Tag 6 im Rückblick | #UmsLand Bayern

Eigentlich wollte Irgendlink heute Morgen ja das Bauernhofmuseum in Illerbeuren besuchen, musste aber feststellen, dass dieses am Montag geschlossen ist.

Also radelte er weiter südwärts, wo er sich beim Illerdurchbruch an der Burgruine Kalden in der Sonne ein wenig ausruhte.

In Kempten das große Herumirren, doch so sieht man mehr von der Stadt. Recht hat er und biegt vom Iller- auf den Allgäu-Radweg ab, der vorwiegend auf einer ehemaligen Bahntrasse Richtung Isny führt.

Beim Herrwieser Weiher, unweit einer alten Bahntrasse hinter Ahegg, hat er nun sein Zelt aufgebaut.

Mit einem Tweet Irgendlinks von heute Abend wünsche ich euch allen einen schönen Abend:
»Radwege sind die Fäden, mit denen wir die Wunden der Grenzen vernähen können.«

Das heutige Wegstück (Track) könnt ihr hier → gucken.

Oder hier (ungefähr):

Direkter Link zur Karte

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Hier nun ein paar Bilder von Irgendlinks sechstem Reisetag

Es sind die kleinen Alltäglichkeiten am Wegesrand, die mich reizen. Zum Beispiel die beiden Ziegen Tom und Jerry. Der Illerdurchbruch bei Kalden und der Schaufensterpupperich, der zu verschenken am Straßenrand stand. Großartig ist auch das Quietschen der Stahlkonstruktion von Bayerns erster Hängebrücke nahe dem Illerdurchbruch. Sie wurde in zigtausend Stunden ehrenamtlicher Arbeit errichtet, um eine Fähre zu ersetzen, die Wanderer und Radler über den Fluss brachte.

Ich kumuliere ausnahmsweise die Bildtexte und kann keine Alternativtexte schreiben für Blinde, da heute das Netz so lahm ist, dass die App öfter abstürzt. Ohnehin ist die Arbeit auf dem winzigen Smartphone-Bildschirm ein kleines Abenteuer.





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Liebe Grüße aus der Homebase
Eure Sofasophia

Von schlafenden Cowboys, Wetterbaronen und einem Hund namens Flocke | #UmsLand Bayern

Es ist verrückt, dass das Wetter unter uns Radreisenden solch ein elementares Thema ist, obwohl wir es doch nicht im geringsten beeinflussen können. Die Wettervorhersage ist eine meiner Lieblingsapps. Ich benutze grundätzlich diejenige, die im Telefon eingebaut ist und lade mir die Orte darauf, die ich in Kürze passieren werde. So kann ich stundenweise sehen, ob es regnen wird oder nicht. Denke ich zumindest. Die Wahrheit schaut natürlich viel komplizierter aus. Meine Standard-Wetterapp liefert mir quasi Wetter von der Stange. Nichts besonderes, stinknormale Prognosen, die meist nicht eintreffen. Dennoch ist mir mein Wetter lieb und teuer. Am vorgestrigen Abend sitze ich in der Küche der Ulmer Paddler und schaue Karte und Wetter und sehe, es wird regnen ab frühmorgens bis spätnachmittags. Überall. In Ulm, um Ulm und um Ulm herum. Ich brauche also gar nicht erst aufstehen und ich werde wohl einen Ulm-Spaziergang machen. Und erst nachmittags den Iller-Radweg aufwärts radeln, dachte ich mir.

Doch dann: nach einem nächtlichen Schutt aufs Zelt herrscht um acht Uhr früh Stille. Kein Plätschern. Zelt auf, rausgucken. Trüber Himmel. Die Spitze des Münsters ragt in den Dunst. Wetterapp auf. Tatsächlich. Regen ist abgesagt.

Ich habe nun zwei Wettermöglichkeiten. Die von gestern Nacht und die aktuelle Version. Woran will ich glauben?

