WM der Gemütsruhe

„… die Weltmeisterschaft der Gemütsruhe!“ schießt es mir in den Sinn. Ich stehe unter der Dusche und wasche Achselhöhlen und Kniekehlen. Trister Tag. Regenneigung. Es ist halb zwölf.

Normale Menschen würden sich um diese auf die Mittagspause freuen. Normale Menschen schmecken nach Leistung. Auch ich habe nach Leistung geschmeckt. Und ich werde es wieder tun.

„Wenn du nur lange genug mit Ähnlichen in einem Raum bist, wirst auch du ähnlich.“ sinniere ich.

Wie erschreckend weit ich mich von dem alltäglichen Sorgengeplänkel der Hochleistungsgesellschaft entfernt habe, wird mir beim Bauen im Atelier bewusst. Ich baue Wände und eine Decke. Mit einer unbeschreiblichen Ruhe. Nach jedem Balken, den ich sorgfältig lege und vernagele, lehne ich mich gemütlich zurück. Stoßweise Atem. Zufrieden verschränkte Arme. Dunst vorm Gesicht im Schein der Stirnlampe. Im Atelier ist der Strom abgestellt. Es ist eiskalt. Ein kleiner Baustrahler erhellt den Raum punktuell. Ich habe die Ruhe weg.

Vor dem Camino war das anders. Ich schmeckte nach Hochleistungsgesellschaft. Die Dinge mussten schnell von statten gehen.

„Nun wirst du endgültig scheitern“, schießt es mir beim Abtrocknen in den Sinn. Der Badezimmerspiegel ist beschlagen. Mit der Hand wische ich eine Stelle frei. In dieser Gesellschaft kannst du nicht bestehen. Nicht in diesem Gemütszustand.

„Hör zu, gib mir ein bisschen Zeit,“ rede ich mit meinem Spiegelbild, „der Weg zurück ist lang. Ich bin erschöpft. Ich will ein Bisschen atmen.“ So spiele ich den Erschöpften.

„Verlooren, verlooren, verlooren …“ unkt das Spiegelbild.

„Ich habe bis spät in die Nacht gearbeitet …“ rechtfertige ich mich.

„Schon besser. Rechtfertigungen sind das Fundament der Leistungsgesellschaft. Vielleicht schaffst du den Rückweg.“

„Mist! Verloren.“ Mir dämmert, dass ich es nie auf’s Siegertreppchen schaffe bei der Weltmeisterschaft der Gemütsruhe.

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