Zweibrücken-Andorra 2000 Tag 2

17. April 2000, ein Montag, nicht gerade das beste Wetter. Die knapp 100-kilometrige Etappe vom gestrigen Tag steckt mir in den Knochen. Ich erwache auf einer kleinen Insel inmitten einer riesigen Pfütze auf dem Campingplatz von Lutzelbourg. In dem engen Tal der Zorn, welche den Canal de la Marne au Rhin, also den Rhein-Marne Kanal mit Wasser versorgt, verlaufen Bahnlinie, Landstraße und der schön geteerte alte Treidelpfad am Kanalufer, welcher als Radweg dient, auf engstem Raum. In der Nacht bin ich immer wieder erwacht, weil im Stundentakt Güterzüge durch die Schlucht donnern. Unweit von hier hat man ein Schiffshebewerk gebaut, welches in einer gigantischen Badewanne aus Beton ganze Lastschiffe und die vielen Touristenbootchen den Hang hinauf zieht. Ein imposantes Bauwerk, das ich aber links liegen lasse. Mein Weg folgt der Landstraße nach Artzviller (Anmerkung 2009: mittlerweile ist der Radweg vom Tal hinauf nach Artzviller ausgebaut und führt direkt am alten Kanal entlang, welcher einst über etwa 20 Schleusen mit zentralem Hafen nach Artzviller führte und dort in einem Tunnel verschwand – sicher eine der schönsten Radlerstrecken, die ich kenne.)

Doch zurück ins Jahr 2000: zu Anfang einer solch langen Radeltour plagen einen, also zumindest mich persönlich (vielleicht auch andere Langstreckenradler) diese latenten Heimwehgefühle. Die Idee, in nur einer Stunde könntest Du schon wieder zu Hause sein, wenn ein guter Freund Dich mit dem Auto abholt, oder Du einfach nur in den nächstbesten Zug steigst. Die wohlige Vertrautheit der Heimat ist in greifbarer Nähe und stemmt sich widerborstig der größer werdenden Fremde, der aufwachsenden Alleinsamkeit entgegen, die sich insbesondere dem Alleine-Reisenden entgegen stellen.

Vielleicht ist es dieses Kunstprojekt, alle 10 Kilometer den Weg zu fotografieren, welches mich am Anfang dieser Tour auf Trab hält und die trüben Gedanken beiseite wischt.

Hat man erst einmal Artzviller erreicht und sich hinauf geackert nach Guntzviller, so führt der Weg durch ein hügeliges, malerisches Frankreich auf wenig befahrenen Landstraßen hinüber bis nach Bayon an der Mosel.

Rhein-Marne-Kanal bei Artzviller (Kanaltunnel) hinauf nach Guntzviller bis Niederviller.

auf ruhigen Departementsstraßen bis nach Luneville; der Nachteil dieser ruhigen Sträßchen ist die mangelnde Konsum-Infrastruktur. Wenn man Glück hat, begegnet man einem fahrenden Bäcker, bei dem man ein Pain au Chocolat oder ein Baguette kaufen kann.

Landstraße bis Bayon an der Mosel; direkt am Fluss (nicht im Bild) der Camping Municipal von Bayon ist Ziel des zweiten Tages. Auf dem Zeltplatz bringt mir eine holländische Familie die Reste ihres Nudelmenüs zum Zelt. Ich Europenner, ich.

Zum Weiterlesen …

Teil 2

Teil 3

Tag 2 -> Lutzelbourg bis Bayon (Mosel)

Zweibrücken-Andorra 2000 Tag 1

16. April anno 2000. Ich habe mir das Rauchen abgewöhnt, den Winter überlebt, Ideen im Kopf großwachsen lassen und nun drängt der Körper, sich hinaus zu begeben in die echte Welt, Abenteuer zu erleben, Unbekanntes zu erforschen, dem Ich ein neues Gesicht geben. Eine Idee lautet: fahre mit dem Fahrrad nach Gibraltar, fotografiere den Weg in Abständen von 10 Kilometern, atme tief im Rund der Pedale.

Zweibrücken-Hornbach

Auf dem alten Bahndamm Richtung Hornbach: bemerkenswert: das alte Hotel in Hornbach wirbt auf der Fassade mit Zentralheizung. Sicher eine der Denkaufgaben dieser Tour: zu begreifen, wie gallopierend sich die Welt verändert.

zw-and-tag1-1
Im namenlosen Bachtal Richtung Bitche, Frankreich

zw-and-tag1-2
Lemberg, Goetzenbruck, Wingen sur Moder

zw-and-tag1-3
Über Phalsbourg zum Canal de la Marne au Rhin, Lutzelbourg

Zum Weiterlesen

Teil 2

Tag 1 -> Zweibrücken bis Lutzelbourg

Beinahe abgeschlossen

Packen ist ja nicht die Welt. Ich erlebte Reisen, bei denen ich gar nicht gepackt habe, sondern einfach losgezogen bin. Diese Reise ist aber anders. Eigentlich ist es Arbeit. Ich gehe wieder meinem alten, geliebten Künstlerberuf nach. Und wenn ich das tue, wird es kompliziert – wie das bei uns Konzeptuellen nun mal ist: Die Welt ist nur im eigenen Kopf, ein wohl gefügtes Getriebe, das gefälligst zu funktionieren hat; mit Siebenmeilenstiefeln im land der eigenen Vorstellungen und das Werkzeug und das Material, mit dem man arbeitet, muss man sich tunlichst vorher beschaffen, denn sonst läuft die verflixte Kunstmaschine nicht.

Sowohl Werkzeug, als auch Material sind nun da. Ich habe ein Mini-Abbild meiner Reise im Jahr 2000 geschaffen. Nehme Fotos und Notizen von Damals mit auf den Weg, radele die nächsten Wochen runter nach Andorra auf den eigenen Spuren und schaue:

  • was hat sich draußen in der Welt verändert
  • wie habe ich mich verändert
  • gibt es Schönes, was ich damals übersehen habe
  • kann ich den Weg – im Gegensatz zur Tour 2000 – fortsetzen und endlich mit dem Fahrrad Gibraltar erreichen ;-)
  • ach fahr doch liebe nach Santiago, iss besser für die Seele

Wie auch immer. Gestern, der eigentlich geplante Start, wäre nicht gut gewesen wegen des Regens. Heute schon besser, aber ich hatte ja meinen Plan auf nächsten Montag verschoben wegen des durcharbeiteten Wochenendes.

Die Vorbereitungen sind nun beinahe abgeschlossen – übers Wochenende werde ich mich von dem Stress in der Schweiz in der Schweiz von dem Stress (Danke, liebe A.) kurieren.

Hallo Welt

Liebe Welt,
Nach einem Blog-Upgrade-Marathon und ein paar Querelen mit dem I-Telefon ist dies nun mein erster Mobilfon-Blogbeitrag auf Irgendlink.de. Ich werde Dich nächste Woche besuchen in Frankreich, liebe Welt und über Dich berichten.