Erst einmal einen kleinen Stadtspaziergang machen. Die Keramikerin aus Neustadt an der Eich, die mit Wohnmobil bei den Paddlern im Hof übernachtete, hatte mir vom Fischerviertel erzählt. Viel Fachwerk. Das ganz alte Ulm. Und vom Schiefen Hotel. Das schiefste Haus der Stadt steht sogar im Buch der Rekorde. Die Stadtmauer, habe ich tags zuvor gesehen, ist auch begehbar und scheint spannend. Und natürlich das Münster. Der 191 Meter hohe Turm.

In der Tat gibt es mehrere schiefe Häuser an dem Flüsschen Blau, der in Ulm in die Donau mündet. So als hätte der unglückliche Architekt aus Asterix und Kleopatra sie gebaut. Es gibt ein schmales Hotel, bei dem vermutlich keine Doppelbetten zwischen die Wände passen würden und eben das schiefe aus dem 15. Jahrhundert.

Die Pforte zum Turm des Münsters öffnet um zehn Uhr, so habe ich noch eine Weile Zeit, das Stadttreiben zu beobachten. Hundegassigänger und torkelnde Nachtschwärmer machen Schichtwechsel und in der Kirche findet ein Gottesdienst statt. Vor allen Pforten sitzen Bettler. Ab und zu kommen mir Menschen mit Brötchen entgegen und ich stelle mir ihre Spur als mathematischen Vektor vor und wenn ich die Vektoren kombiniere, kann ich berechnen, wo die Bäckereien sind. Fast wie Wetterberechnen. Vielleicht ein bisschen exakter.

Immer noch kein Regen. Ich steige auf zum Turm über schmale Wendeltreppen. Zähle anfangs die Stufen. In den dunklen Steigen mit den winzigen Gucklöchern gibt es nicht viel zu tun. Verhaspele mich. Immer wieder unterbrechen Plattformen den Aufstieg, wechselt die Drehrichtung der Treppe. Auf halber Höhe befindet sich eine Art Galerie mitten unterm Turm, in der Bilder von anderen Gotteshäusern mit Türmen weltweit zu sehen sind. Für fünf Euro Eintritt kriegt man also dreißig Kirchtürme weltweit. Ein Schnäppchen. Am Münzprägeautomat, der drei Motive bereit hält und am Ende der Galerie steht, präge ich mir das Ulmer Münster. Dann weiter aufwärts in luftige Höhen. Die letzten über hundert Stufen steigt man mitten unter der Turmspitze, die ein von Streben durchwirktes Etwas ist. Insgesamt seien es über 700 Stufen, sagt mir eine Frühsportlerin, die den Turm aus Fitnesszwecken besteigt. Manchmal kämen einem auf diesem letzten Stück, auf dem sich sowohl Auf-, als auch Abstieg befinden auch Leute mit Rucksäcken entgegen. Dann wirds eng. Weiter unten führen Auf- und Abstieg auf getrennten Wendeltreppen.

Nun bin ich mitten im Wetter. Sei dein eigener Kachelmann. Ich sehe: Dunst. Es könnte Regen geben, prognostiziere ich. Blick Richtung Iller. Dort scheint das Grau ein bisschen heller. Hoffnung.

Die Wetterprognosenindustrie ist ein Riesengeschäft. Es geht um jede Menge Geld, wenn man einen Wetterdienst betreibt, so zumindest verstehe ich die sporadischen Tweets, die der Kachelmanndienst ab und zu postet, und in denen er als eine Art Abtrünniger unter den Wetterzauberern ein paar Einblicke gibt in die Machenschaften. Wetter wird aus Daten von Wetterstationen berechnet und dann anhand von Algorithmen verschiedenster Natur als eine Prognose dargestellt. Zwei Porgnosen, zwei verschiedene Wetter. Da die Daten von den Stationen Geld kosten, kauft natürlich niemand alle Daten, die zur Verfügung stehen. Stattdessen werden Regionen, in denen man sich den Datenkauf spart einfach interpoliert. Wenn man ganz sparsam ist, kauft man sich zum Beispiel New York und Berlin und zieht dann eine gerade Linie zwischen der Hitzewelle in New York zum Unwetter in Berlin und voilà gibt man überall dazwischen ein angepasstes Symbol aus. Das Beispiel ist natürlich überzogen.

