachpartie nachspielt. Springer auf E6, Schach usw.

Wirres Zeug? Willkommen in meinem Hirn.

(Überlege noch, ob der Artikel öffentlich soll? Obschon er ja das Kriterium der Skizze für das Ausstellungselement „Motivationsmotive“ erfüllt. Finde ich.)

Das Beitragsbild ist für mich das motivierendste aller Motivationsmotive. Ein Bild, das sagt, mach weiter. Frisch mit einem Fotoapparat ausgestattet machte ich etwa 1991/1992 eine nächtliche Langzeitaufnahme auf Dia-Film und staunte nicht schlecht, als ich das farblich unerwartete Ergebnis im Diakasten hatte.

3 Antworten auf „Motivationsmotive und die verflixte Hydraischkeit allen Seins #Retrospektive“

  1. @kibmib So viele Ideen. Ich dachte spontan, es müsste dein Hirn nachgebaut und gezeigt werden können, alle diese mäandernden Innenräume.

      1. @kibmib Ha, gute Idee.

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