Warum tragen die Handschuhe? fragte Frau SoSo neulich. Es war heiß. Zwei Mountainbiker kamen uns in voller Montour, eben typischer Mountainbiker-Kleidung, entgegen. Wir parkten das Auto am Haspelschieder Weiher, (daheim um die Ecke) sprangen hinein, schwammen eine Runde. Von Südwesten zog ein Gewitter auf.
Weil es die Werbung ihnen diktiert, habe ich glaube ich geantwortet. Als Mountainbiker musst du so aussehen, sonst bist du kein Mountainbiker.
Schnitt.
War es noch auf dem Mainradweg? Es regnete. Ein Mountainbiker überholte mich. Sein Po und der Rücken waren braun vom Schlamm, den das Hinterrad unbeschutzblecht hochschleuderte. Als Mountainbiker muss man so aussehen, weil die Werbung für Mountainbikes keine Schutzbleche vorsieht, dachte ich bei mir.
Rückblende.
Beim Familienfest bei über dreißig Grad will die fünfzehnjährige Großnichte partout ihre Kunstlederjacke nicht ausziehen. Obwohl der Papa dauernd nervt, zieh doch mal sie Jacke aus.
Jetzt.
Der Spülschwamm und das Geschirrhandtuchliegen beinahe unbenutzt vor dem Zelt. Unweit fließt die Saale. Die Elbe ist nicht mehr weit. Ich spüle die Töpfe im Reiseradlerlager mit einem Büschel Gras und ein bisschen Wasser. Dieser trotzige Widerstand gegen die Muss-so-aussehens dieser Welt muss einfach manchmal sein. Dann, wenn Vernunft über Fremdbestimmung siegt. Dennoch beschleicht mich das Gefühl, dass ich viel zu viele Muss-so-aussehens mit mir rumschleppe. Nicht nur auf der Reise, auch im Leben.
Der Radler mit der Anzugshose und dem Hemd und der weißen Narbe auf der Stirn kommt mir gerade in den Sinn. Der aus dem vorigen Beitrag. Der sah so ganz anders aus, als er eigentlich hätte aussehen müssen.
Das Tüpfelchen auf dem I.
Die Türen des Campingplatzes am Herrmannseck – vorgestern war das – sie hatten keine Klinke. Jeder Gast, der sich anmeldete, kriegte vom Besitzer eine schwere, gusseiserne Klinke in die Gand gedrückt, um Zugang zum Waschhaus zu haben. Herkömmliche Zeltplätze verwenden dafür Chipkarten mit Schließsystem. Weil man das eben so hat heutzutage.
Ich könnte das Lied vom Muss-so-aussehen bis in alle Ewigkeit weitersingen. Schlank und graziös wie Heidi Klum schreibe ich diese Zeilen, ich Germany’s next Top Model der Literatur, ich.
Ich frage mich gerade, ob nicht heutzutage viele (beinahe alle? alle?) Menschen mehr oder weniger solche „Das-muß-so-aussehens“ mit sich herumschleppen … Die armen Kerle in den Banken u.ä. Unternehmen/Behörden, die auch bei höchsten Temperaturen Schlips und Kragen und Jackett tragen müssen, die Frauen, deren Befreiung von Mieder und BH grad ein halbes Jahrhundert zurückliegt, die Mountainbiker, die Skater, die Hiphopper, die Skinheads, die mitSmartphonevorderNaseGeher , die Vegetariere und Veganer, die Paläodiäter …
Die Zeit der Trachten sei vorbei, glaubten viele schon vor Jahren. Dafür ziehen immer mehr Menschen immer mehr Uniformen von immer größeren Vermarktern über. Und immer mehr wirklich wichtige Sachen kommen abhanden. Selbstbestimmung. Graue Haare als Zeichen für Alter und Weisheit. Falten als Zeichen für gelebtes Leben.
Scham- und andere Haare als Zeichen des Erwachsenseins.Viele andere Dinge als Zeichen der Individualität, unsere kleinen Macken sozusagen, die uns menschlich und liebenswert machen …Ein Thema zum darüber-am-Lagerfeuer-philosophieren.
Die Fleischesser hast du vergessen …
;-)
Die hätte ich dann ja auch wieder gestrichen ;-)
Definitiv, Emil
Oh ja, dieses Müssen-sollen-aussehen. Viel zu oft handeln wir so, diesen Normen entsprechend.
Du hast mich diesbezüglich schon oft ertappt, ich gestehe es. Und ich bin, dank dir, auch ein bisschen trotziger geworden. Längst sind viele Das-Muss-sos aufgeweicht.
Ich habe immer noch welche, klar, viele sind aber zu Ich-will-sos geworden, das mag ich lieber.
Ich wünsche dir, dass du und ich und wir alle hinfort nicht aus Trotz Dinge nicht tun/tun, oder aus Pflicht Dinge tun/nicht tun, die MAN so tut/nicht tut, sondern weil wir sie wollen.
Ich gestehe, manchmal will ich Geschirr spülen … *kicher* ;-)
Bügeln. *träum*
Juhuu. Geschirr. Ne im Ernst. Ich glaube, niemand kann sich den DasMussSos entziehen. Aber man kann sie wenigstens erkennen
da sagst du was … seufz … und grins, beides gleichzeitig, ich Multitaskerin, ich ;)
sleep well
ich reihe mich fröhlich ein die Reihe der „viel-zu-viele-Muss-so-aussehens-mit-herum-Träger“, trotz besseren Wissens, dass das gar nicht muss. Eine zeitlang hatte ich die Türklinke der Wohnungstür von innen so montiert, dass sie senkrecht nach oben zeigte, weil der Hund die Angewohnheit hatte sich die Türe selbst zu öffnen und alleine auszugehen. Obwohl das bei uns mit der Türklinke so musste, konnte ich mich lange nicht damit arrangieren, weil das im allgemeinen eben so nicht muss. :-)
Schick dir mal liebe Schmunzelgrüße mit auf deinen Radelweg.
Szintilla
Danke Szintilla
ja, da sagst du was. mir liegen auch viele muss-so quer. aber manchmal können sie auch halt sein. begrenzung, die gut tut, die dem leben eine form gibt. manche menschen brauchen sie, um sich im leben zurecht zu finden.
ich schicke dir liebe morgengrüße!
Moinmoin. Ich hab grad im Niegripper See gebadet. Radele jetzt los.