Straße nach Gibraltar 018

In diesen Minuten, in denen ich die Worte schreibe, ist es beinahe sechs Jahre her, dass ich in der Flüsterecke des Tempels der tausend Buddhas meditierte. Die Zeit rennt, tickitick, tickitick, tickitickt tick-tick. Und niemals steht sie still.  Ich erinnere mich, ich döste, hatte die beine übereinander geschlagen, lehnte in der Parabolkuppel. Mit der Hand schmeichelte ich mein Kinn, wie ich es seither wohl tausendmal getan habe, und ich blinzelte in die Sonne, wie ich es jeden Frühling zu tun pflege. Ich streckte die Füße und reckte die Arme, fast so, als läge ich im Bett. Das ist eine ganz normale, morgendliche Verrichtung. Ich gähnte. Dann erhob ich mich und lief auf der Ostseite um den Tempel herum zurück zu der Stelle, an der mein Fahrrad lehnte. Der spielende Junge saß auf einem Sandhaufen und fummelte an seinem ferngesteuerten Auto. Vor seinen Füßen lagen geborstene Kunststoffstücke. Die Fernsteuerung lag neben meinem Fahrrad. Ich lächelte ihm hilflos zu. Zwei Mädchen trugen einen Bottich zum Seiteneingang des Tempels. Schon war ich versucht meine Sachen zu packen und abzureisen, da besann ich mich, denn der Bottich schien sehr schwer. Ich lief ihnen hinterher. In der Tat schleppten sie etwa 100 Liter Wasser. Das ist für jede 50 kg. Ich packte mit an. Das Wasser schwappte. Wir gelangten durch einen Sourvenirsshop in das Innere des Tempels. Wir schütteten den Bottich in eine gusseiserne Badewanne. Es dampfte und die Wärme schlug uns ins Gesicht. Die geschwungenen mächtigen Füße der Wanne waren beeindruckend. Wer wohl darin baden würde? Buddha?

Die Mädchen lächelten, aber sie schwiegen. Vielleicht, so fragte ich mich, haben die hier ein Schweigegelübde abgelegt? Ich sollte eines Besseren belehrt werden.

Wieder hinaus in den Souvenirsshop. An Ständern hingen bunte Tücher. Auf der Verkaufstheke gab es kitschige Postkarten mit Kühen vorm Tempel und solche mit exorbitantem Himmel, in welchem durch ein Wolkenloch goldene Strahlen fielen auf den heiligen Ort. Die Mädchen waren mir gefolgt und standen nun am Verkaufstresen. Ein bisschen kam ich mir vor wie ein Schurke. Das Bewusstsein, von den Shopinhabern beäugt zu werden, machte ein Gefühl wachsen, welches ich nur selten habe. Wenn man sich beobachtet fühlt, kommt man sich manchmal vor, als hätte man etwas ausgefressen. Vorsichtig stöberte ich in bunten indischen Tüchern, die an meterhohen Ständern aufgehängt waren, hinüber zu einem Regal mit kleinen Plastikkugeln, in denen Tiere auf Wiesen standen, allesamt aus Plastik, und das Wasser in den Kugeln beinhaltete kleine bunte Stückchen, die aussahen wie Blütenblätter. Ich drehte eine Kugel um und es regnete Blüten.

Dann drangen Stimmen aus dem Raum, in den wir das Wasser getragen hatten. Die Mädchen waren verschwunden. Ich war mutterseelenallein in diesem Laden voller Kitsch. Wenn ich gewollt hätte, hätte ich den Shop ungestört plündern können. Weiß nicht, was mich geritten hat, zur Badezimmertüre zu gehen, sie einen Spalt weit aufzustoßen, hineinzuschauen. Wie an einer Höhlenwand zeichnete sich die Badewanne als Schatten. Bis auf wenige Grad war mir der Blick in den Raum verborgen. Etwas blockierte die Tür, so dass ich durch den Spalt nur zweidimensionale, dunkle Umrisse auf der gelben Wand sehen konnte. Die Mädchen sangen spanische Lieder. Soviel konnte ich von der fremden Sprache verstehen. Offensichtlich hatten sie sich nicht getraut, mich anzusprechen, weil sie vermuteten, dass ich ein Deutscher bin, auf gar keinen Fall spanisch sprechen würde? Die Szene war mystisch. Ein Paravent war als schwarze Fläche zu erkennen, über welche die Köpfe herauslugten. Kleider flogen in hohem Bogen durchs Bild auf der Wand. Man hörte sie fallen. Die Mädchen kamen hinter dem Paravent hervor und stiegen in die Wanne. Ihre nackten Silhouetten wirkten wie griechische Statuen. Sie redeten und lachten, planschten und lehnten sich schließlich jede auf eine Seite der Wanne, so dass die Figur an der Wand aussah wie die Mondscheibe, kurz nach Neumond.

