Liveblog USA – mit dem Fahrrad vom Atlantik zum Pazifik

Kunststraßen - alle 10 Meilen ein Bild

Wusstest du eigentlich, dass du dich mitten in einem literarischen Experiment befindest? Dass die Seiten, die du gerade liest, roh und druckfrisch sind, ja, dass sogar das, worüber in diesem Buch berichtet wird, gerade erst erlebt wird?

(Auszug aus dem Blogartikel Über das Liveschreiben – 17. Mai 2012)

Zweite Langstrecken Liveblog Reise  – Cycling USA

Nach der Umrundung der Nordsee im Jahr 2012, meiner bis dato längsten live gebloggten Radtour, habe ich mich lange gefragt, was denn als nächste große Reise auf dem Programm stehen könnte. Afrika von Nord nach Süd? Viel zu heiß! Vom heimischen Sofa in Zweibrücken nach Singapur? All die Grenzen, Visa, Krisengebiete schreckten mich ab. Der Fahrradhändler meines Vertrauens schlug gar vor, mich auf den Transhimalaya Trail zu begeben. Nicht sportversessen genug dafür.
Das eBook Take Care! von Hermine Stampa Rabe, hat mir schließlich den Floh ins Ohr gesetzt, die USA radelnd zu erkunden und darüber täglich in diesem Blog zu berichten, Fotos zu publizieren und wenn es die Netzverbindung zulässt, mich auch mal per Video oder Audiobeitrag zu melden. Schnell war die Idee skizziert. Von Virginia Beach am Atlantik würde ich der nahen Partnerstadt Zweibrückens, Yorktown, einen Besuch abstatten und dann immer weiter nach Westen radeln. Etwa sechstausend Kilometer führt der Liveblog-Trail über Richmond und Saint Louis bis nach Portland und darüber hinaus nach Seaside am Pazifik.

Falls die eingebettete Google Karte nicht angezeigt wird, hier der Direktlink.

Seit ich 2012 den sicheren Brotjob gekündigt habe, um als live schreibender Reisender und Künstler nach neuen Horizonten zu suchen, stellt die Hürde, ‚mal eben drei Monate unterwegs‘ zu sein, kein Problem mehr dar. Kritischer ist jedoch die Finanzierung. Für eine USA-Durchradelung benötige ich mindestens sechstausend Euro. Wenn die Reise anschließend noch als Buch veröffentlicht werden soll und im Backend schriftgut.ch werkelt, um die Tippfehler, die das Schreiben auf einem Smartphonetouchscreen ab und zu mit sich bringt, zu eliminieren, dann sind mindestens nochmal soviele Euro notwendig. Eine grobe Überschlagung der Kosten bringt das hübsche Sümmchen von sechzehntausend Euro hervor. Nie und nimmer kann ein freischaffender Künstler, der es gerade so über die Runden schafft, so etwas finanzieren.

Crowdfunding und Sponsorensuche

Schon für die erste live gebloggte Reise auf dem Jakobsweg hatte ich ein Crowdfunding in Erwägung gezogen – vier Jahre sind seither vergangen. Die benötigte Summe konnte letztlich aus Eigenmitteln bestritten werden. Ein großzügiges Teilsponsoring half der Nordseerunde, das Licht der Welt zu erblicken.
Liveblog USA wird wohl die Grenzen der Selbstfinanzierung sprengen, weshalb wir im Dezember 2014 ein Imagevideo drehen.  Die Crowdfundingcampagne wird ab Januar/Februar online gehen. Vorab einen großzügigen vierstelligen Betrag auf das Projektkonto buchen zu können wäre hilfreich – hier käme der Dein Weg Award von ERGO gerade recht.

ERGO Dein Weg Award – die halbe Miete der feinen Künste?

 

Nachtrag: Der im Folgenden skizzierte „Deal“ mit der Versicherung hat leider nicht geklappt. Warum Monsieur Irgendlink darüber gar nicht so traurig ist, lest ihr hier.

Vorgestern lief mir, rein virtuell, eine Aktion der Versicherungsgruppe ERGO über den Weg. Der „Dein Weg“ Award:

Sind Sie auch ein Mensch, der den Mut hat, seinen eigenen Weg zu gehen? Dann machen Sie mit: ERGO unterstützt Selbstverwirklicher mit dem Award „Dein Weg“

Bis 24. Oktober 2014 kann man sich online bewerben.  Also nix wie ran an die Online-Bewerbung. Zum Glück steht Monsieur Irgendlink mit seinen Kunst-Literatur-Hybrid-Projekten grundsätzlich in den Startlöchern. Dieser Blogartikel bildet den Auftakt für das geplante Liveblog Projekt USA. Ein erster Ruf in den Wald. Und wer weiß, vielleicht bekommt ja der Spruch Blogito ERGO Sum bald eine ganz neue Bedeutung, wenn es gelingt, die Jury von der Livereise zu überzeugen?