Vom Ulmer Münster melde ich: Regen vielleicht und eine Temperatur zwischen zehn und zwanzig Grad. Ich bin der Wetterbaron des Ulmer Münsters.

Torkelnd vom Drehwurm der Wendeltreppen komme ich unten wieder auf den Markt und frage mich, ob die vermeintlichen Nachtschwärmer, die ich zuvor gesehen habe, nicht vielleicht doch nur oben auf dem Turm waren.

Gegen Mittag schwinge ich mich auf den Iller-Radweg. Meist auf dem Damm am Fluss geht es auf Kieswegen durch Wald flussaufwärts. Es könnte eine langweilige Angelegenheit werden, so wie am Tag zuvor an der Donau. Nur, dass ich meist direkt am Fluss bin und der bietet Abwechslung in Form von zig Wehren, über die die Wassermassen des vielleicht fünfzig Meter breiten Kanals hinabstürzen. Alle paarhundert Meter solch ein Wehr und daneben auch eine Parkbank, um es zu betrachten. Die Iller fließt in Terrassen. Man hat viel Zeit zum Nachdenken über sich, die Tour, die Umgebung, den ganzen Rest. Ist der eigene Lebensstrom nicht auch so eine Art Terrassenfluss? Von Mal zu Mal schwingt man sich eine Stufe höher, erlangt mehr Weisheit, gewinnt Erkenntnisse. Der Vergleich ist ausbaufähig, aber die Kälte von etwa zehn bis zwanzig Grad setzt mir zu und ich mische mich mit der Tristesse des Himmels und sehne mich nach mehr Abwechslung. Aber das ist auch kein Problem. Man muss den Flussweg nur verlassen und findet sich auf Bypass-Radwegen auf ruhigen Straßen wieder auf dem Weg durch die Dörfer und Städte. In Illertissen entere ich eine riesige Backhaus-Halle, ein moderner verglaster Bau mit sechs oder zehn Meter hohem Gastraum. Voller Sonntagskaffeeschlürfvolk. An einem einsamen Tisch sitzt ein Cowboy, ein Typ mit echtem Cowboyhut und Stiefeln, zusammengesunken, schlafend. Vor ihm auf dem Tisch steht ein Bier. Ich gönne mir ein Stück Himbeertorte und Kaffee und setze mich an den Tisch nebenan; und schlafe prompt auch ein. Was bin ich elend müde und das Gemurmel des Kaffeevolks hat so eine beruhigende, beinahe hypnotische Wirkung.

Erst als jemand in der offenen Schiebetür Scheiße ruft, hinausgeht, sich auf sein klappriges Rad setzt und in den Regen radelt, werde ich wieder wach. Regen also. Dann doch. Kachelmann und ich und die Wetterindustrie hatten also recht. Ein guter Fahrregen. Die Autoscheibenwischer stehen auf langsamem Intervall. Regenjacke ist zwar angezeigt, aber nicht zwingend nötig.

Nahe Memmingen begegne ich einem Mann, dessen weißer Pudel Flocke heißt, und er verstrickt mich in ein höchst interessantes Gespräch zur Landesgrenze. Wir laufen auf der Baden-Württemberger Seite ein Stück nebeneinander. Denke ich. Aber nein nein, sagt er, die Grenze verläuft hier völlig chaotisch, wir sind in Bayern und er macht eine Zick-Zack-Handbewegung. Drüben ist auch Baden-Württemberg und hüben ist auch Bayern. Die Grenze verläuft da, wo der Fluss früher war.

Ein Pandominium der besonderen Art, von Menschen entpandominisiert, sozusagen, aber das ist nur meine saloppe Einschätzung.

