Reni du bis tran

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Lange bevor es Weblogs gab, wussten die Menschen schon, wie sie ihre Gefühle öffentlich ausdrücken – ca. 2000 Pasteurstraße Ecke Ehrlichstraße, Zweibrücken.

Gegenüber auf dem Kreuzberg hatte man die letzten Stühle aus den Militärbaracken geräumt. Wenig später sollten sämtliche Gebäude aus der Nachkriegszeit abgerissen werden.

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Zehn Jahre danach

Ist eigentlich nicht meine Art, in die Vergangenheit zu schauen. Aber aus künstlerischen Gründen scanne ich derzeit das Fotoarchiv aus analogen Zeiten. Meine konsequente, beinahe sture, autistische Art kommt mir zu Gute und ich habe nicht nur Ansichten von äußerst interessanten Orten gespeichert, die heute ganz anders aussehen; ich habe diese Orte auch über mehrere Jahre beobachtet. Zum Beispiel den Birnbaum vorm einsamen Künstlergehöft, den eingefleischte (bzw. eingepflanzte, falls VegetarierInnen) BloglerserInnen nur zu gut kennen. Unten: das erste Bild des  Jahrtausends, welches ich am 1. Januar 2000 mit starken Kopschmerzen bei einem kalten Spaziergang runter in die Stadt gemacht habe:

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Bemerkenswert: ich habe extra auf dem Film notiert, dass es das 1. Bild des Jahrtausends ist. Kann man mal sehen, zu welch Spinnereien einen der Zeitwahn und Datumsfetsichismus erzieht. Unten der gleiche Baum im Jahr 1997, aufgenommen während einer Fahrradtour von Mainz nach Dijon mit Zwischenhalt in Zweibrücken. Es ist nicht das erste Birnbaumbild, aber vermutlich das zweite.

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Schön, der kleine Busch zur Linken, nichtwahr? Ich weinte, als man ihn schredderte.

Brisanter dürfte meine Kreuzbergbeobachtung seit ca. 1999 sein. Damals war das Gelände der heutigen Fachhochschule im regen Konversionswahn begriffen. Beinahe täglich wurden Bäume gefällt, Rohre verlegt, Gebäude abgerissen und die Straße verlegt, sowie Kreiverkehre, ohjeh.

Unten: Amerikastraße von Norden Richtung Fachhochschule blickend, links eine abrissreife Militärbaracke, ganz rechts das neue Gründerzentrum, vorab rechts das Lauterbach-Gebäude. Alle Bäume im Bild wurden gefällt, dafür Rosen und weiter im Hintergrund neue Bäumchen. Insbesondere um den schönen schwarzen Baum im Vordergrund tuts mir leid (ich weinte, natürlich).

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Travers – Zweibrücken 2001

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Altes Archiv scannen. Hier eine re-Montage von gescannten Einzelbildern mit dem wunderbaren Gimp-Filter „Filmstreifen“. Bilder aus August 2001, während eines stundenlangen Gewitters auf dem San Bernardino Pass. Die Reise führte von Travers via Lausanne, Simplon, Centovalli, San Bernardino, Chur, Heidiland, Liechtenstein, Rheinroute, Straßbourg nach Zweibrücken.

Neben Zweibrücken – Andorra zweite, wichtige, unveröffentlichte Kunststraße.

Es wird nicht funktionieren. Seit Jahren denke ich über die Live-Reise nach: ständig online, den Reisecontent dirket ins Netz. Ich kann mir die Technik nicht leisten. Und ich bin zu faul (vor allem das ist ein Hinderungsgrund). Irgendwie will man es ja auch gemütlich, wenn man unterwegs ist, will nicht Sklave sein der Follower. Dennoch: die Theorie reizt mich immer noch. Nur 3600 Euro. drei Flatratemobilverträge für Frankreich, Spanien und Deutschland und ein meinetwegen Iphone. Dann die 15 Minuten-Idee, Koordinaten, Bilder und Texte direkt ins Netz. Es wäre möglich.

Schon 2000, als es noch keine Satelitennavigation gab, habe ich eine Reise geo-getaggt, bin so gereist, dass man den gesamten Reiseinhalt, Bilder und Texte lokalisieren könnte. Gerade rekonstruiere ich die Strecke Zweibrücken Andorra, damit ich nächsten April mich auf meine eigene Spur begeben kann.

Hier zwei Bilder vom Rückweg.

narbonne

Sagen wir mal grob in der Nähe von Narbonne liegt dieser wunderbare Radweg. 2000 befand sich das europäische Fernradwegenetz noch gerade so im Entstehen. Immer wieder versetzt es mich in Erstaunen, wenn ich alte Bilder sehe, die Szenen zeigen, auf denen heute schön angelegte Radwege verlaufen. (1997 gab es zum Beispiel noch keinen Bliesweg. Das ist eine ehemalige Bahntrasse zwischen Homburg und Sarregueminnes, die nun ein Primaradweg ist. Bilder von 1997 zeigen, dass damals der Radweg noch nicht existierte.)

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Wunderbares Paradox in Lespignan: Umleitungsschilder. Natürlich ignoriert der Fernradler solche Hinweise.

Beginn und Ende von 15 Minuten am Beispiel eines Spechts

Raus aus der Künstlerbude, die Holztreppe hinunter in den Garten auf der Südseite des Hauses. Noch immer liegt Schnee, das Thermometer zeigt 2 Grad Minus. Hinter dem Dunst lässt sich rötlich die Sonne ahnen. Ein Specht klopft am nahen Baum. Ich kann das hochfrequente Rattern nicht genau lokalisieren, aber es muss einer der Bäume im westlichen Windschutz sein. Ohne Brille kein Tier erkennbar. Mit Erreichen der untersten Treppenstufe erinnere ich mich, dass ich genauso vor zig Jahren das Wort Specht gelernt habe – was ist das Opa? – Ein Specht, ein Vogel, er haut mit seinem Schnabel ein Loch in den Baum und schläft dann da drin.

Plötzliuch wird mir klar, dass ich das aufschreiben muss, so belanglos es auch sei. Es soll geschrieben werden als Fingerübung für die Reise. Das Schreiben soll nicht länger als eine Viertel Stunde dauern und es soll so funktionieren, dass ich aus dem Markanten des Tages das Beste heraus suche und es skizziere. Für die nächste Reise. Falls ich unterwegs in Frankreichs Outback mal eines Intzenetanschlusses habhaft werde.

Regelmäßig. So wie das Leben: eine Kombinatipn verschiedener Regelmäßigkeiten.

Denk oich so beim Kaffee. Und über die Art und die Technik und das Warum werde ich dann ein andermal berichten zwischen Beginn und Ende von 15 hochkonzentrierten Minuten. Dies sei das erste Puzzlestück.