Wurde spät gestern. Regen lullte auf dem riesigen Scheunendach. Die Arbeit geriet zu einem mantrischen Erlebnis. Ich habe eine Art Fertigungsstraße aufgebaut. Eine kleine Kunstmanufaktur. Vom Schnittplatz im ehemaligen Kuhstall trage ich die, auf Gehrung gesägten Bilderrahmen hinauf ins Hauptatelier und leime sie auf dem Billiardtisch zusammen. In zwei Stationen erhalten sie Verstärkungen in den Ecken und einen massiven Halter, damit man sie auch aufhängen kann. Dann wird die 11 Kilo schwere Trägerplatte eingeklebt und mit Holzdübeln vernagelt. QQlka ist der Mann fürs Feine. Er steht in der Abteilung Qualitätssicherung, bearbeitet feinste Risse mit Wachskitt. So verlassen Stunde um Stunde die Bildträger für das Bliestallabyrinth das Fließband.
Zwischen den Arbeitsschritten ist, ganz wie in einer echten Fabrik, genug Zeit für ein Schwätzchen. „So könnte ich mir einen Traumjob vorstellen,“ sagte ich, „die Ausgeburten der eigenen Phantasie langsam wachsen lassen, ihnen mit viel Liebe ein Gesicht geben und sie anschließend verkaufen.“ Unsere Fertigungsstraße endet leider schon kurz hinter der Qualitätssicherung. Gäbe es die Ausstellung in der Galerie Beck nicht, wäre der Vertrieb ein toter Zweig. Ähnlich wie eine verödete Krampfader im Bein eines mittelalten Mannes würde die Kunst ein unbemerktes Schattendasein fristen.
QQlka sagte: „Es gibt einen neuen Auftrag. Der Mainzer Kunstverein ist im November beauftragt die ehemalige Schwaab-Produktion in Ingelheim mit Kunst zu bestücken. Alle Mitglieder können teilnehmen. Auch du. Mach dir schon einmal Gedanken über die Ingelheimer Bahnhofstraße.“
„Ich könnte einen übergroßen 500 Euro-Schein in Form eine Vertigos an die Wand hängen und ein Bimmelbähnchen darauf kritzeln,“ scherzte ich.
Schwaab ist ein Möbelgigant. Ingelheim liegt am Rhein. Dort gibt es eine riesige Chemiefabrik, die sich in der weiten Ebene unter sanft ansteigenden Weinhügeln duckt. Der Ingelheimer Wein ist gut. Und die Chemie hat schon so Manchem gegen Kopfweh oder Krampfadern geholfen. „Irgendwie,“ dachte ich so bei mir, „passt das, Möbel und Rahmenbau sind grundverwandt. Die Gehrung ist die frivole Zuckerlotte der Holzbearbeitung.“
Eifrig phantasierten wir an der Kunststraße entlang der neu gestalteten Ingelheimer Bahnhofstraße. Eben die Neugestaltung ist Anlass für einen Sonntag der offenen Tür mit viel Kultur und Straßenfest. Unsere temporäre Galerie sitzt ganz am Ende dieser Straße.
„Ich hoffe, sie ist wenigstens 540 Meter lang. Dann könnte man alle 10 Meter ein Foto machen und sie auf einer einzigen Bildtafel gruppieren. Ich werde die Bahnhofstraße filetieren. Das wäre ein richtiger Zeitlupenfilm.“
Nun ist natürlich nicht mehr viel Zeit bis dahin. Eine Kunstbübchenrechnung weißt jedoch eine winzige Lücke Ende Oktober aus. Das Projekt könnte klappen.
ja, mach das in ingelheim!
ich schau jetzt mal im wörterbuch nach „gehrung“ – vielleicht hab ich’s mal gewusst, aber ich hab erwiesenermaßen löcher im hirn.
macht’s gut, ihr beiden
lg
f.