Der Ernst des – nein ich will das Wort nicht in den Mund nehmen – Pünktchenpünktchenpünktchen-Lebens

Das Autorenleben hat begonnen. Jetzt wird es schmutzig und hart. Nicht, dass ich nicht schon längst seit etwa fünfzehn Jahren irgendsoein Autor bin, der sich in Blogs wie diesem hier tummelt. Neinneinnein, der Ernst beginnt. Der heimische PC ist ein wildes Schlachtfeld geworden, auf dem auf vier virtuellen Monitoren unzählige Fenster geöffnet sind. Recherchen im Browser. verschiedene Buchprojekte im Programm Scrivener, ein Serveradministrationsterminal und noch so einige Dinge, die niemand versteht.

Mit einer Art virtueller Kettensäge schnitze ich literarische Handlungsstränge. Die Biografie des fiktiven Künstlers Heiko Moorlander ist in der Mache und ein Krimi mit bauesoterischen Grundlagen. Ein Bilderbuch mit eigener Kunst, das eigentlich schon längst fertig ist, steht vor der Veröffentlichung. Und nicht zuletzt das vergangene Livereiseprojekt Flussnoten.

Dieses Gewusel von vielen verschiedenen Baustellen ist eigentlich nicht mein Ding. Ich bin ein linearer Mensch. Ich hab gerne immer schön eins nach dem anderen. Meine Arbeit ist aber nun in einem Stadium angelangt, an dem mich Linearität eher ausbremst. Deshalb wage ich den Sprung ins chaotische Becken des Multitaskings.

Irgendwie hängt ja bei mir auch alles zusammen. Ein Psychiater hätte wohl seine helle Freude an meinem Fall. Da ist einer, der jahrzehntelang an komischen Kunst- und Schreibprojekten geschuftet hat und nienienie einen Abschluss geschafft hat. Eine gescheiterte Existenenz, wenn man es rein wirtschaftlich kapitalistisch erfolgsorientiert betrachtet.

Eine Rohstoffquelle. Das klingt gut. Das klingt verwertbar. Das klingt ausbeutbar … narzisstisch, sagt der Psychiater … selbstüberschätzend, größenwahnsinnig.

Quatsch, sag ich. Es ist nüchterne Selbstbetrachtung auf dem fruchtbaren Boden einer im Wahnsinn des sich selbst zu Tode Hetzens verrückt gewordenen globalpathologisierten Gesellschaft (oder pathologisch globalisierten Gesellschaft).

In der wir kollektiv Scheinwerten hinterherhecheln.

Ich mag’s gemütlich. Ich mag’s bargeldlos, ich mag’s um der Dinge willen und nicht um des Bewundertwerdens ob irgendwelcher Dinge willen. Dort, wo alle anderen schon längst aufgegeben hätten, weil sie im Abgleich des Selbstbilds mit den kranken Anforderungen der schnellerschnellerschneller werdenden Gesellschaft keinen Sinn mehr sehen, fängt mein Sinn erst an. Etwas zu tun, weil etwas zu tun ist. Und zwar aus purem Spaß an der Sache.

Einen Großteil meiner Lebensenergie habe ich damit verschwendet, gesellschaftlichen Ansprüchen zu genügen. Auf Kosten der Gesundheit. Rücken, Kreislauf, Schlafstörung, Übelkeit, Angst – das alles ist mir ganz und gar nicht fremd und ich ringe noch immer gegen diese elenden Windmühlen.

Was, wenn ich mir keine Gedanken um die Zukunft machen müsste, keine materiellen Sorgen, einfach nur sein könnte und die Hirnmühle sich voll und ganz auf die verrückten Sachen konzentrieren könnte, die ihr alltäglich, woher auch immer, in die Quere kommen? Wäre das Leben dann chaotisch? Gäbe es ein Ende des Denkens irgendwann? oder würde das Ding im Schädel sich irgendwann verselbständigen und weiterweiterweiter machen ohne jegliche Bedenken, ob ES (also das, was das Hirn macht) materiell von Nutzen ist?

