Vom Wert der Zwiebel

Randgedanken. Nichts als Randgedanken zwischen zwei Reisen. So kommt es mir manchmal vor im Künstlermorgenblütenreiseleben. Wann hat es eigentlich angefangen, dieses Blog zu vernachlässigen und all die feinen Gedanken, die all-täglich immerdar in einem garen, zu vergessen? War es Twitter Ende 2014 – immerhin fließt seither vieles an Ideen in den 280-Zeichen-Nachrichtendienst.
Das Irgendlink-Blog ist zu einem reinen Reise-Kunstblog geschrumpft, so dass man als Außenstehender, als Außenstehende vielleicht den Eindruck hat, da ist nichts mehr, da ist nur noch das ‚Geschäft‘. Ich glaube es sogar selbst. Fast komme ich mir vor, als existiere ich zwischen den Reisen gar nicht und die Vermutung macht sich breit, dass mein Hirn durch meine Beine angetrieben wird, steampunkig, mechanisch, mit viel Pomp und Dampf und Pleuelstangen und Chrom und Messingglanz, wie in den glorreichen Mechanisierungszeiten des Neunzehnten Jahrhunderts.
So sehe ich mich, der kurbelnde Junge im Wind, die Welt auf dem Fahrrad erkundend und über Menschen schreibend.
Aber es gibt ja noch so viel Alltag dazwischen. Unterwegs bin ich doch höchstens drei vier Wochen im Jahr, vielleicht auch mal länger, aber der Rest des Jahres ist knallharter ganz normaler Alltag, der auf einem einsamen Gehöft stattfindet, selbst versorgend, Garten schuftend, Dinge reparierend, Probleme lösend. Manchmal auch was Digitales. Kürzlich habe ich mein Dasein einmal als eine Art Hausmeistertätigkeit bezeichnet. Sowohl physisch, als auch digital. Die Leute kommen mit kaputten Dingen und Problemen zu mir und ich repariere und löse sie.
Kürzlich habe ich auch einmal gesagt, wenn ich ein Ding repariere, gehen zwei kaputt. Das ist so auf einsamen Gehöften, die in die Jahre gekommen sind und auf denen viele alte Dinge lagern, die schon seit Jahren die Obsoleszenzgrenze überschritten haben. Es lagern hier vor Ort auch noch viele Dinge, die so alt sind, dass man noch keine Vergänglichkeit eingebaut hatte. Dinge, die man noch reparieren kann.
Und so komme ich auch zum Kern und zum Anlass dieses Aufsatzes: die Gangschaltung an einem 30 Jahre alten Fahrrad versus die Gangschaltung an einem neun Jahre alten Fahrrad. Wie ich so auf dem uralten Fahrrad aus dem Jahr 1985 sitze und für mich hin kurbele, letztes Wochenende, muss ich nämlich feststellen, dass die Schaltung auf dem Sechsfach-Ritzel schnurrt wie ein feingeölter Nähmaschinenmotor, wohingegen mir die Neunfach-Schaltung an meinem ’neuen‘ Fahrrad aus dem Jahr 2009 derzeit etwas Probleme bereitet, trotz dass ich sie runderneuert habe. Sie ist so präzise und verzeiht so wenig Fehler, dass sie sich nicht mehr einstellen lässt, wenn das Schaltauge oder die Mechanik auch nur einen Millimeter aus dem Lot sind.
Vernünftige Menschen werden sagen, das Fahrrad ist neun Jahre alt, schmeiß weg. Kauf Dir ein neues. In der Tat liebäugelte ich im Fahrradladen vor der Neuauslage tatsächlich mit einem neuen Radel. Etwas für drei- bis sechshundert Euro. Mit Licht und Schutzblechen und Scheibenbremse und Nabendynamo. Was wohl billiger ist: alle zwei Jahre ein drecksbilliges neues Fahrrad kaufen, oder das bestehende Rad zu reparieren? Die Reparatur kostet mit Reifen, Bremsen, Kette und Ritzeln und Arbeitszeit wohl an die 250 Euro. Vielleicht sogar mehr.
Ich will nicht sagen, dass technischer Fortschritt nicht gut ist und keine Verbesserung bringt. Dennoch habe ich das Gefühl, dass man sich mit jeder Neuerung, jeder mutmaßlichen Verbesserung, an welchem Produkt auch immer, auch etwas unsichtbares, unheimliches, ungutes ins Haus holt. Jede vermeintliche Verbesserung schleicht ein Gift in die Produkteigenschaften, zementiert eine neue Fuge in der Mauer der Abhängigkeit, mit der der Produkthersteller Dich nach und nach in einem Verlies einkerkert. Mit jeder neuen raffinierten Verbesserung besteht auch die Gefahr, dass man seine Selbständigkeit verliert, die Möglichkeit, die Maschine zu durchblicken und sie mit herkömmlichen Werkzeugen selbst zu reparieren. Für die Schaltungen der neuen Fahrräder gibt es zum Beispiel Lehren, mit denen man genau prüfen kann, ob sie verbogen sind. Man sieht es nicht mit bloßem Auge und die hochgezüchtete Technik gewährt null Toleranz. Immer mehr habe ich das Gefühl, die Welt funktioniert nach dem Apple-Prinzip und im Hintergrund der Entwicklungsabteilungen sitzen sadistische Entwicklungsingenieure, die sich für die Produkte fiese Fallen ausdenken, mit denen man sie so schwer reparierbar wie möglich macht und die Produktlebenszeit so präzise wie möglich steuert.
Längst geht es nicht mehr darum, ein gutes Produkt zu erzeugen, sondern es geht darum, den Konzern so genau wie möglich zu berechnen, um die Gewinne zu maximieren. Die Produkte der Konzerne sind eigentlich nur kollateral. Ein Konzern könnte prima ohne Produkte auskommen, wenn es je gelänge so etwas zu erfinden. Ein perfektes, feinjustiertes betriebswirtschaftliches Konstrukt, das aus sich selbst existiert – ha – was für eine Vorstellung.
Vom Wert der Zwiebel wollte ich übrigens auch einmal schreiben, hier so, zwischen den Reisen. Davon, dass es sich nicht lohnt, selbst Zwiebeln anzubauen, weil sie so unendlich billig sind. Jede Sekunde, die man investieren würde, selbst Zwiebeln zu pflanzen, ist vergeudete Lebenszeit. Rein betriebswirtschaftlich gesehen. Gehe lieber arbeiten und verdiene dein Geld mit etwas anderem, aber baue keine Zwiebeln an.
Und irgendwann stehst Du dann da und weißt nicht mehr, wie man Zwiebeln pflanzt, mehr noch, Du wirst vergessen haben, dass man sie überhaupt pflanzen kann, dass sie wachsen können und dann bist Du der perfekte Abhängige.
Die Zwiebel ist natürlich nur ein Platzhalter.

