Eine Abhängigkeitsmaschine

Im Shop gibt es neue, limitierte Kunst: https://shop.irgendlink.de

Sowie das Flussnoten-Poster und das Dukommsthiernichtrein-Poster zum Ausgabepreis. Nur für kurze Zeit.

Nachdem mit dem überkandidelten, von Javascripts und allmöglichem programmiertechnischem Zeug strotzenden Storefront-Theme zu viele Ausfälle diagnostiziert waren, habe ich ein bisschen gedowngradet und ein weniger schickes Theme installiert. Keine Lust, mich in die hochtechnischen Dinge zu denken und Probleme zu lösen … eigentlich verhält es sich mit Software ähnlich wie mit technischen Geräten: ein Werdegang, der in die Abhängigkeit führt.

Was waren das noch Zeiten, als etwa ein Fahrrad noch aus simpler Technik bestand, die man mit bezahlbaren Werkzeugen und einigem Mut selbst reparieren konnte. Selbst als die Technik komplizierter wurde, die Werkzeuge ‚torxiger‘, die Spezialschlüssel immer spezieller, die Verschleißteile sich mehr und mehr Richtung Unikat bewegten, konnte man das Radel meist noch gut selbst warten. Damit ist Schluss, seit die Ebikes auf den Markt kamen und mit ihnen die Software. Diagnosegeräte, Spezialstecker, Programmläufe, die dich per Zeit- oder Kilometerlimitierung in die Werkstatt knechten, wo dir der Händler deines Vertrauens einen horrenden Stundensatz abknöpft.

Was soll ich sagen zur Webseitengestaltung? Eigentlich bin ich darin recht fit, wäre theoretisch in der Lage jedwedes Problem zu lösen, wenn ich denn die Zeit dafür hätte, bzw. sie mir nähme. Ein bisschen CSS-Voodoo hier, eine kleine PHP-Beschwörungszeremonie da. Problem: Denken an Dinge, die einen vom eigentlichen Ziel ablenken.

Lösung Arbeitsteilung: Du, Künstler, machst nur die Kunst, jemand anderes vertreibt sie, noch jemand anderes kümmert sich um die Software und wieder jemand nimmt die rechtlichen Zügel in die Hand. Soweit so gut. Wenn die Arbeitsteilung gerecht wäre. Ist sie aber nicht. Ich hatte mal an gemeinsames Arbeiten geglaubt, an gemeinsames Wirtschaften, an eine gemeinsame Zeitkonvention und an eine gemeinsame Geldkonvention. Mittlerweile steckt in allen Kreisläufen Schmutz, Siechtum, Leid … wie kann ich wissen, wenn mir jemand ein Bild abkauft, ob er das Geld, das er mir gibt, rechtens erworben hat? Wie kann ich wissen, ob die Lebensmittel, die ich kaufe und verzehre, fair produziert wurden, wie sehr die Produktion auf dem Leid von Tier und Umwelt gebaut ist (in der Regel sehrer als man denkt) … ich ufere aus, möchte den letzten Abschnitt löschen. Ein Plugin wäre cool, mit dem man in spontan geschriebenen Blogeinträgen wie diesem hier, Schnipsel extegrieren könnte, die Passage einfach ausblenden, sie in einen Giftschrank sperren oder in eine ungare Ecke, so dass der Leser, die Leserin nicht vom Artikel abgelenkt wird, weil das Autorenhirn mal wieder auf einem düsteren Spaziergang durch eine dystopische Welt war.

Im Shop möchte ich doch einfach nur ein paar Kunstwerke anbieten, im Blog einfach nur ein paar Texte hacken. Der Irgendlink-Shop ist mir eine Abhängigkeitsmaschine geworden. Ich betreibe und pflege keinen anderen Blog, der mit so vielen Plugins bestückt ist wie der Shop. Hier ein Cookie-Plugin, dort was mit DSGVO und als Sahnehäubchen Backup-Plugin, Antispam, eingedeutsche Rechtssicherheit, Schriftartenverwaltung. Ständig kommen Updates (zum Glück gibt es ein Plugin, dass das automatisiert), ständig Änderungen, mal zerschießt es einem die Steuersätze, mal den Warenkorb-Checkout, kurzum, ich bin ein Softwarejunkie geworden und meine Dealerinnen und Dealer sind pfiffige, codende Menschen, die mir das Glück in Form von ‚ich kann dir helfen, Junge‘, lobpreisen. Gefangen in einer endlosen Schleife des Plugin-Installierens, um eine Lücke zu schließen, die ein Plugin gerissen hat, welches rechtlich mittels eines Plugins abgesichert werden muss und so weiter und so fort.

Die Welt verlazarusiert sich selbst. Die menschliche Gesellschaft eine Leiche in den Mullbinden binärer Heilsversprechen.

Und nun? Passagen raus? Im Quelltext verstecken? Löschen? Einen Doppelartikel schreiben (eine Version in ‚ganz‘ als privat markiert und eine abgespeckte Version des Artikels als öffentlich markiert)?

Ich lass das mal so.

Im Shop kam übrigens massiv mein ‚Privat-Hack‘ zum Einsatz. In der Rubrik Daily, die über tausend Kunstwerke enthält, habe ich gut 90 Prozent als privat markiert. Das macht sie unsichtbar, aber es gibt sie noch. Fast schon ein kleiner Werksverzeichnis-Hack, ganz ohne auch nur eine Zeile eigenen Code dafür geschrieben zu haben :-)

So. Genug geplaudert. Ich lass das jetzt wirklich so.

2 Antworten auf „Eine Abhängigkeitsmaschine“

  1. Lieber Jürgen,
    auch wenn ich meistens „privat markiert“ bleibe, lese ich dein Blog.
    Wie mal wieder in diesem Beitrag, triffst du exakt mein Außengefühl
    und mein Umgang damit hat mit deinem häufig große Ähnlichkeit.
    Der Versuch, mich den sich ständig wiederholenden Schreckensmeldungen zu entziehen, ist nur ein Beispiel. Dieser Beitrag hier erinnert mich daran, wie ausgeliefert ich mich oft fühle. Gleichzeitig führt er mir aber auch vor Augen, dass ich nicht allein bin, ein eher aussterbendes, seltenes Exemplar, aber nicht allein.
    Und, dieser Beitrag hat mich auch daran erinnert, dass meine jährliche Bestellung wieder ansteht. Ich werde sie auch ganz sicher mit „rechtens erworbenen“ Mitteln bezahlen, versprochen.
    Weiter so und Liebe Grüße

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