Die Linien liegen klar vor mir. Ich muss ihnen nur noch folgen. Würde ich rechnen, würde ich ihnen bestimmt nicht folgen. Würde ich rechnen, wieviel Lebenszeit ich schon in das Blogbuch Flussnoten gesteckt habe und wieviel Lebenszeit es noch braucht, um aus der Sammlung von Blogtexten ein echtes Buch zu machen, so müsste ich alles hinschmeißen. Der Wirtschaftsprüfer in mir würde diagnostizieren, du bist bankrott, melde Insolvenz an, tritt das Ding in die Tonne. Aber wenn ich das Projekt in die Tonne trete, wird es nie ein fertiges – ich weigere mich, zu sagen Produkt – Ding. Es wird nie eine schöne, druckbare PDF-Datei geben, die vielleicht irgendwann einen Verlag findet.

Genauso wie Kanzel. Ein unverkaufbares Bilderbuch. Es ist so teuer, dass kein Mensch es je kaufen wird, aber es ist käuflich. Ich verdiene daran kaum etwas – ihr solltet bloß nicht auf die Idee kommen, es zu bestellen. Fragt mich lieber um ein gratis PDF. Das meiste der knapp sechzig Euro Kaufpreis geht für den Druck drauf und für die Plattform, auf der es vertrieben wird. Ich sehe es mehr als ein Zeichen, hallo, hier bin ich, das Buch ist da, es könnte verlegt werden, wenn sich jemand findet und es in einer Auflage herausbringt, die es bezahlbar macht. Kanzel ist ein schlechtes Beispiel. Es ist wirklich nur ein simples Bilderbuch mit schönen Hochsitzen, das – vom kapitalistischen Gedanken her – besser nie gedruckt wird. Es läuft einfach nicht. Aber es war mir ein Bedürfnis, es druckreif zu erstellen.

Anders sieht es mit dem Krimi aus, an dem ich arbeite. Die Senkrechtmorde sind Auftakt einer Romantrilogie mit ernsthaft philosophischem Fundament, verfasst mit einem leichten Schmunzeln (so das denn zu einem Krimi passt) im Gesicht. Da hab ich echt Lust drauf. Der Plot wächst in Scrivener, meinem Schreibprogramm. Aber es ist auch nur ein totes Ende, nichts, bei dem man mir vorab sagen würde, hey, dafür zahlen wir dir ein anständiges Autorenhonorar, damit kannste rechnen. Du hast zwei Monate Arbeit wie ein ganz normaler Angestellter? Da, fünftausend Euro bar Kralle.

Das Buch wird nur dann wahr, wenn ich es auf eigene Kappe ohne Erwartung einer Bezahlung schreibe. Und das macht es so kompliziert. Das und dass ich so sozialisiert wurde, dass man für eine Arbeit eine Gegenleistung erwarten darf. Es bricht der Kreativität das Genick, wenn ich so denke. Denn es verlangt, dass das, woran man arbeitet, für die anderen Mitglieder der Gesellschaft eine Bedeutung hat. Dass es gewollt wird. Dass es zum Produkt wird. Dass man es verkaufen und wiederverkaufen und wiederwiederverkaufen kann. Kann ich doch nicht wissen, ob sich jemand für ein Buch mit eigenartigem Inhalt interessiert oder für Hochsitzbilder. Hey, aber das ist nunmal da. In mir. Und das will raus. Und da kommt der Sprung in die andere, nichtvermarktbare Welt ins Spiel.

Wie weit würdest du gehen ohne Anerkennung, ohne Feedback, ohne Lobhudelei, Hätschelei, Bauchpinselei?

The Gap. Der Sprung über die Schwelle, den man eigentlich besser nicht wagen sollte, wenn man als Mensch unter Menschen existieren möchte, wenn man das Spiel mitspielen möchte.

Wieviele gute Ideen gehen sekündlich verloren, weil irgendwo auf der Welt jemand sich sagt, ne, das mache ich nicht, das bringt mir doch nichts? Und wieviele schlechte Ideen werden sekündlich auf diesem Erdball in die Tat umgesetzt, weil jemand das Gespür hat, Mensch, das könnte klappen, damit kann ich echt Kohle scheffeln? Kohlekohlekohle.