Ab Buxheim, also in der Memminger Gegend, nimmt das Illertal endlich eine liebliche Form an. Bei Aitrach quartiere ich mich auf dem Campingplatz ein. Einziger Gast auf der Zeltplatzwiese. Zum Essen gehts zum Steirer Brukwirt im nächsten Dorf. Ein kulinarischer Spießrutenlauf, denn jeden ersten Sonntag im Monat ist hier Musikantenstadel angesagt. Quetschkommode und Gesang, hie und da ein Blechbläser. Das Lied Aber dennoch hat sich Bolle wird angestimmt und zum Glück muss ich nicht im proppenvollen Hauptraum essen, sondern komme nebenan bei den Keglern unter. Ein kühles Bier und ein Gericht von der Steirer-Karte (es gibt auch eine schwäbische Karte und die Schnipo-Klassiker) und ein Blick aus dem Fenster in die Dämmerung: es könnte Regen geben.

Tag 5 im Rückblick | #UmsLand Bayern

Irgendlink hat heute erneut einen Loop gemacht. Um Ulm rum. Und auf Ulm rauf. Will heißen auf den Turm des Münsters. Danach hat er sich weiter südlich, wieder – wie gestern – an die Iller, geschafft, wo er vor dem Regen und der Müdigkeit ins Backhaus Häussler in Illertissen geflüchtet ist. Dort hat er von einem rosa Tortenstück geträumt, das, als er aus seinem Nickerchen aufgewacht ist, plötzlich vor ihm stand.

Derart frisch gestärkt machte er sich auf die Suche nach Jedesheim. Weil das so gut zu seinem Namen passt. Irgendlink in Jedesheim – hat was.

Nun hat er sich auf dem Campingplatz in Aitrach eingerichtet – einträchtig hoffe ich – und macht sich im Dorf auf die Suche nach etwas Essbarem.

Das heutige Wegstück (Track) könnt ihr hier → gucken.

Oder hier (ungefähr):

Direkter Link zur Karte

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Hier nun ein paar Bilder von Irgendlinks fünf Reisetag

Beim Aufstieg zum Ulmer Münster Turm.Blick von oben auf das Satteldach einer Kirche und zwei Lirchtürme. Im Hintergrund das Häusermeer der Stadt.

Kloster Wiblingen bei UlmPanoramabild eines strengen Klostrrgebäudes mit zentralem dreifach Turm.

Die ersten Allgäuer Braunen, schönste Kühe der Welt, sagte man mir.Eine braune Kuh wendet den Kopf nach rechts. Sie trägt einen Nasenring.

Irgendlink in Jedesheim.Radler posiert mit Fahrrad vor dem Ortsschild von Jedesheim.

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Eure Sofasophia

Bei den Paddlern von Ulm | #Umsland Bayern

Wie fühlt sich eigentlich der Weg an? Mehrere Tage radelnd, eine Woche oder gar mehrere Wochen am Stück vom Ausgangspunkt bis zum Ziel. Hinterher wird es immer ein wunderbares Abenteuer gewesen sein. Ich glaube, unser Erinnerungsvermögen tickt so. Es blendet die weniger schönen Etappen einfach aus und was bleibt und im eigenen Tourgeschichtsbuch steht, sind die Blitzlichter der Reise. Ihr hättet dabei sein sollen, als ich am gestrigen Samstag auf dem Donauradweg von Dillingen nach Ulm radelte. Etwa vierzig Kilometer. Der Donauradweg ist ja ein touristischer Mythos. Vielfach prämiert. Und er ist tatsächlich ein Zuckerstückchen. Fast autofrei. Perfekte Infrastruktur. Von den Übernachtungsmöglichkeiten, Restaurants bis hin zu Infotafeln an den Ortsrändern, die den Radlerinnen und Radlern alles verraten, was für sie nötig ist. Reparaturstellen, Fahrradläden, Bed & Bike-Unterkünfte, Sehenswertes.

Aber Infrastruktur und guter Ruf sind schnell verspielt, wenn man endlose Kilometer auf einem Schotterweg durch dichten Auwald radelt. Der tristgraue Himmel dimmt die Stimung zusätzlich. Kurzum, das gefühlt über zehn Kilometer lange Stück durch den Wald um Günzburg geriet gestern zu einer elenden Schinderei. Eine Weile noch erfreute ich mich an den Erinnerungen ans quirlige Lauingen. Den ziemlich schief wirkenden, über fünfzig Meter hohen bunt bemalten Schimmelturm, das Albert Magnus-Denkmal und die mannshohe Polyester-Eistüte auf dem Marktplatz, garniert von Käse- und Wurststand-Markttreiben.