Per Rad über den Schwarzwald – Himmelreich-Schluchsee-Waldshut | #palsui

Rein rechnerisch müsste man den Aufstieg zum Titisee und Schluchsee ab Freiburg oder dem nahen Kirchzarten bequem per Radel bewältigen können. Wenn der Radweg Grüne Straße auf einer alten Bahnlinie verläuft und etwa vier fünf Prozent Steigung hat und der Titi- und der Schluchsee etwa acht neunhundert Meter hoch liegen und noch so einige Idealbedingungen. In der Tat sieht der Radweg am stürzenden Flüsschen aus wie eine Bahntrasse mit seinen typischen Bahnkilometersteinen. Das steinige Flussbett (vermutlich die Dreisam), das ich vorgestern Abend passierte, war gespickt mit badenden Menschen, kleinen Amüsiergrüppchen, Sonnenhungrigen, Abhängern und vielen einzelnen dösend Lesenden. Graffitys an den Brücken, Steinmännchen in den Stromschnellen. Da ein einzelner, verwaister Stuhl vom Sperrmüll mitten im Flussbett. Dort eine Schaukel an einer Brücke befestigt.

Ab Himmelreich, wo ich zwischen Bahnlinie und Bundesstraße bei einem Bauernhof zeltete – und erstaunlich gut schlief – ist jedoch schluss mit Lullifulli-Bahntrassensimulat. Noch einige Kilometer folgt der Radweg der Bundesstraße. Die gestern schon sehr früh wieder an Fahrt aufnimmt, lärmt, stinkt, lärmt und nervt, so dass die AnwohnerInnen riesige Schilder am Straßenrand aufgestellt haben mit der Aufschrift Tunnel jetzt und Schluss mit Lärm und Gestank.

Jenseits von Höllental frühstücke ich auf einer Wiese, lade das iPhone an der Solarzelle. Spartanisch mit trockenen, tagealten Brötchen, gesotten in Butter. Viel habe ich nicht mehr und zu kaufen gab es nichts seit dem Nachtlager. Frühestens Hinterzarten. Doch das ist fünfzehn Kilometer entfernt und der Radweg Grüne Straße wendet sich ab Höllental – gottlob – ab von der Bundesstraße, deren Lärm mich ganz aggressiv macht. Im Tausch gegen Ruhe wird die Strecke aber steil, vielleicht acht Prozent, vielleicht mehr. Im ersten Gang schwitzend, kaum Schrittgeschwindigkeit. Irgendwann treffe ich einen Fernwanderer aus Heilbronn, steige ab, schiebe neben ihm her und wir verstricken uns in ein mäandrierendes Gespräch um das Woher und Wohin und das Reisen, den Schwarzwald und den ganzen Rest. Der Mann ist unterwegs nach Meran und hat schon knapp zwanzig Kilometer in den Beinen seit dem Morgen – wie macht er das – immer wieder bleiben wir stehen, verschnaufen, reden und es pendelt sich ein guter Rhythmus ein. Früher war er Haumeister, also professioneller Holzfäller. Im Prinzip erhalte ich einen Crashkurs über Sicherheit beim Baumfällen, nicht zuletzt, weil mein Mitwanderer auch einige Geschichten zum Besten gibt, die sehr böse hätten enden können. Einmal, bei den schlimmen Stürmen Ende der 1990er hatte es ihn sechs Meter durch die Luft gewirbelt und er blieb kopfüber zwischen Ästen hängen, so dass ihn eine Kranmannschaft mit einem Seil, das sie ihm um die Füße banden herausziehen musste. Die noch jaulende Kettensäge war bei der Nummer an seinem Helm vorbeigeschrappt und es war ein Wunder, dass er unbeschadet davon kam. Schlimmer hatte es einen Mitarbeiter getroffen, dem ein unter Spannung stehender Baum die Kettensäge aus den Händen riss und das laufende Ding seine beiden Hände bis auf ein paar Sehnen abtrennte. Nur weil die Mannschaft beherzt reagierte, die Fetzen mit Ästen schienten, die Unterarme abbanden und ihn ohne auf einen Rettungswagen zu warten, quasi wider das Gesetz, per Forstjeep ins Krankenhaus brachten, konnte er gerettet werden. Drei Monate später arbeitete er wieder im Forst.

