Vorhin hatte ich angeschnitten, Kollege T. ist ein Punktmensch und ich bin ein Linienmensch. Aus uns beiden müsste man einen machen.
Ich schlage mich mit Schreibproblemen rum, weil ich kürzlich mal wieder angefangen habe an dem Buch, welches Le Courant heißen soll zu schreiben und scheiterte nach wenigen Worten. Dabei habe ich so eine schöne Szene am Rhein geschrieben, Mit Sonne und Pappelblüte. Die Leiche liegt in den Privateinträgen des Blogs, die nicht angezeigt werden.
Ich hatte mir letztens überlegt, hast ja nix zu tun, also schreibste den Roman. Dass du 5000 Zeichen pro Stunde schaffst, hast du bewiesen, also kannst du den Roman in 30 Stunden schreiben. Mit viel Bier und Kaffee geht das.
Ich scheiterte nach knappen 3000 Zeichen (ohne Bier).
Dabei ist eine Linie ja nur eine Ansammlung von Punkten, weiß der Mathematiker.
Wenn ich mir das Blog so anschaue, ist es im Grund eine Ansammlung von Punkten. Jeder Eintrag ist ein Punkt. Zusammen macht das die Linie.
Wenn dich nachts ein Polizist stoppt, so hast du als Linienmensch ja leichtes Spiel, weil der Polizist nur wissen will, kann der gerade gehen. Wir Linienmenschen haben damit selbst bei 2 Promille kein Problem. Der Punktmensch wird schon stocknüchtern ins Trudeln kommen.
Mir fällt hierzu das Buch Flatland ein, müsste ich recherchieren, von wem das ist, von einem englischen Mathematiker, Abbot fällt mir ein, welches eine Welt beschreibt, in der die Wesen nur die Fläche kennen. Die dritte Dimension nehmen sie nur wahr, wenn sich ein Punkt zum Kreis vergrößert. Daran erkennt man in Flatland, dass eine Kugel sich von Oben nach Unten durch die Fläche schiebt.
Bei näherem Nachdenken, zweifle ich, ob ich überhaupt der Linienmensch bin, der ich vorgebe zu sein. Wenn ich ein Linienmensch wäre, müsste ich doch in der Lage sein, eine Geschichte Punkt um Punkt, also Kapitel für Kapitel niederzuschreiben. Dann wäre der Courant schon längst Geschichte. Vielleicht ist es das Kreuz des Linienmenschen, dass er stets auf der Suche ist nach dem nächsten Punkt, nicht nach irgendeinem Punkt, sondern nach dem passenden Punkt.
Beim Bau großer Landstraßen oder gar Autobahnen geht man in der Regel so vor: zuerst werden die Brücken und die Tunnels gebaut. So kann es sein, dass man während der oft mehrere Jahrzehnte dauernden Bauphase auf einer Strecke (Linie) irgendwo in der Landschaft eine Brücke findet, ein Tunnel, ein Straßenanschluss. Der Laie wundert sich: was verbindet diese Stätten? Der Ingenieur orakelt: Hier wird einst eine Straße stehen und du wirst dich über nichts mehr wundern. Du wirst sie benutzen und es als ganz natürlich emfpfinden. So als wäre sie nie nie dagewesen.
Genauso muss ich Le Courant angehen. Es macht keinen Sinn, der Reihe nach vorzugehen. Du musst Punkt um Punkt aufkritzeln und vertrauen haben in den unsichtbaren Plan, der sich in den inneren Windungen deines Hirnes schon längst gebildet hat. Ja. So könnte es klappen. Lass endlich los, nach A, B zu denken und nach B C und so weiter. Denke X und U und Q. Dann schreibs auf und wundere dich am Ende, dass sich ein einheitliches Gefüge ergibt von vollkommener Schönheit. Die Brücken und Tunnel der A8 des modernen Romans.
Es ist vermessen, zu glauben, dieses Weblog in seiner nunmehr achtjährigen Gesamtform, sei solch ein Machwerk.
Aber im Prinzip erklärt das Weblog die Art, wie ich in Zukunft arbeiten werde.
Rein literarisch betrachtet, sind Punktmenschen prima Lyriker oder Kurzgeschichtenschreiber. Die Linienmenschen sind Romanciers.
Das ist eine beachtenswerte Linie. Punkt.