Gib mir mein‘ Donau zurück

Gestern habe ich erstmals das Gefühl, „in“ der Reise zu sein. Die Durchquerung des Schwarzwalds steckt mir zwar noch in den Knochen, aber durchs Donautal führt der Radweg abwärts, bzw. topfeben. In Donaueschingen, das ich scherzeshalber in Dona-Üschingen umtaufe, herrscht reger ReiseradlerInnenandrang. Meist zu zweit, manchmal in Gruppen, verstopfen sie die Straßen. Eine Gruppe ist besonders kühn und diskutiert den Besuch einer Pizzeria mitten auf der Hauptstraße. Die Autofahrer nehmen es seltsam gelassen. Regiert in der Stadt am Ende der Radler, so wie in Oldenburg? Durch eine Wiesenebene folge ich dem perfekt beschilderten Donauradweg. An kritischen Stellen, an denen man sich unachtsam verirren könnte, sind Absperrbänder angebracht. Ist fast wie das Landefeuer eines Flughafens. Einflugschneiße zum Schwarzen Meer.

Auf einer Bank tippe ich ein paar Zeilen mit der Bluetooth-Tastatur, ein seltsames Bild muss das sein. Wohl hält man mich für einen Börsenmakler, der mal eben die Kurse checkt? Okay, Arbeit ist es dennoch, die ich tue. Hallo fällt in allen Sprachen, sieben Französinnen fahren eine Weile gleichauf mit mir. Durch wechselseitige Fotostopps kommt es zu permanenten Pendelbegegnungen. Zwei Österreicher, die in Dona-Üschingen gestartet sind und nach Passau wollen – heute begegnen sie mir wieder, just als ich diese Zeilen schreibe. Gegen Abend kommt die Sonne wieder durch. Ich kaufe ein paar Lebensmittel, fülle alle Wasserflaschen, insgesamt vier Liter, und beginne mit der Suche nach einem Lagerplatz. Hinter Immendingen ist die Donau plötzlich verschwunden. Trockenen Fußes wate ich durch ein Kiesbett, das noch vereinzelte Pfützen hat, aber von Fluss weit und breit keine Spur. Stattdessen ein Schild, auf dem das Phänomen der Donauversinkung erklärt wird. Der Fluss kommt erst zwölf Kilometer entfernt in Aach wieder zu Tage. Durch Karsthöhlen fließt das Wasser im morschen Gestein. Zunächst war ich so naiv, zu glauben, dass es einfach dem Flussbett folgt, nur unterirdisch, aber ein weitere Informationstafel belehrt mich eines Besseren: Die Donau verliert einen Großteil ihres Wassers an den Rhein! Kaum zu glauben. Die ohnehin wackeligen Gesetze von Schrödingers Wasserscheide sind total aus den Fugen geraten. Die Aach liegt südlich zwischen Donautal und Bodensee und mündet in den Rhein. Die Aachquelle ist die größte Quelle Deutschlands und speist sich mehrheitlich mit Donauwasser. Tuttlingen liegt nur im Winter an der Donau, wenn man es genau nimmt. Im Sommer liegt es an zwei kleinen Bächen, deren Namen mir gerade nicht parat sind, die aber, zumindest im Winter in die Donau münden.

Ab Mühlheim wird das Flusstal enger und zunehmend reizvoller. Kurz hinter der Stadt finde ich einen Lagerplatz hinter einer Kirche. Der Abendnebel senkt sich und macht mein Zelt für die Blicke der Stadtbewohner unsichtbar. Grillen singen mich in den Schlaf.

Nun bin ich schon wieder etwa fünfzehn Kilometer weit geradelt. Der Fluss ist wieder da. kalkweiße Felsen zieren die steilen Hänge. Der Fahrradweg führt mal auf, mal ab, fast immer am Fluss entlang. Noch einen Kilometer bis nach Beuron. Der Ort, an dem ich diese Zeilen schreibe, war einmal eine Mühle. Noch immer rauscht das Stauwehr. Die Mühle wurde mitsamt den Müllersleuten und ihrem kleinen Sohn 1960 bei einem Erdrutsch verschüttet. Eine Gedenktafel auf einem Felsen erinnert an sie.

6 Antworten auf „Gib mir mein‘ Donau zurück“

  1. An genau dieser Stelle stand ich mit J. am Dienstag, den 13.07.2010, gegen 11:45 auch! ;-)
    Woher ich das noch so genau weiß? Wegen GC1CZEP! :D
    Gute Fahrt und liebe Grüße,
    Andrea

      1. Hmm, wieviel das wohl wären, wenn man nur die Tradis am Weg mitholen würde? Bei Nachtplatz eins hatte ich auch den Verdacht, dass da einer liegt. Waren aber nur Steine neben einer Wurzel.

      1. Das ist wohl nur eine Frage der Zeit! Ein Webcam-Cache würde sich dafür prima eignen! ;-)
        Ich muss gestehen, dass ich dazu nicht in der Lage wäre… an einem Tradi einfach vorbei zu wandern/radeln. ;-)Andererseits hast DU ja auch eine Mission zu erfüllen, die hat sicherlich Priorität!
        Vielleicht könnte man aber auch einen Cache für die Ewigkeit festhalten? Ich meine ja bloß, damit die Nachwelt irgendwann einmal ordentlich ins Grübeln kommt, was es im Jahr 2013 wohl mit dieser ominösen Tupperdose an der Baumwurzel auf sich hatte… :D

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