Der Exkurs in die Holzfällerei war erhellend und ich beschloss, meine eigenen Holzfällerambitionen – trotz guter Sachkenntnis, die ich habe – neu zu bewerten. Bäume unter Spannung sind unkalkulierbare Wesen.

Mein Mitwanderer gab mir obendrein noch einen Kräuter-Crashkurs: Spitzwegerich in die Socken gegen Blasen, Breitwegerich für die Gelenke, Katzenminze für entzündete Augen, alles am Wegesrand zum Anfassen und ausprobieren. Brennesseln zerrieben für die Durchblutung der Hände – ungemein wichtig für Radler. Die Spitzen der männlichen Fichte, die etwas dunkler ist, als die weibliche, gegen Halsweh und dieses verflixte Kreuzkraut, dessen Blüten denen des Johanniskrauts ähneln bloß nicht mit nackten Händen anfassen, ist verdammt giftig, eine Plage, die sich besonders an Straßen durch den steten Strom des Verkehrswindes ausbreitet.

So wanderten wir etwa sechs Kilometer bergauf, sehr gemütlich und nach knapp drei Stunden trennten sich unsere Wege just auf der Kuppe, ab der der Radweg Grüne Straße wieder abwärts führt nach Hinterzarten und zum Titisee. Noch im idyllischen Wald kurz vor dem Schwarzwaldsee war meine Stimmung bestens und ich scherzte in einem Tweet, „Herr Hallervoorden, ich werde einen See nach Ihnen umbenennen (spreche Titisee mit breitem fränkischen Akzent), darauf eine Flasche Pommes Frites“.

Ab Titisee ist der verkehrsarme Spaß jedoch vorbei. Der Radweg führt direkt neben der Straße hinauf zum Schluchsee und so sehr man auch die Ruhe bewahrt, die Aggressivität der Autofahrenden überträgt sich. In Bärental-Feldberg, wo eine Bundesstraße kreuzt, nimmt ein beispielloses Gemetzel seinen Lauf, als ein Tourist einen Fahrfehler begeht, jemand bremsen muss, jemand anderes auch, die Kreuzung plötzlich blockiert ist und sich ein Konzert aus Hasshupen über ihn ergießt. Vielleicht trifft mich, der ich über hundert Meter entfernt bin, der Hass und der Lärm gar mehr, als das arme, tapsige Fahrfehleropfer. Jedenfalls ist die Radlerlaune im Keller. Im Prinzip habe ich eine Art Krieg erlebt, bloß, dass sie nicht aufeinander geschossen haben. Oder ein Gemetzel in einem Hühnerstall, bei dem sämtliche Hennen auf der schwächsten herumhacken und man kann sich dem Schauspiel nicht entziehen.

Schnapsmuseum in Bärental. Ich hasse Schnaps. Ich hasse Museen, ich hasse Autofahrer in diesem Moment, Hupen und LKW-Fahrer hasse ich, hasse den Lidlmarkt vor meiner Nase, den Fastfood, die Verkehrskreuzung, die Hitze, die Sonne, das Universum, mich, mein Rad. Es muss etwas geschehen. Bloß ist es nicht einfach, aus dieser Überladung von Aggression wieder rauszukommen. Vielleicht wenn ich eine Hupe hätte oder einen Schnabel und Krallen oder eine Planierraupe. Zu allem Überfluss verirre ich mich noch am Bahnhof Altglashütten. Weg von der Straße. Stille. Schattige Bank. Rumliegen. Zack, Ruhe. Dann weiter zum Schluchsee. Der sich als Stausee entpuppt. Ich wusste das. Habe mich nur nicht erinnert. Zufällig liegt die Route, die ich nehme direkt bei der Staumauer. Also nicht wie befürchtet noch ein paar Kilometer aufwärts, sondern – nach einem allesreinigenden Seebad – direkt runter ins Schwarzatal, das bis fast nach Waldshut-Tiengen auf einem Betonweg erschlossen ist. Den Betonweg verdankt es wahrscheinlich dem Kraftwerk Häusern und dem Stausee unten im Tal. Jedenfalls rolle ich die etwa 20 Kilometer stets bergab. Kein Auto, keine Radler, nichts. Selbstreinigender Schwarzwald, der die gepeinigte Seele in Frieden entlässt ins Rheintal, wo einen die Hitze mit Wucht trifft. Die Luft ist schwer und feucht, ganz im Gegensatz zu den lauen Schluchsee-Lull-Lüftchen.

