Kaum zu glauben, dass ich innerhalb eines Jahres von Zweibrücken ans Nordkap und nach Gibraltar geradelt bin. Auf der angeblich genauesten Landkarte der Welt, für deren Gestaltung kürzlich ein Japaner einen Designpreis erhalten hat, wird das Ausmaß der Langstreckenradreise deutlich. In der Landkarte ist Europa oben links abgebildet. Man sagt, die Ländergrößen seien in der Karte besonders gut wiedergegeben. Grönland wird so groß dargestellt wie die arabische Halbinsel. In ’normalen‘ Karten wirkt Grönland viel größer.
In der Karte des Designers Hajime Narukawa (Nachtrag 2023-05-25: Hier kann man die Karte online bestellen; sie kostet knapp 70 Euro) erscheint die Strecke Nordkap-Zweibrücken-Gibraltar als die längste Seite Europas. Die beiden Langstreckenradtouren waren zusammen fast neuntausend Kilometer lang.
Zu Ende des live geschriebenen Blogbuches unter dem Titel ‚Europenner‚ schrieb ich einen euphorischen Artikel, dass ich nun, da ich Europa abgeradelt und seine Extreme ausgelotet habe, fast ein kleines Lebenswerk vollbracht habe.
Jetzt wird mir klar, dass das gar nicht mal eine so untreffende Behauptung war. Ich bin müde geworden und ich bin zufrieden mit meinen vielen Fahrradreisen. Der Durst ist gelöscht.
Ein ähnliches Zulaufen des Lebens auf eine selbsterdachte Spitze hin, stelle ich in meiner Kunstarbeit fest. Innerhalb der letzten Jahre habe ich mich ins Internet zurückgezogen, mache keine Ausstellungen mehr, löse nach und nach mein Bilderlager auf. Meist wandern die noch vorhandenen echten Bilder an Freunde und Bekannte, SammlerInnen und UnterstützerInnen.
Diese Attitüde der vollkommenen Digitalisierung wuchs langsam und wurde immer mächtiger. Ausschlaggebend sind die vielen Tode, mit denen ich in der letzten Zeit konfrontiert werde. Ich sehe knallhart vor Augen, was ich schon lange ahne. Von uns bleibt nichts übrig. Fast alles, was wir an privatem Krempel besitzen, ist nur für uns selbst wertvoll. Nach dem Tod ist es eine Last für die Hinterbliebenen. Ein Fall für den Müllcontainer.
Auch das künstlerische Werk, wenn man nicht gerade zur Geldanlageikone geworden ist. Deshalb muss jetzt alles raus. Ich werde dafür sorgen, dass nichts übrig bleibt außer ein paar Datenträgern, ein paar Servern irgendwo da draußen und einer Passwortdatei. Okay, da wäre noch das Memory of Mankind zu nennen. Ein paar Kunstwerke wurden vor zwei Jahren in den Tiefen der Salzwelten in Hallstatt, gebrannt auf unverwüstliche Keramik, archiviert. Das Liveblogprojekt aus dem Jahr 2014 hieß Bilder für die Ewigkeit. Auf 32 Tonfließen wurden Texte und Bilder aus dem Blog verewigt.
Ich schweife ab. Egal. Selbstauflösung, jeden Tag ein bisschen und nebenbei die vielen Kunstluftschlösser bauen. Schön digital.
Alles, was man anfassen kann, kann weg. Alles muss raus. Ein paar Jahre Zeit habe ich dafür noch.
Mit den digitalen Bildern arbeite ich momentan intensiv. Endlich finde ich die Ruhe, die vielen Serien in fertige – wiederum digitale – Elemente zu verwandeln. Das alltägliche kleine Lebenswerk. In einem guten Jahr sollte der künstlerische Prozess abgeschlossen sein.
Heute habe ich mir gleich zwei meiner langjährigen Bilderserien vorgenommen und daraus Bildcollagen gestaltet. Im vorigen Blogbeitrag gibt es die ‚Dukommsthiernichtrein‘-Serie zu sehen.
Hier in diesem Artikel stelle ich das ‚Verboten‘ Uniquiple vor. Was Uniquiples sind, habe ich zwei Blogeinträge zuvor am Beispiel der Hochsitzesammlung erklärt. Verboten wird in Kürze auch in meiner Poster-Sektion zu erwerben sein.
Die Poster halten sich übrigens ein Sammlerleben lang, gut 70 Jahre.
Ich kann Dich gut verstehen. Ja, sehr gut verstehen. Ich sehe auch den ganzen „Krempel“, von dem ich mich gerne trennen würde. Gut, mit Familie ist das etwas schwieriger, da ja vieles „Familieneigentum“ ist. Doch der Gedanke, schon zu Lebzeiten soweit „aufgeräumt“ zu haben, dass die Nachfahren wenig zu tun haben … hat schon ‚was. Unser Alter bringt die Tode näher, das so Abstrakte wird realer.
Gute Sichtung und weiter so feine Ergebnisse wie die Poster!
Ich muss an meinen Vater denken. Wie er am Ende seines Lebens zu reduzieren begonnen hat.
Die Schätze sind sehr persongebunden und erzählen ihre Geschichten nur denen, die sie gefunden haben. Oder so.
Ich mag deine Collage sehr.
he jürgen, kann ich nicht viel dazu sagen. meine arbeiten verrotten zumeist – und das ist sehr gut so! aber meine sammlung von arbeiten von kollegInnen und freunden wächst. die macht mir aber auch großen spaß – und wenn ich dann mal abtrete wandert sie wahrscheinlich in den müll. das ist auch gut so!
so long
Weise geworden. Waise aber noch immer nicht.
Cool, wie du es handhabst!
Und dass du so gar nicht vor dem ganzen Netzkram zurückschreckst, sondern damit arbeitest, finde ich tröstlich und spannend!
Gruß von Sonja