Ich weiß nicht, wieviele Minuten ich in voyeuristischer Weise das seltsame grau-gelbe Bild beobachtete. Ich war vollkommen ruhig und hatte keinerlei Scheu es zu tun. Für einen Moment überlegte ich, die Türe aufzudrücken und hinein zu gehen und zu fragen, ob ich mit in diese Badewanne steigen dürfte, aber das Bild an der Wand war so innig und wollte nicht gestört werden. Aus meiner Tasche kramte ich 10 Franc, legte sie auf den Tresen und nahm im Vorbeigehen eine Kunststoffkugel aus dem Regal. Hinaus in den Park hinüber zum Jungen, welcher weinend über seinem Auto saß. Auf zum Fahrrad. Mit wenigen Handgriffen war es startklar.

Hinaus in die reale Welt auf die D 994.

Straße nach Gibraltar 017 – Tempel der 1000 Buddhas

Karfreitag, 21. April 2000
Ich verirrte mich in Autun, fand mich mitten im morgendlichen Gewimmel vor einer Römerruine wieder. Überall in der Stadt findet man die Überreste dieser uralten Kultur. Kleinlaster quälten sich hupend im Stau, belieferten Läden. Alle Geschäfte waren geöffnet. Das wunderte mich. Aber in Frankreich findet man fast immer einen offenen Laden. Vermutlich würde die Hektik bis Mittag anhalten. Dann würden die Menschen sich in das Osterwochenende begeben. Ich kaufte Lebensmittel für insgesamt drei Tage. Wasser, welches das schwerste Transportgut des Radreisenden ist, pflegte ich mir bei Bedarf in Privathäusern und an Tankstellen zu erbetteln. Auch in sauberen Rinnsälern oder den Wasserhähnen auf Friedhöfen konnte man Wasser finden. Die N81 war die Hölle. Ich folgte ihr lange 27 km bis Entang sur Arroux. Dann über die D 927, erträglich und gemächlich, das Tal verlassend bis zu einem mit Beauvoir gekennzeichneten Aussichtspunkt. Die Umgebung war pittoresk. Die Sonne schien. Sie brannte regelrecht. Stahlblauer Himmel, schneeweiße Schönwetterwolken. Da ich keine Sonnenmilch dabei hatte, zog ich trotz Hitze, nach wenigen Minuten meine Jacke wieder an, streifte die Ärnel herunter. Der Schutz meiner Nase war unmöglich. Müde kurbelte ich durch St. Didier, wo ein Schild auf einen Temple des Mille Bouddhas hinwies, den Tempel der tausend Buddhas. Bizarr. Ich stellte mir eine riesige Pagode mitten in den saftigen zentralfranzösischen Wiesen vor, aus der man mantrische Formeln murmeln hörte und kahlköpfige Kerle, die die Weisheit des Universums in sich trugen, lächelten mild im Garten. Dort musste ich hin. Ich durchquerte Rapsfelder und Weiden, die mit Stacheldraht und Hecken umgeben waren. Für ein paar hundert Meter steuerte ich das Fahrrad auf die linke Straßenseite: „Jaaa, so ist es! Das ist Irland, und dort vorne hinter der Kurve ist der nächste Pub. Ich werde mein Fahrrad an die Wand lehnen und hineingehen. In der Ecke wird ein Fernseher laufen und eine Hurling-Veranstaltung übertragen. In der Mitte ein Billardtisch, drei Zapfhähne, einer mit Guinnes, einer mit Kilkenny, einer mit Harp. Am Tresen drei vier Typen, die einen sofort in ein Gespräch über das Wetter verstricken.“ Das Geheimnis an den irischen Wettersmalltalks ist, sie werden nie langweilig, da sich das Wetter von Minute zu Minute ändert.
Als ich aus meinem Traum erwachte, war die Straße immer noch gähnend leer. Ich hatte ein gutes Händchen, diese Seitenroute zu wählen, nach dem Debakel zuvor mit der Nationalstraße. Es gibt kaum etwas Traumhafteres, als eine leere, gut geteerte Straße bei schönem Wetter und Windstille in einer schönen Landschaft. Das ist der Stoff, der die Träume produziert.
In verschwommener, glückseliger Stimmung stand plötzlich das Kloster der Tausend Buddhas vor mir. Ungefähr so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Über einen feinen Kiesweg gelangt man in einen Garten und von dort in den halb offenen Hof, welcher von fernöstlichen Gebäuden umrandet wird. Erschöpft und hungrig setzte ich mich auf eine Bank im Garten. Schaute nach Süden. Die Sonne hatte eine unheimliche Kraft. Eine feine Brise verhinderte, dass ich spürte, wie meine Nase verbrennt. Rechts von mir war die Tempelanlage. Links eine Baustelle, in der entweder ein Garten angelegt werden sollte, oder womöglich ein neuer, noch größerer Tempel. Einige Gräben ließen vermuten, dass es sich um den Aushub von Fundamenten handelte. Ein Kind spielte mit einem ferngesteuerten Auto. Das Jaulen des Elektromotors verpuffte in der Stille. Mal saußte das Auto zu