Mit Frau SoSo verabrede ich mich vorm Bahnhof Koblenz – nicht die Stadt in Rheinland-Pfalz, auch die Schweiz hat ein Koblenz. Nur wenige Kilometer wären es noch bis zu ihr. Aber die Route an der Aare hinauf nach Brugg kenne ich zur Genüge und es ist so verlockend, das Fahrrad ins Auto zu verfrachten und einfach heimzufahren.

Bei der Hitze.

Die kurze Auszeit – unter dem Hashtag #PalSui auf Twitter zu finden – tat mir gut. Es klappt noch mit dem Radeln und Schreiben und ich liebäugele mit einem größeren Radreise-Schreib-Kunstprojekt noch in diesem Jahr. Entweder die schon seit zwei Jahren geplante Tour auf dem Atlantik-Radweg in Frankreich, oder ein weiteres UmsLand Projekt etwa 2000 Kilometer rund um Bayern.

Ich bedanke mich fürs virtuelle Mitradeln.

La Piscine de Mommenheim Gare und andere Nettigkeiten | #palsui

Id iss hodd, id iss werry werry hodd! Der Beginn eines Dialogs auf der Landstraße nach Karasjok wird mir wohl ewig in den Ohren klingen. Immer dann, wenn es heiß ist, sehr sehr heiß, dudelt das kleine Gespräch, das ich mit einem Sami führte in den Ohren. Seine unendlich weichen Konsonanten wie durch eine Entkalkungsanlage geschickt, gemischt mit den fetten, schweren Vokalen, die wie Kondensmilch ins Ohr sickerten. Dabei war das kleine Gespräch, das sich vorwiegend ums Wetter und das Woher und Wohin drehte eigentlich ein Versehen. Just als der Mann auf seinem Quad die Fahrt verlangsamte, um in einen Tundra-Trail abzubiegen, begegnete er mir, der ich das falsch interpretierte und dachte, er will mich irgendwas fragen. Und er dachte wohl auch, was will der Radler, kann ich ihm helfen?

Fünfunddreißig Grad zeigt das Thermometer vor einer Apotheke in Mommenheim an der Zorn. Kurz vor zwölf. Ich habe gerade ein wichtiges, schwieriges Etappenstück hinter mich gebracht. Bei der Hitze vom Tal der Moder über Agrarland, das kaum Schatten bietet nach Süden ins Tal der Zorn, die den Rhein-Marne-Kanal mit Wasser versorgt. Die Gegend westlich von Haguenau ist hügelig und man muss einige Aufs und Abs bewältigen, zudem auf Landstraßen, denn Radwege gibt es erst wieder am Kanal. In einem Dorf, das ich die Pitfall nenne, verweile ich einen Moment im Schatten eines Bushäuschens. Pitfall deswegen, weil man steil hinab fährt ins Dorf und auch wieder steil aufwärts hinausfahren muss. Sonst gibt es keine vernünftig per Radel zu bewältigenden Wege hinaus. Wer hier entkräftet ankommt, wird das Dorf nie wieder verlassen, postuliere ich mit apokalyptisch verschmitztem Lächeln.

In Mommenheim mache ich es mir auf einer kühlen Steintreppe im Schatten vor der Laderampe der Güterabfertigung am Bahnhof gemütlich. Fast zwölf Uhr. Nichts passiert. Fast fühle ich mich in eine moderne Szene des Filmklassikers Spiel mir das Lied vom Tod versetzt. Kein Revolver. Die Mücken werden schon in der Luft von Schwalben abgefangen. Ich schwitze. Da! Ein Linienbus. Auf der Seite ist das regionale Busnetz zwischen Strasbourg, Haguenau und Saverne abgebildet. Der Fahrer trägt kein Hemd. Brusthaar bleckt. Überhaupt scheint er nur eine Badehose zu tragen. Sonst ist der Bus leer. Niemand will nach Mommenheim Gare. Knapper Gruß, Bon Jour, Bon Jour, dann holt er aus dem Gepäckfach einen Kanister Wasser, wäscht sich, trinkt, kippt Wasser in einen Eimer, putzt den Bus. Ich lechze. Meine Trinkflaschen sind fast leer. Die Mittagsglocke läutet just in dem Moment, als der Busfahrer die Fußmatten an der Blechmülltonnen vor dem Bahnhof ausklopft.

Dann kommen wir ins Gespräch. Idd is hodd, idd is werry werry hodd, aber auf französisch – il fait chaud, il fä trä trä scho.

