Dies ist keine Toilette

Spätnachts lümmelte ich mit Journalist F. und den Mitarbeitern des Kulturamts der Mittelstadt S. in der Einsatzzentrale. Draußen tobte das Stadtfest. Da wurde mir klar, dass ich nun vollends die Seite gewechselt habe. Von vor der Bühne hinter die Bühne. Ich kann mit Menschenmassen nichts anfangen. Zudem mag ich die teils aggressive Athmosphäre auf Volksfesten nicht. Gegen drei Uhr war das Spektakel vorbei. Kehrmaschinen beseitigten Glas, Spucke und Blut, die Fußgängerzone kehrte in ihren ursprünglichen Zustand zurück. Das Elektrikerteam zog die Stecker aus den Verteilerkästen – manche derart verschmort, dass dies nur mit hohem Kraftaufwand möglich war. Die Damen vom Kulturamtsstand schütteten den restlichen Jägermeister in uns. Mann, das Zeug haut rein.Den frühen Abend über habe ich im feuerroten Spülmobil gearbeitet. Jaa, Mr. Irgendlink kann alles. Die Arbeit im Spülmobil gestaltete sich minimalistisch spannend. Es war in einer Seitengasse positioniert, unweit des Toilettenwagens. Die Betrunkenen torkelten im Minutentakt zur Tür herein und versuchten, ins Spülbecken zu pinkeln. Deshalb hatte der Kollege ein Schild aufgehängt: „Dies ist keine Toilette“ (Link entfernt 2016-11-26). Von da an hatten wir doppelt Spaß. Diejenigen, die lesen konnten, kommentierten das Schild mit „Das ist kein Klo“ oder „Ach, schau an, kein Klo“ oder „Wo ist das Klo“ oder „Ich muss pissen“ und so weiter und so fort. Die Doppelsichtigen und Analphabeten versuchten weiterhin, das Spülmobil zu stürmen. Weiter oben riskierten Tollkühne Kerle alles, pinkelten ohne jegliche Scham an den Stromverteiler. Vielleicht war das die Ursache, dass die Stecker verschmorten?

Wir führten Strichlisten mit Edding an der Resopalwand, schlossen Wetten ab und lungerten die meiste Zeit vor der Tür. Einmal kam eine Frau vorbei. Ihr exorbitant großer Busen bleckte rosa in die Nacht. Der Kollege suchte meinen Blick, schmunzelte und seine Augen weiteten sich wie nur Männeraugen im Anblick des Unfassbaren dies tun.

Ich bin froh, dem Toben durch den Wechsel auf die Veranstalterseite entkommen zu sein. Es ist wie Fernsehschauen. Manchmal stellte ich mir vor, es wäre wie Früher und ich gehörte dazu. Mit wieviel Hoffnung man solche Feste besuchte, ja, und in seltenen Fällen sogar beglückt früh nach Hause ging. Die Regel jedoch ist der Absturz.

2 Antworten auf „Dies ist keine Toilette“

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