Das Denkmal des unbekannten schändlichen Dings, das niemand braucht, aber das alle wollen und das nur deshalb entsteht, weil es vermarktbar ist, steht auf dem Platz der naiven Kunstbübchenkreativität und wirft lange Schatten auf vor Sau liegende Perlen. (Zu lang für einen Tweet, dieser Satz, schade).

Es ist zum Heulen, mitanzusehen, wie eine Hochkultur auf purem Schein aufgebaut ist, auf der kollektiv irrigen Meinung marktgemachter Werte.

 

Flussnoten für das Memory of Mankind – Langzeitarchivierung | #flussnoten

Das soeben zu Ende geschriebene Liveblogbuch Flussnoten ist ein heißer Kandidat, um es im Memory of Mankind in den Salzwelten in Hallstatt einzulagern. Auf 20×20 Zentimeter großen Keramikfließen kann man in den Tiefen des Salzstocks, der auch Weltkulturerbe ist, die verschiedensten Botschaften und Infos hinterlassen. Sicher vor Druck und Umwelteinflüssen überdauert das Archiv in den stabilen Stollen tief in den Alpen Hitze, Druck, Umweltkatastrophen, Atombomben. Tausende Jahre lang.
Die Intention des Memory of Mankind ist, einer fernen forschenden Zivilisation so viel unterschiedliche Information wie möglich über unsere heutige Welt zu hinterlassen (vor allem im Hinblick auf drohenden Datenverlust durch unseren intensiven Einsatz von untauglichen digitalen Datenträgern).

Das bedeutet, dass neben vielen wissenschaftlichen Archiv-Keramiken auch private Inhalte beigesteuert werden können: wie sah in unserer Zeit eine Hochzeit aus? Wie lebten wir? Wie organisierten wir uns als Gesellschaft, unseren Alltag – all die Fragen, die sich heutige Archäologen zu den alten Griechen und Römern stellen und die sie oft anhand von Müllkippenfunden rekonstruieren können, sollen ins Memory of Mankind Einlass finden.

Das ehemalige Salzbergwerk ist groß genug für zehntausende Tonfließen. Auch gibt es Fließen, auf die Mikroschrift gebrannt wird und die auf der winzigen Größe einen ganzen vierhundertseitigen Roman beherbergen können.

Auch Kunstprojekte bereichern die Informationspallette. 2013 habe ich eine Fahrradtour von Zweibrücken durch Süddeutschland bis in die Salzwelten auf 17 Kacheln archiviert. Schwerpunkt war ein persönlicher Text über die Reise, der zukünftigen Archäologen einen Einblick ins Individualreiseleben unserer Zeit gibt, sowie eine Art Zustandsbeschreibung der Gesellschaft 2013 im Elsass, der Pfalz, Süddeutschland und Österreich (der durchreisten Gegend). Ein bewusst subjektiver Bericht über Kunst, Reise(-Literatur), Konzepte und Denkweisen unserer Zeit, angereichert mit Fakten, die vor Ort unterwegs recherchiert wurden und ins Blog einflossen.

Das Projekt Memory of Mankind, initiiert von Martin Kunze, geht momentan in eine neue Phase. Die Webseite befindet sich im Umbau, aber man kann sich hier schon ein Bild davon machen.

Das Flussnotenprojekt, das sich intensiv mit einem der wichtigsten Flüsse Europas beschäftigt, scheint mir ein geeigneter Stoff, den ich für das Langzeitarchiv aufbereiten möchte.

Folgende Kunstwerke und Texte konnte ich bisher im Memory of Mankind archivieren:

North Sea Cycle Route auf Keramik
Bilder auf Keramik lagern zu hunderten im Salzstock im Weltkulturerbe Hallstatt

Pilotkachel als Test mit einer Reise aus dem Jahr 2012 (Umrundung der Nordsee per Fahrrad „Ums Meer„.

Martin Kunze sendete sie mir als Muster, damit ich mir vorstellen kann, wie Kunst auf Keramik aussieht.