Schon holt er seinen Kanister und gießt mir Wasser in meine leeren Trinkflaschen, zaubert zudem einen Apfel (aus dem Ätrmel geht ja wohl nicht, so ohne Hemd,) irgendwoher (nein, keine falschen Gedanken, er holt den Apfel im Bus). Nicht genug. Er deutet auf meinen Kopf: waschen? Bien sûr, und so kramt er einen riesigen Eimer aus dem Gepäckfach, heißt mich, mich darüber zu beugen und schüttet mir literweise kühles Nass über Kopf und Schultern. Herrlich.

La Piscine de Mommenheim Gare, taufen wir dieses kleine, improvisierte Eimerschwimmbad und lachen dabei. Andreto heißt der Mann, kommt aus Portugal nahe Lissabon, ist seit sechs Jahren hier. Er erklärt mir seine Tour im Zick-Zack durch die Nordvogesen und wenn ich doch bloß nach Saverne fahren würde, nicht nach Strasbourg, dann gäbs bei ihm daheim eine portugiesische Suppe für mich und eine Dusche und einen Zeltplatz.

Eine Schulklasse schwitzt vorüber. Die Lehrerin in knallgelber Signalweste. Der Postmann sortiert seine Briefe für den nächsten Straßenstrang. Irgendwo kreischt eine Kreissäge und das Wasser im Piscine de Mommenheim Gare wird langsam warm. Sonst nichts.

Auf dem Kanalradweg radele ich die letzten zwanzig Kilometer bis Strasbourg. Mit nassem T-Shirt. Rückenwind. Kühlt ungemein. Faustformel: ein nasses T-Shirt kühlt etwa zehn Kilometer weit. Dann ist es wieder trocken.

Strasbourg. Europaparlament. Den Schildern Richtung Kehl folgend, vor der nagelneuen, fast fertig gebauten Russisch-Orthodoxen Kirche schlafe ich auf einer Parkbank ein.

Fast schon fünf. Weiter, weiter, weiter. Strasbourg hat zwar ein gutes Radwegnetz, aber die Luft ist dreckig, die Straßen stark befahren. Nach Kehl raus ziemlich hässlich. Gewitter zieht auf und da es schon spät ist, steige ich in Kehl in den Zug, statt wie geplant noch zwanzig Kilometer auf dem Kinzig-Radweg nach Offenburg zu radeln. Gute Wahl. Das Gewitter prasselt gerade los, als wir den Bahnhof verlassen. Anderthalb Stunden bis Freiburg. Das Umsteigen in Offenburg ist kritisch, das Fahrradabteil proppenvoll und alle wollen nach Freiburg. Das gute an einem schwer bepackten Reiserad ist, wenn es erst einmal im Zug ist, hat man seine Ruhe.

Freiburg ist eine Fahrradstadt. Nur einmal habe ich ein ähnlich hohes Radelaufkommen erlebt, nämlich in Oldenburg. Und wie jung die Stadt ist! StudentInnen so weit das Auge reicht. Ein dunkelbrauner Glasbau mit der Aufschrift UB. Unibibliothek? Parks und Musik, proppenvolle Straßencafes. Angelockt von Irish Folk-Klängen mache ich eine Pause in einem Park. Unter der notdürftig zusammengeschusterten Zeltplane fidelt ein Duo. Nur wenige Gäste auf der Wiese davor. Dennoch: die Stimmung ist gut. Ich bin gerührt, muss an meinen Tweet vom Morgen denken: Der Himmel hängt voller Flugzeuge, in denen Geigen-Orchester auf dem Weg zum nächsten Konzert sitzen. Morgens brummten tatsächlich viele Flugzeuge überm Nordelsass … Nuja, vielleicht war ja die Geige der Fidlerin mit im Flieger, schmunzele ich in mich hinein.

In der Abenddämmerung raus aus der Stadt. Vermutlich entlang des Flüsschens Dreisam. In der Open Cycle Map ist ein Radweg verzeichnet mit dem Kürzel GS. Auf Hinweisschildern erkenne ich, dass es sich um den Radweg Grüne Straße handeln muss. Perfekt. Nur noch 38 Kilometer bis zum Titisee. Mäßige Steigung, zunächst auf ehemaliger Bahntrasse, dann auf Wegen am Fluss entlang und jenseits von Kirchzarten neben der Bundesstraße. In Himmelreich frage ich bei einem Landwirt, ob er ein Zeltplätzchen für mich hat. Hat er. In einer frisch abgegrasten Obstwiese unter Apfelbaum. Leider direkt neben der Bundesstraße und zum Glück ist die Bahnlinie derzeit verwaist, denn die führt auf der anderen Seite am Zelt vorbei. Nun bin ich schon drei vier Kilometer weit geradelt. Auf die Sonne wartend. Der Smartphoneakku leert sich. Ich brauche unbedingt die Solarzelle, um den Artikel fertig zu schreiben. Der Grüne Straße Radweg verlässt hier die Bundesstraße und es wird verdammt steil. Wenn ich es recht erkenne, radele ich nun ins Höllental.