Ein quadratischer Turm mit rundem Dach neben einer Durchfahrtstraße, die von Häusern gesäumt ist.
Der Schimmelturm in Lauingen

Doch dann? Ringsum nur noch dichter Wald, einzig gelindert von ab und zuen Passagen auf dem Donaudamm. Alle zweihundert Meter ein halbmeter breites Blechschild mit den Flusskilometern bis zum Schwarzen Meer. Wir befinden uns bei Zweitausendfünfhundert-nochwas. Wenn man die alle nebeneinander legt, hat man eine Fläche von 0,5 mal 0,2 Meter mal fünf mal Zweitausendfünfhundertnochwas mit Stahl bedeckt. Wenn die Schilder denn durchgehend in einer Frequenz wie in dieser Gegend aufgestellt sind. Aber vielleicht stehen sie ja nur hier, um dem tristen Flussreisenden, moi-même, eine Rechenaufgabe zu geben, während er knirschenden Reifens durchs Dickicht radelt? In meiner Not stoppe ich bei jedem Hochsitz und fotografiere ihn und fluche, warum stehen hier nicht alle paar Kilometer Skulpturen im Wald. Ein Opel Manta mit Teufelsrochenschwingen zum Beispiel, ein Ufo, barocke Putten, Einhörner oder Hundefänger’sche Kreise. Warum nicht? Waruuum, schallt es imaginär. Ich werd‘ noch irre. Erst bei den beiden Elchingens, Ober- und Unter-, kommt man wieder aus dem Wald. Gleich ein Baggersee. Ich erwäge ein Bad. Da habe ich längst mein Inputs-Hungertuch bis zur Gänze ausgenagt. Die skurrile Baustellentür an einer Gerüstbaustelle nahe Lauingen zum Beispiel, das Bild ist im Artikel zuvor zu finden, oder die Ruine eines Römertempels in einem Wohngebiet. Ich weiß nicht, ob ich ohne die Erinnerung an diese Abwechslungen den Wald um Günzburg überstanden hätte.

Ich übertreibe natürlich. Die triste Vorregenstimmung macht mich unleidig. Aber das ist genau das Thema des Langstreckenreisens über mehrere Tage oder gar Wochen. Der Weg bietet harte, unbarmherzige Abschnitte, die von Rosinen durchsetzt sind. Manchmal sind diese Rosinen irgendwelche von Menschen für Menschen gemachte Dinge, Museen, Orte, Schönheiten, manchmal naturgeschaffene Wunder, Baumruinen, Wasserfälle, Hexenfelsen, manchmal auch Menschen selbst, wie etwa Franzisco aus Brasilien. Vor einer in die Stadtmauer eingelassenen Phalanx aus Bronzetafeln steht er mit seinem klapprigen Sperrmüllrad und schaut sich die vielleicht zwanzig Tafeln an. Besonders fasziniert ihn die, auf der Brasilien abgebildet ist. Dort kommt er her. Aus São Paulo. Direkt unter der Stelle, an der São Paulo liegt, ist auf der bronzenen Landkarte der Ort Entre Ríos eingezeichnet. Das Ensemble an Tafeln zeigt die Oyssée der Donau-Schwaben in alle Welt, die getrieben von Not und durch Vertreibung ihre Heimat verlassen mussten und sich an fernen Orten im Banat, in Australien, in Ulm/USA und sonstwo eine neue Existenz aufbauen mussten.

Es ist zum Heulen, dieser Tage Naziaufmärsche en gros erleben zu müssen und an dieser Stelle ein Monument der Vertreibung und Flucht der eigenen Landsleute ebendieser Nazis zu sehen.

Franzisco ist seit einigen Monaten im Land. Er kam in der Hitze und wunderte sich, dass das Klima ziemlich ähnlich ist, wie bei ihm in São Paulo. Er hatte Schnee erwartet. Er hat noch nie Schnee gesehen. Das wirst Du, sage ich. Der Winter ist nah in Kaltland, wirf einen Schneeball für mich.

