Exaktität

„Du folgst der Straße. That’s it! Wo sie hinführt, weißt du nicht, wo sie herkommt, ahnst du nur, du bist sie gegangen; bist du den Weg gegangen, kannst du deiner Erinnerung trauen? Ist es nicht etwa so, dass sich deine Erinnerung deiner Gegenwart anpasst, eine willfährige Lüge des gelebten Lebens? Liegt dein Sich-irgendwo-befinden nicht eingeflochten in ein vor zig Zeiten gesponnenes Netz? So: wo ist Norden und wo ist Süden und wo sind all die anderen Himmelsrichtungen?

Karten könnten helfen. Aber kannst du ihnen trauen? Sind sie nicht ein elendes, verschmiertes, undeutliches Abbild der Wirklichkeit? Ha, Wriklichkeit. Überhaupt, was für ein übler Begriff.

Maßhaltigkeit und Echtheit und Exaktität … komm‘ mir doch nicht damit. Das ist etwas für Ingenieure, für Festleger und Baumeister.“

Gefunden im Kapschnitt-Tagebuch, September 1995.

Der Kapschnitt ist die erste von etwa 20 Kunststraßen, 3600 km lang von Mainz zum Nordkap, alle 10 km ein Bild der Straße in Richtung Reiseziel (so das bis heute unveränderte Konzept des Kunststraßenbaus). Alle Kunststraßen sind erhalten. Alle Kunststraßen nach 2005 sind GPS-lokalisiert. Die Bildstandpunkte der Kunstsraßen vor 2005 kann ich aus dem Gedächtnis zu etwa 70 Prozent sicher rekonstruieren.

Von wegen Exaktität.

Café du Centre, durchatmen

Es dauert keine Sekunde in der Möbelwerkstatt, einen Zeitrahmen zu errechnen, wenn der Owner etwa hereinplatzt, juhu, wir brauchen 500 Möbel, bis wann schafft ihr das? Multipliziere ich eben schnell 500 Möbel mal X und schon weiß ich, was ich die nächsten Wochen zu tun habe.

In der Kunst ist das ganz genauso: ein 160-Seitenbuch dauert, wenn man sich die Geschichte ausgedacht hat, 40 Tage ohne korrigierende Arbeiten. Aber dann darf, genau wie beim Möbelbauen, nichts dazwischen kommen.

Selbstarchivierung, also scannen alter Dias dauert 12 Minuten pro 36 Stück (also die klassische Kleinbildfilmgröße.

Habe das Wochenende durchgearbeitet und einen ganzen Ordner alter Negative gescannt. Atemberaubendes Material dabei, sehr viele Bilder, die ich erst zum zweiten Mal sehe (beim ersten Mal habe ich direkt vor dem Motiv gestanden und den Auslöser betätigt). Insbesondere das Schwarz-Weiß-Archiv verdient Beachtung. Da es vor über zehn Jahren sehr aufwändig war, ein Bild auszubelichten, habe ich nur einen Bruchteil meiner Negative belichtet.

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Café du Centre 1997 im Frühling beim Bau der Kunststraße Mainz-Dijon. Das Dorf, in dem das Foto gemacht wurde heißt Guntzviller. Es liegt südlich von Artzviller wo der Rhein-Marne Canal durch einen Tunnel geführt wird.

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Café du Centre am 28. Juli 2009 beim Bau der Kunststraße Zweibrücken-Bern. Beide Kunststraßen wurden bisher noch nicht veröffentlicht.

Die Bilder wurden digital entzerrt und die Tonwerte korrigiert.

Ich bin erstaunt, wie gut sich das, vor 12 Jahren schon marode Werbegemälde, erhalten hat.

Genau wie beim Möbelbauen, berechne ich die Zeit, die ich für vollendete Kunst benötige. Mein Leben wird nicht ausreichen. Aber ich kann viel bewirken. Für 2010 habe ich acht Wochen abgezweigt, in denen ich meiner wohl wichtigsten Kunststraße nachforschen werde und die Originalstrecke von Zweibrücken bis Andorra Bild für Bild nachvollziehen werde. Am 16. April, genau zehn Jahre nach der ersten Reise gehts los.

Leider die Fähigkeit zu schreiben eingebüßt. Aus der Übung. Wenn ich so tackern würde, wie ich z. Zt. schreibe, würde ich nur Schrott produzieren.

Obendrein eingeschneit. Endlich die versprochene Schneekatastrophe: Noch immer möglich mit normalem Auto das einsame Gehöft zu verlassen – obschon mein Vater mit seinem uralten Porsche-Traktor (auch „Die Hölle auf Erden“ genannt) schon vier Fahrzeuge aus den zum Teil halbmeterhohen Schneewehen befreit hat.

Hier ein Foto der Hofausfahrt.

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Sowie ein Vollmondbild, ISO 6400, 1/6 Sekunde Blende 4,5 aus der Hand belichtet.

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Etwas für den Zettelkasten:

Das Schöne und die Gier

Gefunden in meinem Hirn irgendwann letzte Woche.

Ich bin z. Zt. mehr off-, als online. Zum Schreiben keine Zeit (aber die Geschichte Das Schöne und die Gier schreibe ich irgendwann).