Die Kriterien für die Teilnahme an dem Award „Dein Weg“ sind jedenfalls erfüllt:

Motivation: Ich will im Sommer 2015 drei Monate lang durch die USA radeln und darüber täglich live bloggen.
Mut/Selbsbewusstsein: Den Weg als Liveblogger, Künstler und Fotograf habe ich seit 2012 kontinuierlich ausgebaut und als Preis dafür die Sicherheit im Nine-to-five-Job geopfert.
Chance auf Verwirklichung: Mit der Live-Blogreise auf dem fast 7000 km langen Nordseeradweg habe ich 2012 bewiesen, dass ich drei Monate lang alleine radelnd bei Wind und Wetter nicht nur überleben kann, sondern auch noch eine packende, literarisch und künstlerisch ansprechende Reisedokumentation schreiben kann.
Und die Finanzierung? Hinterher wirst du stets sagen: Geld spielt keine Rolle :-)
Inspiration: Seit 2010 sind die Besucherzahlen auf dem Irgendlink-Blog kontinuierlich gestiegen – während Liveblogaktionen tendieren sie in den vierstelligen Bereich. Durch Facebook, Twitter und Youtube wird seit 2014 eine noch größere Zahl erreicht, die sich von der täglichen Berichterstattung von unterwegs begeistern lässt und ihre eigenen Wege der Selbstverwirklichung ins Auge fasst.

Zu guter Letzt ist es gewiss von Vorteil auf einem solch wagemutigen Unternehmen die schützende Hand eines verlässlichen Versicherers über sich zu wissen.

Welche Themen werden angesprochen?

Neben Kultur, Land und Leuten auf der anderen Seite des großen Teichs, rücken die Geschichten von Pionieren und Ausgewanderten – insbesondere aus meiner Heimat, der Pfalz und dem Saarland – in den Fokus. Wie sind die Leute in Amerika wirklich? Wie lebt es sich dort? Wovon träumt der ganz normale Durchschnittsbürger, was besorgt ihn, was erfreut ihn? Auch die sportliche Komponente der Reise spielt eine Rolle: die gesamte Strecke wird per Fahrrad mit Gepäck und Outdoor-Ausrüstung bewältigt.

Liveblogberichte auf irgendlink.de seit 2010

Seit 2010 verfolgt eine stetig wachsende Zahl von Mitreisenden Liveblogberichte auf irgendlink.de. Die Reisen führten per Rad  und zu Fuß quer durch Frankreich, auf dem Jakobsweg durch Nordspanien, drei Monate lang durch neun Länder auf dem Nordseeradweg, kreuz und quer durch Süddeutschland und Österreich ins Welterbe Hallstatt und zuletzt im Sommer 2014 per Rad und zu Fuß hinauf auf den Gotthard.

Social Media

Twitter – https://twitter.com/irgendlink
Facebook – https://www.facebook.com/jurgen.rinck.9
Google+ – https://plus.google.com/+JuergenRinck/posts

FAQ

Ist der Künstler ein Autor oder der Autor ein Künstler?

Mit dem Aufkommen der Neuen Medien um die Jahrtausendwende verschwimmen die Genres der künstlerischen Selbstverwirklichung immer mehr. Spätestens seit der Entwicklung dynamischer Webseiten und Blogsysteme lassen sich künstlerische, multimediale, musikalische und literarische Inhalte zu einem digitalen Konglomerat verdichten, für das mir vor einigen Jahren das Wort Appspressionismus in den Sinn kam. Vielleicht entwickelt sich ja daraus die Kunstrichtung des frühen 21. Jahrhunderts?

Was ist Appspressionismus?

Die immer beliebter werdenen sogenannten Apps, kleine Programme, die auf Smartphones und Tablets fast alles nur Erdenkliche wahr machen, die einen in die Lage versetzen, Musik zu komponieren, zu malen wie ein Profi, zu fotografieren und schreiben, sind der Namensgeber für den Begriff Appspressionismus (engl. Appspressionism). Mit schelmischem Augenzwinkern kokettiert der Begriff mit  einer der bedeutendsten Kunstrichtungen des 20. Jahrhunderts, dem Expressionismus.

Welche Referenzen hat Jürgen Rinck/Irgendlink?

Vita (ein CV als PDF kann per Mail angefragt werden)

Livebloggen? Ich will’s genauer wissen.