Von der Verdrossenheitsallee zur Zinsel du Nord #palsui

Drei Zugtakte ist der Tag alt. Die Sonne schiebt sich langsam über die Pappeln. Das Zelt steht am Rand eines strohgelben Stoppelfelds zwischen der Bahnlinie nach Haguenau und dem Flüsschen Zinsel du Nord, der nördlichen Zinsel. Die Hauptstraße rauscht seit Stunden, seit der Dämmerung, als ich erwachte und mich fragte, wie spät es wohl ist. Warum? Wozu Zeit? Wieder einschlief. Die beiden weltreisenden RadlerInnen, die ich gestern traf, hatten mir erzählt, dass der erste Zug um 6:20 Uhr vorbeidonnern würde. Da bin ich längst wach, hatte ich gescherzt. Es war ein schönes Schwätzchen, das wir führten am Straßenrand bei einem Weiler namens Mietesheim Gare. Drei vier Häuser, Straßenkreuzung, Bahnlinie, sonst nichts. 26 Monate sind die beiden rund um die Welt getourt mit ihren Fahrrädern, auf Schiffen, im Flieger, bis sie im März zurückkehrten. Deshalb also hatten sie mich angesprochen – ich hatte ihnen gleich gesagt, je suis pas perdu, ich hab mich nicht verirrt, aber sie verwickelten mich in ein Gespräch. Weil sie wissen, was Radreisende benötigen: einen guten Zeltplatz ein paar aufmunternde Worte, Lächeln.

Der Wasserturm sei gut. Sonnenaufgang im Zelt, sagten sie, oben bei den Maisfeldern. Schon wollten sie mich begleiten, da fiel unser aller Blick auf den Stoppelacker jenseits der Bahnlinie. Ha. Da haste auch Wasser.

Ein guter Reisetag gestern. Heiß, trocken, kein Unwetter, fast nur Radwege und kleine Landstraßen.

Schwester und Mutter machten sich Sorgen wegen der gemeldeten Unwetter und ich machte mir Gedanken zum Thema Prognosen, die gegebenenfalls eintreffen versus unwissend drauf los und die Dinge treffen mit ebenso hoher Wahrscheinlichkeit zu oder auch nicht. Das Wissen darum, was sein könnte, ist ein verflixter Ratgeber.

Zweibrücken Verdrossenheitsallee. So deprimierend, der eigentlich schöne Gehweg unter Kastanien direkt am Schwarzbach. Aber dort leben die Verdrossenen, so nenne ich sie. Menschen, die aus welchem Grund auch immer durchs Raster der Gesellschaft gerieselt sind und nun auf den Bänken sitzen oder an den Geländern zum Bach lehnend lungern, rauchen, trinken, schwatzen. Nicht unbedingt unglücklich, aber der Ort strahlt mit Wucht die Perspektivlosigkeit aus, die sich in ihnen ballt. Auch „mein“ Berber sitzt auf einer Bank, weißhaarig, mit sich selbst redend, der, dem ich immer, wenn ich ihn sehe, ein paar Münzen zustecke. Diesmal nicht. Ich bin in Gedanken längst im nächsten Supermarkt, wo ich noch zwei Reiseutensilien kaufen will: Brennspiritus zum Kochen und Kondensmilch.

Die Strecke: raus aus Zweibrücken auf dem Bahnradweg nach Hornbach, auf der Rheinlandpfalzradroute und dem Europäischen Mühlenradweg gehts über Rolbing und Dorst zum Anschluss des Radwegs Pirmasens-Bitche. Nach Bitche verlieren sich dann die Radwege, aber immerhin, die ersten 50 Kilometer fast nur Radrouten, das ist fett. Durch kühle Täler via Moutherhouse, Bärental, Zinswiller bis zum zufälligen Treffpunkt mit meinen o. g. Weltreisenden.

Menschen: Mein brabbelnder Berber, natürlich, wie zum Abschied. Ein mürrischer Radler, mit dem es beinahe einen Frontalzusammenstoß gegeben hätte, drei Gendarmen, die mich in Ruhe lassen, ein Typ, der vor offenem Kofferraum mit Schnulzenmusik an einer Reckstange Klimmzüge macht, drei Jungs, die mit dem Auto umdrehen, um mich um eine Zigarette zu bitten, ein Kerl in Zinswiller, der Kieselsteine an einen Fensterladen im ersten Stock donnert, vom Rückprall beinahe getroffen wird und immerfort ruft, François, mach auf; ein Tennisfan, der nicht weiß, wer Wimbledon gewonnen hat und statt Fußball-WM-Titel zu feiern an der Quelle in Moutherhouse Wasser zapft, er wird in die Schweiz radeln und nach Österreich, sagt er und außerdem liebe er deutsches Brot; zwei Bäckerinnen in zwei verschiedenen Bäckereien, die kein Éclair mehr haben. Ein Zwei-Sterne-Restaurant mitten im Wald, zu dem die Menschen aus Luxemburg, der Schweiz und von sonstwo ganz weit weg anreisen.

