Vom Anbeginn der Niere und Raumforderungen in der eigenen Psyche

Zwei Arzttermine blockten den gestrigen Tag. Ein Fixpunkt im Monat. Dritte FSME-Impfung und allgemeines Arztgesprächsgeplänkel, was beim Hausarzt mitunter einen anregenden bis beschwichtigenden, beruhigenden Charakter hat. Meist jedoch sind die Gespräche hektisch, zwischen Tür und Angel und der Doctor biegt sie immer in seine Richtung à la das und das habe ich auch seit langem, das ist nicht schlimm, Sie sind ja noch gut beisammen für Ihr Alter; da kann man nix machen; da, eine Überweisung und jetzt weg. Mein Vater hatte unseren Familienleibarzt Doc Holyday getauft, weil es in ihrer beider Gespräche stets ruckzuck um Ferien, Reisen usw. ging. Mit Medikamenten und der Erkenntnis, dass man da nix machen kann, verließ er die Praxis.

Ich bin da eher beharrlich, habe in der Hinterhand stets einen Fresszettel mit Notizen dabei, den ich aus dem Ärmel ziehe wie so ein Falschspieler das letzte As. Auf dem Zettel steht meine gesundheitliche Roadmap. Impfung check, dieses Medikament nehmen oder nicht, weil es steht doch im Widerspruch zu dem und dem? Eins noch, wenn es da weh tut, muss ich mir dann Sorgen um Herz, Leber, Lunge machen? Der Doc nutzt seine Chance, um einen Vortrag über den Anbeginn der Niere, Vererbung und seltene nephrologische Phänomene zu knüpfen. Die Raumforderung (ich erwähnte sie in einem anderen Blogbeitrag), kurz RF ist jedoch in mir drin und es beunruhigt mich, was es auf dem Nierenmarkt an absonderlichen Dingen gibt. Als der Doctor über Wandernieren erzählt, gelingt es ihm, mich abzulenken. Schon schmunzele ich beim Gedanken an Radlendennieren, Autofahrernieren, Pilgerinnennieren und ÖPNV-Nieren.

So schlau als wie zuvor und noch immer einen guten Monat vom MRT entfernt (gottlob hatte ich den Termin schon im November ausgemacht), verlasse ich die Praxis. Nachmittags noch eine Untersuchung beim Urologen. Das war ja auch so eine Sache. Mit dem Befund aus der Nephrologie Ende November fragte ich den Doc, hey, da steht RF drauf, drei Zentimeter groß, verkalkt, ist das schlimm, können Sie vielleicht den Termin in der Röntgenpraxis für mich ausmachen, dann geht es vielleicht schneller, woarufhin er sich windet, gehen sie erst einmal zum Urologen, wieso Urologe, frage ich, weil der dafür zuständig ist. Das Rollen verdörrter Büsche in den Tiefen meiner phantastischen Seele, aber was weiß denn ich, ist eben der Urologe zuständig, wenn der Doctor es sagt und immerhin gibt es den Urologentermin sogar früher als das MRT. Dennoch: mehr als Ultraschallen wird er wohl nicht machen, denke ich, aber vielleicht auch doch und überhaupt, vielleicht sieht er dann ja, dass RF zurück gegangen ist, herrje, so war es dann genauso. Zehn Minuten Urologie mit lieblosem Ultraschall (in der Nephrologie dauerte das Ganze eine dreiviertel Stunde und man bezifferte die RF auf den Millimeter genau. Der Urologe sagte jedenfalls, dass das Ding um die drei Zentimeter groß ist, schluss mit von selber Weggehen und nuja, MRT sei noch lange hin, aber nicht so schlimm. Gut, dass ich es schon im November angefragt hatte. Falls die RF schädlich sein sollte, würde er mir die örtliche Uniklinik anraten, denn bei anderen Kliniken verlöre man ruckzuck die ganze Niere.

Okay. So sieht das also in mir aus gerade. Die Raumforderung ist längst rein mental im Kopf angelangt und ich muss ständig darüber nachdenken, obwohl ich null Probleme habe. Keine Schmerzen, kein Blut, kein Unwohlbefinden, nichts.

Sorgen, dachte ich jüngst noch, sind die größte Verschwendung von Zeit. Wie oft im Leben denkt man, dies und das könnte passieren und es passiert meist entweder nicht oder es passiert und ist nur halb so schlimm.

Wenn man alle Lebenszeit, in der man sich mit Sorgen belegte, zurück erhielte, könnte man vermutlich einige Jahre Ferien machen.

 

3 Antworten auf „Vom Anbeginn der Niere und Raumforderungen in der eigenen Psyche“

  1. Dann hoffe ich doch sehr, dass diese Raumforderung minimalinvasiv operabel sein wird und alles bald wieder gut kommt. Ach, ach, und ja, das Sorgenmachen ist so ein Ding … wem sagst du das!

  2. Lieber Juergen,
    was ich ganz entsetzlich finde, das ist die extrem lange Wartezeit auf das MRT. Sehe ich das richtig, dass Du Dich im November um den Termin bemueht hast und der dann erst fuer Februar moeglich war? Ich kann es fast nicht glauben. Hier ist es so einfach und schnell moeglich. Meine Termine fuer CTs und MRTs [das wird Alles im Krankenhaus hier in Fredericksburg gemacht] bekomme ich innerhalb einer Woche – manchmal sogar innerhalb von 2 Tagen. Der Auswertungsbericht des Radiologen liegt dann manchmal noch am selben Tag, spaetestens aber am naechsten, dem behandelnden Arzt und – online einsehbar – auch mir vor.
    Fuer Deine Niere halte ich Dir ganz fest die Daumen, dass es nichts Schlimmes ist. Und wenn da was raus muss, dann hoffe ich, dass es so einfach ist wie bei mir.
    Das war eine relativ neue, aber gut erprobte Technik: Radiofrequenz-Ablation. Dabei wird eine Sonde in den Tumor eingefuehrt und die dann per Hochfrequenz erhitzt und der Tumor abgetoetet. Der Vorteil dieser Methode: man kann ganz punktgenau den Tumor beseitigen und braucht kein Stueck Niere [das kann, wenn der Tumor unguenstig sitzt, durchaus ein Viertel der Niere oder mehr sein] operativ zu entfernen.
    So, und nun noch einmal alles Gute, auch von Mary, und toi, toi, toi fuer Deine Nierengeschichte, auf dass sie bald wirklich Geschichte ist.
    Liebe Gruesse,
    Pit
    P.S.: Auf Deine Email, die schon viel zu lange [sorry] in meinem Posteingangsordner liegt, antworte ich Dir auch ganz bald.

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