Gestern. Vatertag. Auffahrt. Ein eher entspannter Tag. Nicht zu viele Höhenmeter. Von meiner Wildzeltwiese nahe Heinersdorf breche ich gegen neun Uhr auf, just als erste Grüppchen auf den Wegen sich versammeln, voranzuckeln mit Bollerwagen voller Kaltgetränke. Ich schaffe es gerade noch so, einer Gruppe junger Männer zu entfliehen. Aus früheren Vatertagserlebnissen weiß ich, dass es oft etwas kompliziert ist, einen solchen Knoten feuchtfröhlicher, singender, oft angetrunkener Menschen zu durchqueren. Meist wird man freundlich begröhlt und angefeuert, aber eben … Spaß geht anders und letztlich feiern sie sich ja doch nur selbst, auch wenn sie dich anfeuern.
Gen Coburg auf verschiedenen regionalen Radwegen. Die Zeit der großen Ferntrassen wie etwa Grünes Dach und Bodensee-Königssee sind vorbei. Hier gibt es nur noch klein-klein und regional. Läuft dennoch. In Mitwitz ein Fest. Das Gartenfest. Eintritt 12 Euro. Weit beworben auf Plakaten. Schon früh steuern Kolonnen von Autos und Motorrädern die Festwiese an.
Ein Spaziergänger flucht über den Wind. Gutso. Dann bilde ich mir das also nicht ein. Der Wind ist außergewöhnlich. Er nervt. Er kommt fast immer von vorne oder seitlich. Er kühlt mich aus. Er saust in den Ohren. Seit Tagen mit ein paar kurzen Flauten ab und an.
In Coburg staune ich über die üppige Architektur. Hohe Villendichte. Hohe Skulpturendichte, belebter Schlossplatz. Gesicht eines Mohrs im Profil im ‚guten alten‘ Kolonialstil auf den Kanaldeckeln. Da gab es vor einiger Zeit eine Diskussion, dieses kolonialistische Motiv abzuschaffen, erzählt mir ein junger Mann. Coburger Bratwurst kauend sitzen wir nebeneinander auf einer Bank auf dem Schlossplatz. Die winzige Wurstbude qualmt, als wäre ein Großbrand darin ausgebrochen. Ein Kombi fährt vor und liefert Kistenweise Brötchen und Wurst. Lange Schlange vor der Bude. Seit der junge Mann und ich unsere Wurst kauften (ohne Schlange zu stehen), sind stetig Leute nachgetröpfelt, kauften, bissen rein, aßen und nun ist der Andrang so groß, dass sich eine zehn Leute lange Schlange gebildet hat. Analog zum Wurstweckdesign, will ich mal sagen. Denn die Wurst ist ein etwa 20 cm langes gerades, verschmortes Ding, das rechts und links aus einem Kinderfaust großen Knollen Backwerk heraussteht. Ein Wunder der Statik, ich meine, dass die beiden Kragarme der Wurst nicht unter der eigenen Last abbrechen. Ich frage mich, wie viele Meter Wurst wohl an dem Tag aus der Bude kommen.
Raus aus Coburg durch nervige Radwegbaustellle immer wieder verirrt auf dem Rodach-Itzgrund-Radweg. Ein Wiesen- und Felderradweg, stelle ich fest durch hügeliges Land mehr oder weniger entlang einer Bahnlinie. Schön und nicht schön zugleich. Schön ist die Stille. Nicht schön die Kargheit, der wenige Input, die kaum vorhandenen Ruhebänkchen. Ein bisschen erinnert mich die Szene an Dänemark, wohl wegen der mächtigen Wolken und des Windes.
Hinter Bad Rodach ist doch tatsächlich schon ein Radweg nach Bad Königshofen ausgeschildert. 34 Kilometer. Ich muss wieder ein Stück durch Thüringen und dort, mittendrin, ich hatte ja Thüringen gelöscht in meiner Handy-App, stehe ich plötzlich ohne konkreten Hinweis auf Bad Königshofen da. Die Schilder kennen nur noch Orte im Landkreis Hildburgshausen. Dieses Kleinklein der Lokalradwegplanungsgenies, die nicht über den Tellerrand des eigenen Landkreises hinausdenken … ach je. Ich frage mich also durch, Datengeiz sei Dank. Ich könnte ja theoretisch die 200 MB große Thüringenkarte herunterladen. Dann würde aber womöglich mein Volumen nicht reichen bis zum Ende der Bayernrunde.
Fragen ist ja auch gut. Ein Mann erklärt mir den Weg, nicht den gewünschten, aber einen andern, nämlich dem Radweg nach Heldburg zu folgen und dann Richtung Königshofen. Ist sicher weiter, aber das Tälchen runter nach Heldburg ist so lieblich.
Schon recht spät fahre ich ohnehin nur noch ein paar Kilometer und finde eine schöne Wiese hinter einem umzäunten, ziemlich verbarrikadierten Gelände unterhalb Völkershausens. Blick auf die Heldburg. Super eben und frisch gemäht.
Die Prognosen einiger Twitternder über die Radwegesituation an Vatertagen bewahrheitet sich zum Glück nicht. Weder gibt es Glasbruch, noch werde ich von besoffenen Autofahrern gefährdet. Die Gröhlquote hielt sich auch in Grenzen. Die einzige Kuriosität ist ein Bollerwagen mitten auf der Straße, total vereinsamt. Eine Szene wie aus einem Western. Erst als ich daran vorbei rolle, sehe ich zwei rotköpfige Kerle auf der Wiese hinter dem Straßengraben liegen.