Imaginäre Betriebsferien

Die Weihnachtsfeier letzten Donnerstag: zunächst würfeln wir um die vielen Geschenke, die man auf dem Tisch aufgebahrt hat, 7 Bierkisten, technischer Schnick-Schnack, Feuerzeuge, Schnaps, Wein und etwas ganz schlimmes namens Toifelsperle, das keiner haben will, sehr viel Toifelsperle. Auch gibt es Männerkalender für Männer, die Frauen mögen und Männerkalender für Männer, die Männer mögen. Zweitere sind auch bei Frauen, die Männer mögen begehrt und erstere sind bei Frauen, die Frauen mögen begehrt. Ich würfele: eins, drei, eins, eins, vier, fünf, eins, zwei und so weiter, nie jedoch eine Sechs. Da aber immer mindestens einer eine Sechs würfelt, gehe ich bei der Weihnachtstombola leer aus. Macht nichts, das hole ich später beim Essen in einem hippen Schuppen in der Kreisstadt H. wieder rein, werde viel Bier trinken und Cocktails …

… Filmriss …

Freitag Abend, Dinnershow Zirkus F-F. Gerade liefern sie den ersten Gang, während auf der zentralen Bühne ein Artist auf fünf verschiedenen Einrädern, von denen das größte fast drei Meter hoch ist, waghalsige Kunststücke vollführt. Chef hat Plätze in der zweiten Ebene gebucht, also nicht direkt vor der Bühne, wo man Gefahr läuft von stürzenden Athleten erschlagen zu werden oder in einem feinen Regen der Spucke des Moderators zu sitzen oder im Schweiß, der manchmal von einem Athleten spritzt.

Ich sitze am Looser-Tisch. Da hocken alle, die bei der Weihnachtsfeier Donnerstagnacht das Gedächtnis verloren haben. Wie Zombies schauen wir den grandiosen Kunststücken zu und genießen unser Vier-Gänge-Menü. Bezahlt alles der Chef. Mein Handy sagt, dass ich gestern um 3:49 Uhr das Taxi bestellt habe. „Zwei Monate meines Lebens …“ raune ich meinem zombiehaften Kollegen P. zu, „hat mich diese Weihnachtsfeier gekostet.“ „Zwei Monate nur“ höhnt er, „mich hat sie mindestens ein Jahr gekostet.“ Er sieht nicht gut aus. Bleich und zittrig. „Du kannst es verkraften,“ lüge ich, „du bist ja noch jung.“

zombiesDer Tisch der Zombies

ff-buehneDie winzige Zentralbühne im Zirkus F.-F.

handstandArtist E. aus der Hauptstadt B. kann das, was Herr Irgendlink noch nichtmal auf einem Bein kann.

trapezTrapezikone R., nachdem sie in einem Becken von 2 m Durchmesser getaucht war. Die Gäste in der ersten Reihe blieben nicht trocken.

Nun hier, an meinem Schreibtisch sitzend, rekapituliere ich die letzte Woche. Mit der Weihnachtsfeier sollte eigentlich das Arbeitsjahr enden und alle Angestellten in ihren wohlverdienten Urlaub gehen. Der Betrieb sei dicht, hat man uns versichert. Nur die Tacker dürfen arbeiten, wenn sie wollen. Da ich vor Weihnachten nichts vorhabe, bin ich heute mal rüber gefahren. Ob ich nun Holz in die Wohnung schleppe, um warm zu machen, oder in unserem nigelnagelneuen Container mit super Elektroheizung ein paar Loungemöbel baue … die Wahl fällt nicht schwer. Zudem, es wird ja bezahlt. Erschreckend: als ich gegen 10 Uhr in der Firma aufschlage, herrscht reges Treiben, mindestens die Hälfte der Belegschaft ist hier. Schmutzige Loungemöbel werden angeliefert, neue Paletten verlassen das Haus. Chef wuselt umher. „Gut dass du kommst. Morgen kommen noch vier weitere  … wir müssen dies und das und am Besten bis gestern.“

Theoretische Betriebsferien taufe ich das Syndrom. Kollege T., natürlich auch da, erklärt: „Das ist Veranstaltungstechnikerlogik. Betriebsferiensimulation heißt das Schlagwort, und siehst ja, wie es dem guten H. geht. Er arbeitet bis Mitte Januar täglich von 17 bis 2 Uhr nachts, damit der Zirkus F.-F. immer schön Strom hat. Die Veranstaltungstechnikerlogik sagt: feiere deine nächtlichen Überstunden am Tag ab.“ „Ne, echt?“ frage ich. „Wenn ich’s dir sage. Sie haben ihm angeboten, er könne auch noch tagsüber arbeiten, wenn er wolle.“

Tja, meine Lieben, das sind Dinge, die ungefähr so tatsächlich geschehen.

Ich konzentriere mich derweil darauf, dass unsere Weihnachtsfeier zwei Nächte und einen Tag gedauert hat und mich nur 2 Monate meines Lebens und sonst keinen Pfennig gekostet hat. Man muss die Dinge positiv sehen.

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