Und natürlich meine Weltreisenden, die meinen Tag abrundeten, mich sozusagen von ganz hoch oben, gesegnet mit den Weihen der großen weiten Welt, zu Bett brachten und die schon bald wieder aufbrechen, um in die Türkei zu radeln.

Für den Moment eines ewigen Hundeschwanzspitzenwedelns | #kursnord

Kennst Du das Land zwischen Sand und Sand? Es heißt Skagen, vielleicht.Kennst Du das Land zwischen Watt und Sand? Es heißt Rømø, sicher …

…okay, okay, das mit dem Dichten lässte lieber bleiben, Herr Irgendlink. Dafür gibts Spezialisten. Meisterinnen der schönen Wortform, die in der Lage sind, Wortketten in akustisch und rhythmisch gefälliger Weise zu arrangieren. Dir, Herr Irgendlink, ist es eher gegeben, skurrile Zusammenhänge oder Gegenpole zu arrangieren und dadurch ein eigenwilliges Texterlebnis in Blogform zu hacken. Worte, die sich wie eine frisch ausgehobene Schlangengrube züngelnd giftelnd dennoch wunderschön zu einem Text fügen etwa der oft schnurgeraden Straße Nummer 11 entgegenzustellen, die sich vom Norden Dänemarks bei Hanstholm und Hirtshals etwa dreihundert Kilometer nach Süden in die Stadt Tønder, nahe der deutschen Grenze zieht. Immer ein paar Kilometer vom Meer entfernt. Durchaus langweilig. Sie kann dem Erlebnis der Strecke auf dem Radweg direkt an der Küste an Schönheit in keinerlei Weise das Wasser reichen. Zwischen Thisted und Ribe läuft sie aber faszinierend schnurgerade etliche Kilometer weit und folgt den sanften Wellen des natürlich gewachsenen Bodens. Ob unter dem Gras und den jungfrischen Getreidefeldern Sand oder Fels ist? Ich weiß es nicht.

Von Skagen bis zur Insel Rømø haben wir Jütland in zweitägiger Fahrt durchquert. Das Reiseende auf naht rapid und es liegen nun noch gut zehn Stunden Fahrt vor uns bis nach Zweibrücken, um die wir uns nicht unbedingt reißen. Deutschland auf Autobahnen zu durchqueren ist ein Gemetzel. Aber so verdammt schnell.

Jenseits von Skagen, Dänemarks nördlichster Stadt endet die Straße irgendwann an einem Parkplatz mit Kiosk, WC und einer eigenartigen Busstation, an der Traktoren mit Personenanhängern in regelmäßigem Takt verkehren. Für zwanzig Kronen kann man die letzten paar Kilometer durch die Dünen in mäßigem Tempo bis zu der kleinen Sandzunge zurücklegen, auf der sich hin und wieder Robben tummeln, aber noch viel mehr Touristen. Beindruckend, wie die Wellen der Nordsee gegen die Wellen der Ostsee schlagen, vermutlich der Tide gedankt, so dass sich eine deutliche Grenze abzeichnet.

Eine Million Menschen jährlich besuchen diese, eine von Dänemarks populärsten Tourismusattraktionen. Ohne uns also nur noch 999.998, scherze ich mit Frau SoSo. Wir haben die Schuhe ausgezogen und laufen barfuß vorbei am Grab des Dichters und Malers Holger Drachmann. Das einsamste Grab Dänemarks zwischen alten Bunkern aus den Weltkriegen, die des sandigen Fundaments beraubt in Schieflage geraten sind.

Zwei drei Kilometer sind es bis zur Landzunge. Immer eine gute handvoll Touristen im Blick, die wie wir es sich nicht nehmen lassen, die letzten Meter zu Fuß zu gehen. Vor der Küste dümpeln gut zwanzig Containerschiffe, eine fantastische Skyline und wenn man weiter blickt in die Ferne, kann man weitere Schiffe erkennen, die sich grau in grau zwischen Meer und Horizont verlieren.