Hier findest du einen ziemlich persönlichen Text über die Liveblog-Geschichte seit 2009.

Warum ein gedrucktes Buch?

Weil ich an gedruckte Bücher glaube, weil ich das Gefühl liebe, etwas in den Händen zu halten oder es im Regal stehen zu sehen und es ohne Hilfsmittel wie Strom und Software betrachten zu können, und weil ich überzeugt bin, dass es immer Menschen gibt, die das genauso sehen wie ich.

Und nun? Nun kann’s losgehen.

Wusstest du eigentlich, dass du dich mitten in einem literarischen Experiment befindest? Dass die Seiten, die du gerade liest, roh und druckfrisch sind, ja, dass sogar das, worüber in diesem Buch berichtet wird, gerade erst erlebt wird? Dass es, außer der Idee für die Reise, die nur das Skelett ist, an dem das Fleisch wächst, aus dem die Geschichte besteht, keinerlei Plan gibt. Und selbst das ist veränderbar. Wird er weiterhin den Radweg Nummer eins nehmen, wie es die Idee “Ums Meer” vorsieht, oder weicht er aus in die Berge? Wird der Protagonist – ähm, ich, dein Autor und Geschichtenerleber – seinen Flug buchen können, die Fähre erreichen? Die Geschichte, die du gerade verfolgst, ist das Ergebnis einer mindestens zweijährigen Forschungsarbeit, in der ich mich peu à peu quasi selbst ausgebildet habe, die Operation am offenen Herzen der Literatur durchzuführen.

17. Mai 2012 – Über das Liveschreiben

Saarland-Radweg von Homburg nach Jägersburg

Wer auf dem Nordseeküstenradweg ums Meer radeln kann, der kann auch auf dem knapp 350 Kilometer langen Saarland-Radweg um das kleinste Bundesland Deutschlands (ausgeschlossen die noch kleineren Stadt-Bundesländer) radeln. Und alle zweieinhalb Kilometer ein Bild der bereisten Strecke machen. Schon auf dem Rückweg um die Nordsee hatte ich geliebäugelt mit passenden Folgeprojekten. Die Psychologie ist sich einig: Fernradler, die nach Hause kehren, fallen erst einmal in ein verdammt tiefes Loch. Verdruss. Sinnfrage. Orientierungsverlust. Nach einer so langen Zeit mit Ziel, immerhin vier Monate im Uhrzeigersinn um die Nordsee, glänzt der Alltag daheim logischer Weise nicht gerade mit Ziel.

Ein neues Ziel muss her, der Saarland-Radweg

Der Saarland-Radweg liegt zum Greifen nah vor Herrn Irgendlinks Künstleratelier. Neun Kilometer runter nach Homburg (Saar) und ich bin auf der mit „gelben Wutzen“ gekennzeichneten Trasse. Die Wutz, auf gut Deutsch das Schwein. Das Saarland aus dem Weltraum betrachtet hat die Form einer Wutz.

Homburg Talstraße, ein Sonntag Anfang September. Nach meinen ersten Versuchen, mich dem Fernradwerg zu nähern geht es gegen Nachmittag ans Eingemachte. Ich radele die selbe Strecke, wie am Tag zuvor, von Homburg durch den Wald bis nach Jägersburg und noch ein Stückchen weiter, hinauf auf den Höcherberg. Ganz schöner Trümmer. In Jägersburg sagen Hinweisschilder, wo der Hammer hängt: Weg steigt 240 Meter auf knapp fünf Kilometern. Ereignislose Waldstrecke. Wunderschön, gut beschildert. Da geht was. Ich wachse langsam hinein in das neue Projekt. Ziel ist, mich in zweieinhalb Kilometer Abständen rund um das Saarland zu fotografieren. Skelett meines Kunstprojekts sind, wie seit 1995 üblich, regelmäßige Fotos der bereisten Strecke. Alles weitere, das „Fleisch“, so hoffe ich, kommt während des Tuns. Vorbei am Golfkurs Websweiler schwitze ich hinauf zum Höcherberg, kehre bei Kilometer 17,5 um und kehre auf ein Weizenbier und einen Wurstsalat in der Hütte direkt neben dem Aussichtsturm auf dem Höcherberg ein. Freund Journalist F. hatte, als ich ihm die Idee schilderte, durchblicken lassen, dass man daraus ja eine Art Reiseführer machen könnte. So fühle ich mich arbeitsam, gebraucht, wertvolles Mitglied der Gesellschaft. Datenharvester, der ich nunmal bin. Ich lasse mir Quittungen geben. Sind ja Reisekosten, Datenbeschaffungskosten, wenn man so will. Ich bin ein Mähdrescher, der die Ernte in Form von Pixeln und Satzfetzen einbringt.

Das Projekt nimmt mit jeder Pedalumdrehung mehr Schwung auf. Was, wenn daraus tatsächlich ein Buch wird? Yet another Saarlandrundweg Buch? Gähn. Es muss etwas Besonderes werden, hatte mich Journalist F. gebrieft. Somit lautet meine geheime Mission: während du Daten beischaufelst und kurbelst und das Leben genießt, kannst Du auch gleich über die Zukunft nachdenken. Ergebnislos. Halb taub kehre ich auf dem selben Weg zurück nach Homburg. This ist not a North Sea Cycle Route, bei der du monatelang ums Meer radelst und den Bloghelden spielst. Dennoch. Das Kleinod vor der Haustür darf nicht verschmäht werden. Und ein Kleinod isser, der Saarland-Radweg. Die Beschilderung ist beinahe narrensicher nach niederländischer Perfektion. Die Streckenführung, dank Höcherberg als hart einzustufen, aber ein Blick auf die Saarlandkarte verrät, der Rundweg hat auch zarte Seiten, Flachstrecken, Flussidylle. Ich bin eben in die „falsche“ Richtung unterwegs. In Jägersburg liefert man mir im dortigen Heimatmuseum auf dem Rückweg nach Homburg erste philosophische Kitzeleien. Gratis Eintritt in die alte Gustavsburg, die so eine Art Museum beherbergt. Kurz vor Ladenschluss informiert mich der Museumsaufseher in einer Art Crash-Kurs über die Geschichte des Dorfs. Es gab einmal ein Lustschloss, irgendwo da draußen in den Wäldern. Fast sieht es aus wie Versaille. Ein Modell steht im Hauptraum des Museums. Der Mann zieht die Vorhänge zu, bereitet alles vor für den Feierabend und erzählt mir die Geschichte: dass das Schloss nur 40 Jahre lang existiert habe, dann wurde es nach der Französischen Revolution „angestock“ – angesteckt, also niedergebrannt. Die Adligen geflohen, guillotiniert, die armen Leute der Gegend haben mit den Steinen ihre Häuser gebaut. Nichts ist mehr übrig von dem Glanz. Und mit einem Schlag wird mir die Zerbrechlichkeit unserer Existenz bewusst. Warum denken wir immer in Ewigkeiten? Welch grandiose Illusion. Genau wie Mister Kunstbübchen Irgendlink dem Glauben verfallen ist, alle Pixel und Einsen und Nullen, die er ins Internet hackt, bestehen für immer weiter, müssen auch die sypillitischen, von Kopfläusen zerfressenen Aristokraten von anno Siebzehnhundertnochwas geglaubt haben, dass ihre Lustburgen die Jahrhunderte überdauern. Vierzig lumpige Jahre für Glanz, Reichtum, Macht. Und nun radeln Typen wie ich durch jungen, lichten Buchenwald und grübeln über ihre eigene Existenz und hoffen auf den nächsten schönen Tag. Bytejäger, Ideenfänger, Konsumträumer. Die Lebensspirale hat sich dreihundert Jahre weiter gedreht und sie wird sich noch dreihundert Jahre weiter drehen. Inständig hoffe ich, dass ein alter, hinkender Museumswärter in einem Heimatmuseum der feinen Künste der Zukunft die Vorhänge zuzieht, kurz vor Feierabend, und einem interessierten späten Gast erzählt, dieser Herr Irgendlink hat nur vierzig Jahre lang seine Daten auf den Server gehackt, dann haben bei der ersten digitalen Revolution die Franzosen alles gelöscht. Oder so ähnlich.

Auf dem Rückweg zum einsamen Gehöft, durchweg auf Waldwegen, sehe ich antike Aristokraten wie sie auf ihren Rassepferden von Burg zu Burg reiten, von Liebster zu Liebster, passiere den dunklen Wald, in dem einst Schloss Karlsberg stand. Ein noch prächtigeres Schloss, als Versailles. Das habe nur zwanzig Jahre existiert, hatte mir der Museumsaufseher erzählt. In Fußballfeldern ist die Größe der Anlage kaum zu beschreiben. Aber sie war einst wahr. Nun ächze ich zwischen verächtlich in die Vergangenheit blickenden Buchen dahin. Fotografiere die Jägerträume des kleinen Mannes – hatte ich erwähnt, dass ich seit einiger Zeit Hochsitzbilder sammele. Es ist erstaunlich, zu welch kreativer Phantasie der gemeine Jäger des 21ten Jahrhunderts fähig ist.

Hochsitze am Saarland-Radweg
Hochsitze am Saarland-Radweg