Tackituri te salutant

Die Tackgeweihten grüßen dich.

So haben Kollege T. und ich uns den heutigen Tag versüßt. Jeder stellte ein Dutzend Rohlinge auf den Tisch und das Leder zum Beziehen der Möbel. Dann ballerten wir los. Ein äußerst spannender Wettkampf unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Als Kollege T. sich versehentlich den Finger tackerte, glaubte ich mich schon als Sieger, aber er arbeitete blutend weiter und erst, als ich einen Fehler machte, pflasterte er die Wunde. Taktisch äußerst klug. Nebenbei war immer noch Zeit zum Scherzen und ein skuriles Bild zu malen: wir seien Helden wie einst die Gladiatoren, unsere Loungewerkstatt eine Arena, man schlösse Wetten ab und am Ende würde man den Verlierer begutachten mit dem Daumen nach Oben oder Unten. Schweißgebadet sagte T. „Wenn ich verliere, hole ich meine Papiere ab“. Spätestens da war die Tackerei kein Spaß mehr und wir bollerten, als ginge es ums Leben. Ich sah mich kurzfristig auf einem rasenden Streitwagen, die Hände zum Sieg gereckt, doch Kollege T. gab seinem Tacker die Knute und überholte mich. Stets lagen wir Kopf an Kopf und immer wenn ein Möbel fertig war, rannten wir vier Meter bis zur Ablage und sofort zurück, um bloß keine Zeit zu verlieren. „Man könnte ein Geschäft daraus machen“, sagte ich, „stell‘ dir vor, unser Owner macht ein Wettbüro auf und alle in der Gegend setzen Geld in der Hoffnung auf ein kleines bisschen Glück“. Ich schuftete wie wild. T. entzauberte das Bild: „Wir sind keine Gladiatoren, neinein, es kommt mir eher vor wie illegaler Hahnenkampf oder wie Hundekampf“. Düstre Arena in verruchtem Hinterhof, Opium geschwängerte Luft, zahnlose Kerle, die wie wild schreien und uns anfeuern.

Nach gut einer Stunde waren wir fertig. Faszinierender Weise habe ich mit weniger als einer Sekunde (!) Vorsprung gewonnen. Ein verblüffendes Ergebnis. Ich fürchte, es geht nicht schneller und niemand auf der Welt kann uns das Wasser reichen, wenn Tackern irgendwann olympische Disziplin wird.

Der Owner sollte besser nicht erfahren, dass wir weltklasse sind, sonst wird die Arbeit äußerst ungemütlich.

Für Immer für Nichts

Wie ihr seht ist es schon wieder so spät. Ich packe es einfach nicht früher. Gestern war es drei. Ich finde mich mit drei Stunden Schlaf ab. Man könnte sagen, ich übe schon mal für die 72-Stunden Schicht, die in der Firma meines Owners üblich zu sein scheint.

Neulich redeten wir über den Arbeitsvertrag. „Die Künstlersozialkasse“, hündelte ich, „begehrt zu wissen, werter Owner, wie lange ich denn für wieviel Geld bei eurer Lordschaft arbeite?“

„Hinfort!“, rief er, „Für Immer, für Nichts!“

Berufliche Weiterbildung

Auf meinem Arbeitsweg komme ich jeden Morgen, bevor ich Kollege T. treffe und wir zusammen weiter radeln, an einem Haus vorbei, das gerade renoviert wird. Zuerst haben sie das Dach gemacht. Halsbrecherische Typen standen in der Schräge und warfen die alten Ziegel zielsicher in einen Container. Es dauerte etwa eine Woche, bis Dämmung und schöne neue blaue Ziegel eingedeckt waren. Stets schaute ich genau hin und am Ende der Eindeckphase, so kann ich mit Stolz versichern, fühlte ich mich in der Lage, ein Hausdach zu decken. Das ist berufliche Weiterbildung, ganz nebenbei auf dem Arbeitsweg. Seit heute belege ich am selben Haus einen Kurs in Außendämmung der Fassaden. Beindruckend, wie verschwitzte Männer die Fassade mit dem Hochdruckreiniger säubern. Ich bin gespannt auf die morgige Lektion. Kollege T. kommt, bevor wir uns treffen an einer Kinderkrippe vorbei. Er wird sicher einmal ein wunderbarer Pädagoge. An unserem Treffpunkt befindet sich eine Arztpraxis. So sind wir beide sicher schon bald in der Lage, Wunden zu verbinden und Rezepte auszustellen, sowie Überweisungen zu Fachärzten auszufüllen.

Aber nun kommt der Clou: ganz in der Nähe der Arztpraxis wird ein neues Schnellrestaurant gebaut für die Burgerbraterkette B. aus Amerika. Wenn wir diesen Kurs absolviert haben, können wir Burgerbraterkettenrestaurants selber bauen.

Ich freue mich darauf.

