Irgendlink wider die Blogvernichtung

Okayokay. Nimm die Fäden wieder auf. Ich habs ein wenig schleifen lassen mit der Bloggerei. Zum einen die Sinnfrage, die mich daran hinderte. Zum anderen waren die letzten Arbeitstage ziemlich zermürbend. Ich habe das zunächst nicht bemerkt. Aber insbesondere vor dem Wochenende legten Kollege T. und ich die Messlatte, wieviele Loungemöbel man an einem Tag bauen kann so hoch wie nie zuvor. Der Owner ahnt leider nicht im Geringsten, wie runinös solch eine Hektik ist. Ich glaube sogar, er dachte – als ich ihm gestand, wir haben die Arbeit, die wir sonst in 10 Stunden machen, in sieben erledigt – was haben die im letzten Jahr getan? Wieso kann das nicht immer so schnell gehen? Dabei ist die Antwort so einfach: wenn du das eine Woche so machst, bist du tot. Schreibs groß TOT!!! und noch paar Ausrufezeichen dahinter. Wäre, als würde man zwei Tour de Frances hintereinander fahren und gewinnen. Es ist schlicht unmöglich. Nur in Ausnahmefällen kann der Mensch über seine Grenze gehen, wohl wissend, dass er am nächsten Tag dafür bezahlt: mit Schmerz, mit Erschöpfung, mit einer inneren geistigen Leere von unglaublichem Ausmaß.

Kurzum: das Wochenende musste zur Erholung herhalten.

Geschätzte Frau Wildgans hat mir einen interessanten Artikel-Link geschickt: Buschheuer-Interview bei Spiegel-Online über das Beenden ihres Blogs „weil du dir manchmal ähnliche Gedanken machst“, schreibt die Wildgans.

Stimmt. Gedanken wie:

  • was ist der Sinn dieses Weblogs?
  • blockiert die Bloggerei nicht andere, größere Projekte?
  • verliere ich mich selbst?
  • ist doch alles zu intim.
  • irgendwann spricht dich jemand auf der Straße an – bist du Irgendlink? – und rammt dir ein Messer in den Bauch.
  • kann man damit Geld verdienen?
  • wenn ja, darf man es?
  • Bloggen als Genre der Literatur; wird das jemals möglich? Und wenn ja, kriege ich dafür den Nobelpreis?

Frau Buschheuer äußert in dem Interview, Bloggen sei wie viele kleine Fehlgeburten. Markantes Wort. Klingt gut. Wäre aber Schwachsinn, es auf das eigene Blog zu beziehen. Im Irgendlink-Blog gibt es nur zwei Fehlgeburten. Und die sind, wie das bei Fehlgeburten so ist, klammheimlich verschleiert in den Privateinträgen: Sie heißen Le Courant und Europenner. Zwei Buchansätze, bei denen ich leider nicht über die ersten Zeichen hinaus kam. Es wäre dennoch vermessen, sie als Fehlgeburten zu bezeichnen, denn im Kopf arbeite ich ja immer noch an dem geistigen Gut. Das Weblog ist jedenfalls nicht schuld, wenn etwas anderes liegen bleibt, sondern einzig der Mangel an Disziplin und die scheinbare Aussichtslosigkeit der Perspektive.

Das Bloggen ist für mich, als Schreib-Anfänger, eine Methode, zwanglos zu üben, Techniken auszuprobieren und an der komplizierten Statik größerer Geschichten zu frickeln.

Die Sinnfrage habe ich, wie im Prinzip alle Fragen in der obigen Liste, beantwortet:

  • Sinn ist nicht wichtig
  • ja, blockiert anderes in Form simpler Opportunitätskosten und das sind Kosten, die man immer in Kauf nimmt. Größeres wird dennoch kommen und würde nie kommen, ohne vorher gebloggt zu haben (schließlich könnte ich auch nicht die Anden einfach so per Rad überqueren, ohne vorher zu trainieren).
  • Selbstverlieren kommt vor Selbstfinden
  • Nichts ist intim genug
  • wird nicht funktionieren, da ich Fremden auf der Straße immer sage, „ich heiße Schmidt, sie müssen mich verwechseln.“
  • Ja, kanns ne Menge Asche mit machen.
  • Ja, aber bleib elegant, sonst begibst du dich auf das Niveau anderer Kleinkrämer.
  • Ich wollte schon immer mal die schöne Nina in Stockholm besuchen.

Kurzum: Dieses Blog ist als Langzeitexperiment zu sehen. Ich kann meine Forschungsarbeit nicht einfach aufgeben. Würde kein ernsthafter Wissenschaftler tun.

PS: mein nächster Aufsatz soll von der Bloggosphäre als gesamtem, schützenswertem Gedankenraum handeln und die Hintergründe der Wechselwirkung zwischen Bloggern, Kommentierenden und Lesenden behandeln. (hehe, vielleicht eine weitere Fehlgeburt, die ich in den Privateinträgen versenke, denn das Thema ist kompliziert).

4 Antworten auf „Irgendlink wider die Blogvernichtung“

  1. Ein sehr schöner Artikel! Erstaunlich, auf wieviele verschiedene Arten man „scheißegal“ sagen kann… Leider habe ich aus Versehen auch noch das Spiegel-Interview gelesen: Um vom Bloggen loszukommen, twittert die gute Frau Buschheuer nun. Wenn ich vom Bloggen loskommen will, mach ich den Rechner aus. Wie unterschiedlich doch die Menschen sind! Ich gähne und zähle weiter Erbsen: Bei „Ja, kanns ne Menge Asche mit machen“ fehlt ein t.

    (aufgrund der Ankündigung sehr gespannte) Grüße,
    strichundstrich

  2. Hey, Herr StrichundStrich, Danke für den Kommentar. Ohne ihn würde die Ankündigung, einen Aufsatz über die Bloggosphäre zu schreiben, vermutlich zur Fehlgeburt. Und nun sind wir schon mittendrin: Du, werter Kommentator, sorgst kraft des obigen Inputs dafür, dass ich reagiere. (Auch ein Problem, das sich Frau B. gemacht hat: keine Komentare zulassen (wegen ihrer Bekanntheit aber verständlich; jeder Noname würde sie nerven, um Kommentarklicks zu erheischen)). Die Bloggosphäre gehört uns allen. Wir sind die Bloggosphäre. Durch Blogeinträge und Kommentare, aber auch durchs stille Lesen, nimmt die Bloggosphäre in unseren Köpfen erst Gestalt an.
    Wenn ich jetzt noch wüsste, wie ich mit dem Aufsatz beginne – gebt mir ein Wort – dann könnte es losgehen.
    PS: eine Erbse abziehen: dem kanns‘ fehlt ein Auslassungszeichen, wie auch dem ’ne. Sollte irgendwie salopp klingen, der Satz.

  3. ah! irgendlink schreibt wieder! und wie! diese gedanken – warum sie mir bloss so bekannt vorkommen?

    es lebe die/deine „sinnlose“ schreiberei. na ja, ist sie ja gar nicht, denn du schenkst uns deine texte, gedanken, ungereimheiten, inputs …

    und schenken ist niemals wirklich sinnlos …

  4. Pingback: Ein Hohelied auf die Bloggosphäre « Irgendlink

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert