Das Geheimnis des Klavierstimmers

Eine Geschichte habe ich noch. Es empfiehlt sich, die Artikel des heutigen Tages von Unten nach Oben zu lesen – der Dritte ist der Erste, dieser der Letzte.

Um dem teuren Flügel auf dem Jazzfest ein Maximum an Klangqualität zu entlocken, hat man eigens einen Klavierstimmer engagiert, der vor dem Soundcheck und abends kurz vor Konzertbeginn die Saiten justiert. Ein stiller grauhaariger Mann mit ruhiger Hand und exzellentem Gehör. Techniker B. dreht grundsätzlich am Rad, wenn der Klavierstimmer seine Arbeit tut. Immerhin hört sich das auch ziemlich komisch an. Er beginnt, die Tiefen zu schlagen: „Plong, plong, plong“ und arbeitet sich nach und nach bis zur höchsten Oktave durch – „plung, plung, plang, plang, pläng, pleng“ und zu guter Letzt „pling“. Die Prozedur dauert etwa eine halbe Stunde. Techniker B. empfindet dies wohl wie chinesische Wasserfolter: „Du gehst mir auf die Eier!“ schrie er hinauf zur Bühne, hielt sich die Ohren zu wie ein autistisches Kind und sang im Dreivierteltakt: „Da hat das rooote Pferd sich einfach uuumgedreht …“ Sahalala.

Später kehrte Stille ein. B. war wieder guter Laune und erzählte einen Witz: „Dürfen Zwerge auch auf’s Riesenrad?“ Niemand lachte. Jemand sagte: „Rassistisch“. „Na gut“, sagte B., „Was macht ein Kleinwüchsiger, wenn es eine Steuererhöhung gibt? Kommt der dann noch ans Lenkrad?“ Niemand lachte, was B. zu dem Off-Topic-Witz veranlasste: „Hast du deine Frau schon einmal mit einem Fremden im Bett erwischt? –  Nö, die hab ich alle gekannt.“

Sowas erhellt meinen Tag. Da kam E., die Frau des Festivalleiters, machte B. ein Kompliment, dass er einen schönen karierten Pullover trägt. Der Pullover sah aus wie in Lappland gekauft, beste Schurwolle, die einen für immer wärmt. Im Grunde hat sie recht, dachte ich, „aber habt ihr schonmal den Pullover vom Klavierstimmer betrachtet?“ „Hör mir auf mit dem Quälgeist“, sagte B., „hier geht es um meinen Pullover; war teuer genug.“ „Nein im Ernst“, beharrte ich, „er trägt einen geringelten Pullover mit weißen und schwarzen Streifen, und jetzt kommt’s: es sind genau acht!“ Niemand lachte. Frau Festivalleiter starrte mich fassungslos an. „Oktave“, flüsterte ich ihr ins Ohr. Kichernd ging sie davon.

So erhellt Irgendlink der Leute Tag und so erhellen die Leute Irgendlinks Tag.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

%d Bloggern gefällt das: