Sterne, Sonne, keine Umkehr

Viel geschieht. Sonntags Straßentheaterspektakel auf den Plätzen der Stadt. Rundumblick auf dem Zweibrücker Herzogplatz:

Herzogplatz Zweibrücken Panorama während des Straßentheaterspektakels 2013
Sonne und Sterne stelzten zwischen heftigen Regenschauern durch die schwindende Menge:

Sonne drei Meter hoch auf Stelzen beim Straßentheater in Zweibrücken

Die Nacht symbolisiert als drei Meter hohe Straßentheaterfigur
Auch mein Künstlernetzwerk Prisma beteiligt sich an dem Kultursommerereignis. Eine zehnteilige Litfaßsäule wurde kollektiv bemalt. Innen und außen. Ein Vorgeschmack auf unsere nächste Ausstellung, bei der es einen Einblick gibt in 45 Jahre Col-Art mit Marc Kuhn und Rosanna Durán.
Künstlerin K. übt Munchs „Der Schrei“.

Pose als Munchs Schrei auf dem Zweibrücker Schlossplatz
Erkenntnisse: dass man einen Garten, den man mühsam pflegt, nicht kurz vor der Ernte aufgeben sollte. Dass nach dem Tag die Nacht folgt. Nach der Sonne die Sterne und umgekehrt. Dass eine Umkehr, wenn man den Weg des Geldes eingeschlagen hat, nicht möglich ist. Dass ich vor fünf Jahren einen schön angelegten Garten habe liegen lassen. Dass, wenn ich es noch einmal zu tun hätte als Mensch, ich nie … ach, aber das ist doch illusorisch.

Beim Arbeitsamtgentur für Arbeit

Viel passiert die letzten Tage. Vielleicht sollte ich mit dem Arbeitsamt beginnen, wo ich am Freitag einen zwanglosen Termin hatte, um mich über eventuelle artfremde Arbeitsmöglichkeiten zu informieren. „Der Künstlerberuf ist ein hartes Pflaster, warum also nicht Webdesign?“ fragte ich Beraterin C. „Wie wärs mit Fotografie?“ konterte sie. Sie hackte Daten in den Rechner, ließ drucken, überreichte mir drei Angebote. Eines als Fotograf, eines als Webseitengestalter und eines mit überdurchschnittlicher Verdienstmöglichkeit. Ich beneidete sie in diesem Moment um ihren ruhigen Job im warmen Büro, ignorierend, dass einen solcherlei Tätigkeit auf Dauer durchaus langweilen kann. Wie auch immer. Sie ist sie und ich bin ich. Die Zwanglosigkeit meines Besuches wurde mir erst in dem Moment bewusst, als Beraterin C. erwähnte: „Die Rückseite der Formulare müssen sie ja nicht ausfüllen, sie beziehen ja keine Leistungen.“
Blick auf die Rückseite. Die Bandagen sind hart. Der Markt ist gemein.
Später telefonierte ich die Stellen ab: Der empfohlene Fotomeister würde lieber eine Frau einstellen. Die Homepage-Gestaltung war an die Freundin des Sohns des Vorsitzenden der gemeinnützigen Einrichtung vergeben. Und die überduchschnittliche Verdienstmöglichkeit im Homeoffice erwies sich als noch dubioser, als erwartet.

Der Weg könnte eventuell das Ziel sein.

Guten Morgen. Schon spät.

Gestern, spätabends habe ich so etwas Ähnliches wie den 2400 Meter hohen Pyrenäenpass der Computerei erreicht: ein selbst zusammen gebasteltes Betriebssystem zum Laufen gebracht und mich obendrein mit dem Netz verbunden. Der Browser, den ich dazu verwendete heißt Lynx, ein reiner Textbrowser, welcher seltsamer Weise auch gut benutzbar ist, um Gestaltungsfehler in High-Tech-Design-Webseiten aufzudecken: Wenn Du mit Lynx nicht schnell und einfach den Inhalt der Seite lesen kannst, dann taugt die Seite entweder nichts oder sie hat keinen Inhalt. Beides macht keinen Sinn.

