Wie ich lernte das Amt ohne Wiederkehr zu lieben – StammleserInnen werden sich erinnern, dass Mister Oberpientz Irgendlink die letzten Monate wieder und wieder den seltsamen Job als Kulturorganisator in Frage stellte – jetzt, zwei Wochen bevor der Arbeitsvertrag endet, weint er bittere Tränen.

Die Kleinkunstwoche, deren Organisation meine Hauptaufgabe war, ist zur Hälfte absolviert. Nur noch Heute und Morgen und am Freitag sind Veranstaltungstage. Danach wird sich wieder ein Büroalltag einstellen. Am gestrigen „pfannefreien“ Tag rief ich Herrn S. von der Personalstelle an, ob er mir etwas über eine gegebenenfallse Vertragsverlängerung sagen könne, „ja, nein, vielleicht?“ – „Vielleicht“, sagte er. Kollege B. hatte mir die Zeitvertragsproblematik im Rathaus der Stadt S. einmal wie folgt erklärt: „Bis zum letzten Arbeitstag hängst du vollkommen in der Luft, aber dann werden sie dich zum OB rufen und dir einen Folgevertrag anbieten. So war es bei mir, so war es beim Kollegen L. und die gute Miss E. hat das Spiel ganze sechs Jahre mitgespielt, bis sie endlich einen unbefristeten Vertrag in der Hand hatte.“ Ouh yeah, was sind wir anderes als die willigen Leiharbeiter der modernen Bürokratie.

Keine Ahnung, warum ich so sentimental werde nun, da ggf. das Ende meiner Lebensphase in Lohn und Brot bevor steht. Ich habe weißgott genug Geld, um die nächsten fünf Jahre mit Nichtstun zu verbringen. Vielleicht ist es die Angst vor der Eigenverantwortlichkeit? Ich müsste dann ja wieder Kunst schaffen oder ein Buch schreiben oder verreisen.

++Gegen 15 Uhr loggte ich einen Dienstgang und schlenderte in aller Gemütsruhe quer über den Marktplatz des Städtchens S. Rathaus mittschiffs voraus, die Stadthalle an Steuerbord, Sonne lullte mich ein und ein eigenartiger Herbstgeruch lag in der Luft. Auf dem Spielplatz vor der Schule, welche sich direkt neben der Stadthalle befindet, quietschte rythmisch die Schaukel. Kinderstimmen. Ein schmutziger Bettler hatte sich auf einer der stählernen Bänke ausgestreckt und schnarchte, als ob dies das letzte Jahr seines Lebens wäre. Seine Plastiktüte war umgefallen und ein Brot lag im Schmutz der Straße. Wie ich ihn beneidete, einerseits, andererseits aber: ist es nicht prima, Irgendlink, in Amt und Würden zu sein, dies alles nicht selbst erleben zu müssen – eine verschmutzte Unterhose, die man vielleicht einmal im Monat waschen kann und die obendrein die einzige ist, die man besitzt ist kein schönes Körpergefühl. Ein Jucken von Bart, sechs Wochen unrasiert lag in der Luft. Ist es nicht besser, die Dinge nur zu beobachten, das Bild im Kopf zurecht zu rücken und es einfach nur aufzuschreiben? Das immersaubere Klo mit Waschbecken und frischer Seife im Amt ohne Wiederkehr just hier am Marktplatz im Haus U. würde für diesen Bettler sicher ein verzaubertes Traumbild sein. Er wird es nie zu sehen bekommen. So schlenderte ich auf Dienstgang über den Marktplatz und überlegte, Frau M. in der Personalstelle zu besuchen, um mich an ihrer Schönheit zu laben. Sicher würde sie mit dem Skalpell akribisch die neuen Namensschilder der mehrhundertköpfigen Rathausbesatzung schneiden und sicher würde sie wieder stöhnen über die viele anstrengende Arbeit und dass ja schon Dienstag ist und die Woche so gut wie rum. Ich traf die Hausmeister der Stadthalle, wie sie scherzend mit den Männern vom Rundfunk in der Sonne standen. Sie fragten, was ich denn hier wolle. „Ich habe mein Hirn vergessen“, sagte ich und ging in den Kassenraum der Stadthalle, um die zu stornierenden Eintrittskarten des dritten Festivaltages zu bergen. Da ich die Männer vom Rundfunk schon erwähne an dieser Stelle noch eine prima Geschichte über die Leichtigkeit eines Menschenarbeitslebens: Zu Beginn der Kleinkunstwoche parkt der Rundfunk seinen Ü-Wagen hinter der Stadthalle, strippt hunderte Meter Kabel und richtet Funkstrecken ein. Der Ü-Wagen ist offenbar so wertvoll, dass er Tag und Nacht von einem Sicherheitsdienst bewacht wird. Eine volle Woche lang wird das teure Utensil nicht von der Stelle bewegt. Aber es gibt dennoch einen Fahrer. Und der, jetzt kommts, steht sage und schreibe acht Stunden am Tag neben dem Ü-Wagen herum und leistet seine Lenkzeit. Kurios, nicht wahr?

3 Antworten auf „“

  1. was jetzt?
    solln wir nun dir oder uns die daumen drücken? dir, für die verlängerung. oder uns, damit du endlich – da ohne wiederkehrendes amt – dein buch schreibst … ;-)
    das bild mit dem bettler — ich kann ihn beinahe riechen. gut gemalt …

  2. Ich drück dem Monsieur mal ganz frech die Daumen, dass sein Vertrag verlängert wird, ob er das nun letztlich will oder nicht. Irgendwie ist es nämlich ein schönes Gefühl, im Amt ohne Wiederkehr einen Leidensgenossen sitzen zu wissen… auch wenn dieser, wie ich gestern erschreckend lesen musste, „weitaus fiktiver ist, als ich dachte“. ;)
    … Wobei mir einige der Geschichten aus dem Amt dermaßen bekannt vorkommen, dass ich gerade schon wieder daran zweifle, ob das tatsächlich alles soooo fiktiv sein soll. ;)

    Und falls alles Daumendrücken von mir nix hilft… naja, dann freu ich mich auf neue Kunstwerke, neue Ausstellungen auf dem einsamen Gehöft, neue Urlaubsberichte… und hätte mein Irgendlink-Buch eines Tages gerne vom Meister himself signiert, und zwar mit einer schönen persönlichen Widmung darin!!! :)

    So gesehen befindet sich Monsieur I. in einer beneidenswerten Situation: sein Lebensweg führt ihn direkt auf eine Kreuzung zu, die Entscheidung, welchen Weg er weitergehen soll, die treffen andere… und ihm selber kann es dabei nur gut gehen, egal auf welchem Weg!
    Oder seh ich das jetzt falsch? ;)

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