Neulich mal wieder haarscharf an einem offiziellen Termin vorbei geschliddert. Es braucht eine Portion Mut, offizielle Anlässe von Kunst und Kultur in der Stadt zu schwänzen. Das kulturelle Korsett ist eng. Man wird beobachtet. Von dem Presbyter zum Beispiel, den ich kürzlich kennen gelernt habe. War gerade dabei, die steilste Straße der Stadt hinaufzuschlendern, da radelt er neben mir, stoppt vorm Museum und sagt: „Ach, sie gehen auch zu der Veranstaltung?“ Sag ich „nein“ und denke, nomeansno. Das Problem ist, dass hierzulande nein nicht nein heißt.
Überlege, den Weg der Lüge zu beschreiten – ich habe zu tun – aber sonntags? Schlage den Weg der Wahrheit ein, immerhin ist mein Gegenüber Presbyter: „Die Reden immer so lange.“
In der Abenddämmerung zurück zum einsamen Gehöft. Ich erinnere mich, es war ein guter Spaziergang. Meine Gedanken drehten sich um die seltsame Krankheit eines Freundes. Am Ehesten könnte man sagen, er ist agoraphob, auch wenn das so nicht stimmt. Ein hartes Los. So ächzte ich die steilste Straße der Stadt hinauf und dachte an die Krankheit namens Angst. Wie unterschiedlich sie doch ist. Der Eine mag nicht Nein sagen können. Der Andere mag nicht Nein hören können.
Der Agoraphobe traut sich nicht über die heimische Schwelle hinaus. Warum schaffen es manche Menschen nur, so weit zu gehen? Sie sind wie Dauerläufer, Pioniere, Draufgänger. Andere trauen sich kaum, das Haus zu verlassen. Das Gros jedoch, liegt irgendwo dazwischen, fällt nicht weiter auf, gilt als gesund. (Sie sagen: ja-aber … und meinen Nein – sie verlassen das Haus, benutzen aber ständig die gleichen Wege, fahren in den selben Urlaubsort, denn der fühlt sich Kraft der Gewohnheit an wie zu Hause).
Angst, da war ich mir sicher, als ich die Stadtgrenze passierte, hat jeder. Irgendwann. Vor Irgendwas. Beinahe Orwellesk.
Beim gehen kann man am besten verarbeiten, sich dabei entspannen, finde ich.
Das ich dabei oft „alte“ d. h. mir gewohnte Wege gehe, unterstützt die Sache.
Einen bekannten Weg zu gehen bietet ja auch nur scheinbare Sicherheit.
Auch dort kann einem der Himmel auf den Kopf fallen.