Arbeit ist Barbarei – oder wie die Tackerqueens Lehrling B.s Wochenende defragmentieren

Das war Montagfrüh in den unendlichen Tiefen des Lagers beim großen Eventagenten, welcher mein Owner ist: Lehrling B., der sich besonders auszeichnet, dass er die dreckigsten, gefährlichsten und schwersten Arbeiten mit Bravour erledigt, kommt von einer 72-Stunden-Schicht zurück; solche Augen, und die Anmut eines Zombies. Kollege T. und ich grüßen flötend um Neun, denn wir sind die Tackerqueens und müssen nicht so oft 72-Stunden-Schichten schieben (die Lohntackerei ist ein Job wie jeder andere auch, aber echte Eventlehrlinge spüren schon von Anfang an die Härte des Geschäfts; all die Nachtschichten und versoffenen Stadtfeste, auf denen sie erst als Letzte, stocknüchtern unter Schwerstarbeit nach Hause dürfen). T. machte irgendeine Bemerkung zum Wochenende: „Na, wie war dein Wochenende?“ Worauf B. antwortete: „Wochenende, was ist das?“ (In der Tat hatte B. in den zwei Monaten, die ich in der Tackerwerkstatt arbeite erst ein Wochenende frei.) Später smalltalkten wir in der Tackerwerkstatt und entlocken dem total übermüdeten B. doch tatsächlich ein Lächeln. Beherzt sagte er: „War doch schön, diese fünf Minuten Wochenende.“ Der Mann hat einfach Humor. Tackerhumor.

Auf dem mantrischen Weg zur Arbeit heute Morgen sinnierten T. und ich über die Wochenenden von Eventmanagern und dass es diese Wochenenden womöglich gar nicht gibt. „Nee, das stimmt nicht“, sagte T., „es gibt sie schon, aber sie sind wie die Festplatte eines Windows-Systems. Man müsste sie defragmentieren. B. hat hier mal fünf Minuten Wochenende, wenn er mit uns in der Tackerwerkstatt scherzt, und da mal ein Bisschen, wenn er auf dem Nachhauseweg aus S.-Ville eine Stunde auf dem Rücksitz im Truck schläft.“

Ach, und der Einsatz in S.-Ville beim großen Autokonzern!

T. und ich waren als Joker verdingt und alles sollte nach Plan laufen, der Abbau, das Verpacken unserer schönen Loungemöbel und all das Getummel, so hatte es sich der Owner vorgestellt, aber bei solch großen Events läuft es nie nach Plan. Im Convoi mit Sattelzügen und Anhängern haben wir das Nachbarland F. verlassen wie einst die Grande Armee Russland. Nun hocken T. und ich auf vierhundert ruinierten Möbeln (alle waren neu), denn die Belegschaft des großen Autokonzerns hat sich während des exzessiven Fests zum Bau des Millionsten S.-Autos benommen wie eine Herde Hunnen. Dies bedeutete den Niedergang des Tackertums: die Tacker stehen seit Montag still und T. und ich versuchen mit schärfsten Putzmitteln das eine oder andere Möbel zu retten. Vermutlich werden wir nächsten Dienstag mit dieser Arbeit fertig. (In dieser Zeit würden wir ungefähr200 Stück neu bauen!)

Ohja, meine Lieben, dieser Beitrag beschreibt den Aufstieg und Fall einer Tackerqueen.

Ich bin nichts weiter, als die billige Putze in einem unbekannten Schmieren-Weblog.

Es macht mich dicker

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Viel Skuriles gibt es zu berichten. Eines ist sicher dieser Fundzettel, den Kollege T. in der Berliner Siedlung auf unserem Arbeitsweg quer durch die Kreisstadt H. gefunden hat. Er lag mitten auf dem Radweg und jemand hatte einen Stock darauf gelegt, damit er nicht wegfliegt. Als wir ihn begutachteten, wehten in einem Fenster mit Blick auf den Radweg die Gardinen. Man hatte uns beobachtet. Trotzdem habe ich das Fundstück eingesteckt.

Eine andere Skurilität begab sich beim Eckhaus in der Z.er Straße, unweit des Rathauses der Kreisstadt. Dort hörten wir halbneunmorgens vom Balkon einen Singsang: „Schmeiß die Oma aus dem Bett“, sehr melodisch zur Melodie von Lass die Sonne in dein Herz. Für einige rote Ampeln, die wir auf dem Horrortrip durch die Kreisstadt überschürten, dachte ich über die Oma nach, stellte sie mir vor: alt, müde, gesegnet mit frivoler Familie, die stets einen derben Scherz auf den Lippen hat. Dann jedoch fixierte ich mich auf das Wörtchen schmeißen. Schmeißen ist ein nicht alltäglich gebräuchlicher Begriff, den der Physiker sicherlich mit vielen komplizierten Formeln beschreiben könnte, und der nichts anderes ausdrückt, als den Schiefen Wurf, also einen Bewegungsvorgang, den ein Körper (unter Vernachlässigung der Luftreibung) vollzieht, wenn er unter einem Winkel relativ zum Horizont abgeworfen wird.

Nu‘ sag‘ ‚mal!