Neben etlichen Fotos, die während der viermonatigen Liveblogreise entstanden, ist auf dem künstlerisch gestalteten Objekt auch der Umriss der Nordsee verzeichnet (rote Linie).
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Das Projekt „Bilder für die Ewigkeit“ auf Keramik. Sowohl der live geschriebene Blogtext, als auch einige exemplarische (Kunst-)Fotos wurden auf den folgenden siebzehn Keramiken archiviert.
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MudArt auf Twitter | #mudart #ibcoco

An dieser Stelle habe ich alle Erwähnungen von Heiko Moorlanders MudArt auf Twitter zusammengefasst. Jede Menge Tweets. Ich plane eine fiktive Künstlerbiografie, eine Art Ausstellungskatalog, der mit skurrilen Geschichten garniert wird. Wenn schon moi meme, Monsieur Irgendlink, das Leben eines unbekannten Künstlers führt, darf sein Alterego in Würde gefeiert werden.
Die Tweets sind chronologisch umgekehrt sortiert. Nicht alle wurden von mir geschrieben.
Auch auf Instagram und in anderen Blogs finden sich Spuren zum millionenschweren ‚Muddyboy‘, der sich weltweit mit schweren Maschinen in die Herzen seiner Fans wühlt.
Heiko Moorlanders Webseite heißt treffender Weise Erdversteck.

https://twitter.com/irgendlink/status/747195195553374208

Fremdbild

Am Meer

  

27. September 2016. nach ca. 200 Kilometern zu Fuß und etwa 1700 Kilometern per Fahrrad endet das Liveblog-Projekt Flussnoten an der Rheinmündung in Hoek van Holland.

Seit 2010 ist es ist das siebte Langstreckenprojekt, das in Blogform live gezeigt wurde.

Der deutsche Wurm

Ein ekliges Bild wurde mir da durch die Timeline auf Twitter hereingespült. Ein Klumpen Regenwürmer, die sich ineinander ringeln, auf der Straße liegend, aus menschlicher Sicht vielleicht so: wir haben uns zusammengeschlossen, um die Katastrophe zu überleben. Gemeinsam ist es leichter, den Einen oder Anderen durchzubringen als ganz alleine. Wir spenden uns Wärme, teilen so lange, bis womöglich keiner überlebt, aber vielleicht überlebt ja einer, zwei drei, viele? Das Foto wurde, so die Info im sozialen Medium, in Amerika aufgenommen. Dort gibt es gar keine Regenwürmer. Sie haben die letzte Eiszeit in Nordamerika nicht überlebt. Nun wurde aber der deutsche Wurm – ich weiß, das ist anstößig, denn Würmer kennen ja keine Grenzen, keine Nationen, es könnte auch ein Schweizer oder französischer Wurm sein – von Anglern nach Nordamerika gebracht und konnte Fuß fassen in einer Region der Erde, in der er längst ausgestorben war. Die Ozeane waren eine unüberwindliche Barriere für den Regenwurm. Somit hat sich in Amerika ein ganz anderes Bodenklima entwickelt als bei uns. Da es keine Würmer gab, gab es auch keine ‚Feinde‘, die sich von ihnen ernähren, die ein Gleichgewicht herstellen und für ein ausgeglichenes Wachstum aller Arten miteinander sorgen. Somit, so die Mini-Info, die ich in den sozialen Medien gefunden habe, hat der deutsche, europäische oder irgendwie sonstwieische Wurm leichtes Spiel in Nordamerika. Mit fünf Metern pro Jahr pflanzt er sich südlich wandernd in der Erde fort und stört das Gleichgewicht des Bodens. Er bohrt Löcher, höhlt aus, lässt kraft einer Existenz Wasser versickern, zieht Laub unter die Erde, mischt ordentlich auf, um es einmal salopp zu sagen.  Man kennt ähnliche Geschichten von Kaninchen in Australien, von Ratten, die auf Schiffen eingeschleppt wurden. Das Prinzip, Tier oder Pflanze, das oder die in eine andere Region der Erde gelangt, wo sie bisher nicht lebte, ist eigentlich ein alter Hut.