Man möchte vielleicht glauben, dass das Erklimmen von hohen Bergen mit vollbepacktem Fahrrad eine elende Schufterei ist, was ja auch stimmt. Nur eben. Es geht ja nicht um die Schufterei, sondern um das Zurücklegen des Weges im Einklang mit der Natur und sich selbst. Die schönste Alpenstraße, die ich per Fahrrad erkundete war der San Bernardino-Pass, von Süden kommend. Eine ruhige, pittoreske Strecke. Eine der großen Schweizer Fernradstrecken führt über den San Bernardino bis ins Tal des Hinterrheins. Somit ist die Strecke in zweierlei Hinsicht von hoher philosophischer Bedeutung: Erstens: Der Weg, du und die Natur in konspirativer Auseinandersetzung. Zweitens: Das Ziel ist eine Quelle, besser gesagt, eine der beiden Quellen des größten westeuropäischen Flusses.

Während ich so am Computersystem schufte, breite ich Bücher und Kritzelzettel aus, schalte vom einen aufs andere Betriebssystem, telefoniere mit Fachleuten, trinke Kaffee. Man könnte sagen, die Informationen häufen sich unter mir wie der Abraum kilometerlanger Gletscher. Nach und nach entsteht so ein Thron, auf dessen Spitze ein kenntnisreicher Mensch sitzt. Stets schuftend, schwitzend, lernenden, niemals aufhörend.

Eine interessante Eigenschaft von Bergen ist die Möglichkeit, seine Sichtweise zu verändern, indem man sie erklimmt. man erweitert buchstäblich seinen Horizont. Deshalb sind Berge in meiner bescheidenen Halbphilosophie so wichtig

Keine Computer vor 2001

War ziemlich windig vorhin. Ich spazierte im Garten, vertrat mir die Füße nach einem langen Tag vorm Monitor. Nieselregen, Wind und stockdunkle Nacht. Erinnerungen an früher und „draußen“ wurden wach. Vor 2001 gab es keine Computer für mich. Will sagen: die Zeit, die ich momentan vor dem Rechner verbringe – nicht unerheblich – habe ich damals draußen verbracht.
Nun, da ich dies schreibe, kann ich mich kaum erinnern. Aber vorhin fühlte sich die Welt an wie „Schlafsack unter Felsvorsprung“. Es gab Moos und der Fels war mit Flechten überwuchert. Schnelle Wolken zogen nachts. Wenn man sich im Halbschlaf umdrehte und ins All starrte, flimmerten Sterne hinter Schleiern. Die Träume waren gut. Das Land war weit. Wenn man morgens die Hände im Bach wusch und eine Kanne Kaffee auf dem Lagerfeuer kredenzte konnte man den Tag schmecken.
Nicht, dass ich mich darum reißen würde, die Nacht in einem Schlafsack unter einem Felsvorsprung zu verbringen, aber manchmal, ja, manchmal …

Die Krone der Schöpfung stopft Löcher

Weiß auch nicht, was mich geritten hat, den Dentist zu fragen: „Hey, wie siehts eigentlich mit Kunststoff aus? Wär das womöglich was? Über Amalgam hört man so Sachen.“ und so weiter und so fort. Die kurze Zeit im Wartezimmer hatte ich die finanzielle Schmerzgrenze auf 50 Euro, gesetzt. Der Arzt klärte auf, legte sich aber nicht fest, ob nun das billige Amalgam besser sei, oder ob der Kunststoff was taugen würde. Am Rande erwähnte er: „Keramik, drei- vierhundert Euro.“ Da schluckte ich kurz und weil der Kunststoff mit 39.99 Euro unter der Schmerzgrenze lag, gab ich mir einen Ruck: „Machense Kunststoff. Mal ausprobieren.“ Die Prodzedur ging ohne Betäubung von statten. Der Arzt bohrte, feilte, schmiergelte, stopfte, während ich wieder und wieder den Schriftzug Siemens auf der Leuchte las. Mantrisch dachte ich: Siemens Siemens Siemens, ouuh shalala Siemens, eine halbe Ewigkeit lang. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle meinem Zahnarzt, Dr. S. ein dickes Lob aussprechen. „Sanft und kompetent jederzeit wieder“, würde man bei E-Bay wohl sagen.