Gegen Abend habe ich also das Dickicht um Günzburg gemeistert und konnte die Tristesse aus meinem Innern vertreiben. Am Abzweig zum Iller-Radweg steht eine Infotafel. Rüber über die Radlerbrücke, den Fluss entlang. Die Iller kommt dann schon. Problem: der Iller-Radweg ist gesperrt. Rot-weißes Band, niedergetrampelt. Ein Radler kommt aus der Sperrung. Der Sturm vor drei Tagen habe den Wald zerfetzt, man komme vielleicht durch. Also riskiere ich es. Übersät mit Zweigen und Laub ist die Schotterpiste. Einmal muss ich das Rad tragen. Ab Iller-Kilometer 1,6 wird es besser. Zeltplatzsuche. Frage einen entgegenjoggenden Jungen, ob es weiter oben gute Zeltmöglichkeiten gibt und er sagt, komm mit. Zwei Kilometer bei den Paddlern von Ulm. Und so kam es, dass ich zurück fuhr zur Donau und mich im hießigen Kanuverein einmietete – neben zwei anderen Radlerzelten – und in der ziemlich unaufgeräumten Küche des Vereinsheims, an der Steckdose hängend, diesen Artikel schreibe. Der Kühlschrank surrt und vorhin schwätzte ich mit einer Keramikerin, die morgen einen Marktstand betreibt und an ihr und am Kühkschranksurren werde ich mich festklammern, wenn ich mal wieder kilometerweit durch dichten Wald radeln muss.

Tag 4 im Rückblick | #UmsLand Bayern

Heute ist Irgendlink von Katzenstein zur Donau bei Dillingen geradelt, an Günzburg vorbei immer der Donau entlang nach Ulm.

Als er bereits an Ulm vorbei war, traf er einen joggenden Paddler, der ihm als Nachtlager die Wiese des Paddelclubs als Lagerplatz empfahl. Darum ist er wieder zwei Kilometer die Iller aufwärts gefahren, zurück nach Ulm – was den Iller-Loop im Track erklärt.

So zeltet Irgendlink also heute Nacht für 9 Euro auf dem Zeltplatz der Ulmer Paddlerinnen und Paddler. Dusche, Badehaus und das Hintergrundrauschen von Stadt und Donau inklusive.

Das heutige Wegstück (Track) könnt ihr hier → gucken.

Oder hier (ungefähr):

Direkter Link zur Karte

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Hier nun ein paar Bilder von Irgendlinks viertem Reisetag:

Ein Brautpaar beim Fotoshooting blockiert den Donau-Härtsfeld-Radweg  bei Wittislingen. Ich muss die friedvolle Szene auf der Wiese umfahren und wünsche ihnen Glück.Bräutigam der Braut zugewandt mit dem Rücken zum Betrachter. Daneben die Fotografin.

Ein eingerüstetes Haus außerhalb Lauingens mit viel Schwarz-Rot-Gold markiert. Die ungewöhnliche Bautür wird einfließen in meine Serie verrammelter Türen mit dem Titel ‚Du kommst hier nicht rein‘.Abgesperrte Baustelle. Die Bauzäune und die Tür sind in Deutschlandfarben markiert.

Eine Begegnug mit einem lebensgroßen Ernst Thälmann in einem Natursteinwerk. Auch Stalin tummelt sich dort, sowie Elefanten und hunderte Grabsteinrohlinge.Braune, lebensgroße Statue auf Sockel mit Inschrift Ernst Thälmann. Im Hintergrund ein Verwaltungsflachbau.

Zwischen Lauingen bis weit westlich von Günzburg führt der Donauradweg kilometerweit durch dichten Auwald. Eine mühsame Schinderei ohne kulturellen Input. In meiner Not besichtige ich jeden Hochsitz, den ich am Weg sehe. Gut für die Kanzel-Serie.Ein Hochsitz auf einem kleinen Stück frisch geeggtem Agrarland, umgeben von Wald.

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Liebe Grüße aus der Homebase
Eure Sofasophia