Wenn es Hochwasser gibt, schließen sich die Regenwürmer zusammen und versuchen, so will es ihre Natur, auf diese Weise, ihren Fortbestand zu gewähren.

Der Mensch. Was habe ich mich festgebissen in den kürzlich geschriebenen Artikeln des Flussnotenblogs. Kein gutes Haar hab ich an meinen Mitmenschen gelassen, wie ich sie beobachtete, wie ich den Fluss beobachtete, wie ich das Land beobachtete, das ich durchradelte. Von menschlichem Niemandsland in den Hochalpen erlebte ich, wie meine Mitmenschen, die Gesellschaft, letztlich auch ich, das Land nahmen und es formten, so wie sie, wie wir, wie ich das für nötig hielten und halten, um weiterzumachen, weiterzukommen. Beinahe depressiv erreichte ich den bisherigen Endpunkt der Rad- und Wandertour rheinabwärts in Lauterbourg. Ein beschauliches elsässisches Städtchen im Nordosten Frankreichs. Fachwerkhäuser, Bäckerei, Metzgerei, Torbogen, schön anzusehen, Zementwerk, Gestank, Terraforming à la Mensch. Tausende Autos auf Halde, um von irgendwo kommend nach irgendwo gehend verkauft zu werden. Umschlagsplatz. Strukturschwäche. Banlieu. Sozialer Brennpunkt, all das spürbar in dem kleinen Städtchen, dazwischen wir, auch ich, alle nur vorantreiben im stetigen Strom des Lebens. Irgendwo auf der ewigen Zeitlinie befinden wir uns, befinde ich mich, und erleben dies, erlebe ich dies. Eine Zustandsbeschreibung der Welt irgendwann zu Beginn des dritten Jahrtausends, titelte ich insgeheim. Ich durchradelte das Delta der Sauer, ein scheinbar naturbelassenes Stück Erde. Naturbelassen? Warum führt dann ein Radweg da durch? Auch so eine Frage. Kann ich als Beobachter überhaupt erkennen, ob etwas naturbelassen ist? Wenn ich den Ort erreiche, an dem ich beobachte, kann das doch nicht Natur sein? Doch! Ich bin ja auch Natur. Und die, die für mich die Wege gebaut haben, die sind es doch auch, oder?

Man sagt, die ersten Europäer, die auf ihren Segelschiffen waghalsig nach Amerika ausgewandert sind, hätten nie überlebt, wenn die Ureinwohner, die das Land seit Jahrtausenden bewohnten, ihnen nicht Nahrung gegeben hätten, damit sie die ersten Winter überleben konnten. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Aber ich kann mir vorstellen, wenn ich in ein fremdes Land komme, von dem ich keine Ahnung habe, wie es funktioniert, was da wächst, welche Gefahren dort lauern, es wäre ein hartes Ringen ums Überleben. Ich könnte nicht einfach so Gärten anlegen, so wie ich es von daheim gewöhnt bin, könnte nicht eins zu eins weitermachen wie daheim, ich müsste mich den Bedingungen anpassen, die ich vorfinde. Dem Unbekannten. Wie lange dauert der Winter in dieser Gegend? Wann ist die beste Zeit für die Aussaat? Wächst mein mitgebrachtes Saatgut überhaupt hier auf dem Boden, der so ganz und gar ohne Würmer auskommt?

Als ich das Wurmding entdeckt habe, das ist gerade mal ein paar Stunden her, überlegte ich, ob sich zu den Lebensweisen der Menschen Parallelen ziehen lassen. Ob es nicht genauso wie gerade mit den Würmern, Kaninchen, was immer man auch als Vorlage nimmt, in ‚mensch‘ lief. Die Europäer kamen artfremd per Schiff nach Amerika und fanden ein scheinbar leeres, eroberbares Land vor und breiteten sich und ihre  Lebensweise dort aus. Dass eigentlich eine andere Lebensweise auf dem Kontinent existierte, haben sie vermutlich gar nicht wahrgenommen. Wie der deutsche Regenwurm, der sich seit einiger Zeit unaufhaltsam durch den für ihn leer scheinenden amerikanischen Boden gräbt.