Eine Million Menschen jährlich und wir sind zwei davon. Täglich also etwa 3000, rechnet mein inneres Mathegenie und belässt es bei der Unschärfe. Nur wenige laufen barfuß, was mich wundert. Ein Hundchen schiebt sich ins Bild, die Nase dicht am Boden, unvorhersehbare Schlangenlinien laufend (da isses wieder, das verknüpfte Antipodenbild mit der geraden Straße 11, mach was draus, Herr Irgendlink. Oder auch nicht). Das Hundchen wedelt unentwegt mit dem Schwanz. Wir sitzen mit Blick auf einen Bunker und die Containerflotte. Ostseewellen klatschen in einem schmalen Betonschacht. Das Hundi, wir, die anderen Menschen, die es teils recht eilig haben, zur Landmarke zu wandern. Das Hundi nicht. Es trottet gemütlich dahin, Glück aus allen Poren verströmend. Gibt es etwas oder jemand glücklicheren an diesem Strand als dieses Hundi, frage ich mich. Bin ich genauso glücklich oder gar glücklicher? Frau SoSo? Die da – mit meinem imaginären Zeigefinger fächere ich über den langen Strand und zeige auf die anderen Touristen wie auf einer unsichtbaren Theaterbühne – die da vielleicht? Lässt sich Glück steigern? Gibt es ein maximales, minimales, mittelmäßiges Glück? Das Problem von uns Menschen ist, dass sich Glücksempfinden sowohl im Kopf, als auch im Körper abspielt, vermutlich wie bei jeder anderen Tierart auch, aber wir haben im Kopf stets verschiedene Gedankenschichten mitlaufen. Alltagssorgen, Wünsche, Ängste. Ein hartes über die Jahrzehnte erlerntes, zu lieben gelerntes Zeitkorsett, das unser Zusammenleben ermöglicht, tut sein Übriges. Das Hundchen zu beobachten beim einfach nur glücklich sein und nichts, nichts, aber auch garnichts zu denken ist Glück. Für den Moment eines ewigen Hundeschanzspitzenwedelns bin ich absolut glücklich. Coglücklich mit einem fremden Hund, der sich nun tollkühn anschickt, bis zum tief hängenden Bauch in die Wellen zu planschen.

Zurück zum Hirn, das mitten in meinem Kopf all das denkt, während es vom prallvollen Glücksteller einen Happen nimmt. Es denkt auch, was wohl in all den anderen vorgeht, die gerade hier angekommen sind und am Strand gen Norden flanieren. Manche haben es eilig, als wollten sie etwas abhaken. Getrieben von Alltagssorgen? Gebeutelt von Zeitnot? Hungrigen Bauchs auf die Belohnungswurst schielend im Kiosk beim Parkplatz? Das Leckeis, der Tand, all die Souveniers? An die Lieben daheim denkend, sich verpflichtet fühlend, ihnen eine Postkarte zu schicken – sicher gibt es einen speziellen Stempel in der Boutique, den man auf die frisch gekauften Karten drücken kann. So wie am Gotthard. Oder sind sie für einen Moment vollkommen leer und friedlich, so wie ich. Ein Moment nur in der beschränkten Lebensspanne, die wir haben, kann tatsächlich die Ewigkeit ersetzen, wenn es uns gelingt, nichts. Ja. Nichts. Sonst nichts.

Der nördlichste Punkt mit der züngelnden Sanddüne zwischen den Wellen. Einer der beiden Traktoren mit riesigem Anhänger steht gerade bereit zur Abfahrt und so steigen Frau SoSo und ich ein und kaufen uns den Rückweg durchs ewig rauschende Gras auf den Hügeln. Die Taschen voller Steine und Muscheln. Frau SoSo hat zudem eine geleerte schwedische Bierdose mit Sand und Muscheln gefüllt als Geschenk für einen, der es zu schätzen weiß.

Geschäftige Hektik am Parkplatz. Autos kommen und fahren. Menschen raus, Menschen rein. Man müsste das dirigieren. Welch ein Konzert, als eine Schulklasse an zwei Mülleimern mit schweren Blechdeckeln vorbeigeht und jedes Kind brav eine der Klappen hebt, das Eispapierchen oder Kaugummi hineingibt, sie wieder fallen lässt. Ich erlebe das Konzert in Stereo zwischen den Bottichen und hinten rumpelt die hölzerne Toilettentür, umschmeichelt vom Rauschen des Winds.

Schnurstracks nach Rømø, Übernachtung auf einem Zeltplatz bei Løkken (ich berichtete gestern in einem aus der Art geschlagenen Artikel, man möge mir verzeihen) und Zack, fast am südlichsten Punkt des Landes.

Rømø ist eine Perle. Der Strand im Westen ist viele hundert Meter breit. Mit dem Auto kann man über den platt gefahrenen Sand so weit ans Ufer fahren, wie man sich traut. Badesachen raus, Schirmchen, und rein ins gar nicht kalte, unendlich salzige Wasser. Toter Mann für einen ewigen Moment zwischen Hundeschwanzwedeln und dem malmenden Hin-und-Her der Gezeiten an der westlichen Wasserfront. Auf der Ostseite der Insel bietet sich ein ganz anderes Bild: Wattenmeer, das an saftige Viehweiden stößt. Harsche, etwa einen dreiviertel Meter hohe Bruchkante. Das Meer ist zurückgewichen, als wir in der Abenddämmerung von unserem Campinplatz im Süden der Insel (ich glaube, er heißt irgendwas mit Kommandant, es gibt Hütten und auch ein Hotel und er ist nicht billig), als wir auf der Bruchkante sitzen und übers schimmernde Watt blicken. Der Mond sollte bald aufgehen. Es ist 23:23 Uhr – per Internet berechnen wir den Rückweg. Zehn Stunden nochwas bis Zweibrücken für 939 Kilometer. Das sollte zu schaffen sein in zwei gemütlichen Reisetagen.