mir herüber, um in einer rasanten Wende gerade noch die Kurve zu kratzen, mit voller Geschwindigkeit gegen einen Erdhaufen zu rennen, sich zu überschlagen und wieder auf die Räder zu kommen. Ich belegte ein Stück frisches Baguette aus einer Autuner Boulangerie mit Käse, den ich am Stadtrand in einem großen Supermarkt gekauft hatte. Der Wind frischte auf und der Schweiß auf meiner Haut kühlte immens. Ich stand auf, das Brot in der Hand und spazierte zum Tempel. Die Tür stand offen. Zwei Mönche liefen, wie Störche im Kreis. Ich erinnerte mich meiner ersten, schmerzhaften Erfahrung zenistischer Meditation. Die beiden befanden sich offnesichtlich in der Pause zwischen zwei meditativen Sitzungen. Sie lockerten die Knochen, der, im Lotussitz, verschränkten Schenkel. Keine Ahnung, wie lange sie zuvor gekniet haben mochten und an eine Wand gestarrt und dabei an nichts, absolut gar nichts gedacht haben. Ich habe diese Tortur nur ein paar Mal für etwa 10 bis 20 Minuten durchgemacht. Gemeinsam mit dem Mainzer Maler S., meinem Meister. Wir saßen in seiner Wohnung und knieten auf Kissen. Vor uns die Wand. Die Hände nicht wie im christlichen Gebet gefaltet, aber verschränkt. Wir atmeten tief ein und tief aus tief ein und tief aus …. Schweigen. Man könne, wenn man diese Art der Meditation beherrscht, durchaus die Wand durchdringen, allein Kraft seines Geistes und sehen, was auf der Straße passiert. Ich sah eine Wand, zehn Minuten lang. Meine Beine, schmerzten. Krampfadern machten mir zu schaffen. Der Maler sagte, „das ist nicht schlimm, du wirst lernen, den Schmerz zu besiegen.“ Nach etwa fünf Minuten waren die Beine eingeschlafen und ich spürte keinen Schmerz mehr. Nach ewiger Zeit war mir, als hätte ich eine Frau mit einem Kinderwagen, durch die Wand hindurch auf dem Gehweg gesehen. Ich verscheuchte den Gedanken, denn man soll nicht denken, um zu verstehen. Außerdem befanden wir uns im dritten Stock.
Die meditative Pause, in der sich nun auch meine beiden Mönche, hier im Kloster der tausend Buddhas befanden, war eine echte Wohltat. Nach und nach kommt auf diesem Rundgang das Gefühl in die tauben Beine zurück. Die Beiden sahen so aus, als meditierten sie schon seit Jahren und nichts, absolut nichts könne ihnen Schmerzen bereiten oder die Schenkel  lähmen. Ich stand in der Tür und schmatzte mein Brot. Sie schienen mich nicht zu bemerken, machten in keiner Weise Anstalten, die Köpfe zu drehen, versunken liefen sie im Kreis. Die Vermutung, sie sind nun eins mit dem Universum, berauschte mich, wie der gesamte Ort eine erlösende Wirkung auf mich hatte. Hier her zu kommen und zu bleiben, ein Mitglied dieser weisen Gemeinde zu werden, muss das nicht sein, wie nach Jahren des Kampfes, des Schmutzes, der zehrenden Auseinandersetzung endlich in Sicherheit zu sein? Als Reisender ist man, rein körperlich gesehen, in einer gerade konträren Verfassung als als Meditierender. Die Außenwelt prasselt mit ungeheurer Wucht auf einen ein und man erlebt hinter jeder Häuserecke und hinter jeder Kurve etwas Neues. Flüchtige Begegnungen, mit wem auch immer, sind wie der Knall eines implodierenden Sternenhaufens. In kürzester Zeit schleusen sich die Geschichten derjenigen, denen du begegnest durch dein Bewusstsein.
Insgeheim fasste ich den Tempel der tausend Buddhas zu einer solchen implosionsartigen Begegnung zusammen. Die optischen, akustischen und olfaktorischen Eindrücke kreierten mir ein Bild, das gewiss nicht ganz richtig ist. Aber es hat Bestand.
Es roch nach Vanille und ich folgte dem Duft um den Bettempel herum durch eine von Säulen getragene Passage in den Hinterteil des Gartens. Von winzigen, vielleicht in diesem Frühling angelegten Thujahecken wurde ich durch eine Art Irrgarten geleitet bis zu einem 25 Meter breiten, kreisrunden Zentrum. Dort befanden sich zwei Sitzgelegenheiten aus dunklem Holz, hinter denen jeweils eine parabolisch gekrümmte Kuppel platziert war. Eine Flüsterecke inmitten des Labyrinths. Liebende könnten den Weg hierhersuchen und sich einander gegenüber setzen und, aller Entfernung zum Trotz, flüsternd über die Köpfe der Passanten hinweg miteinander sprechen. Ich lief zum südlichen Flüsterplatz und setzte mich in den Schatten des Parabolspiegels. Die eiskalte Sitzfläche bereitete mir Schmerzen, aber deutlich konnte ich den gegenüberliegenden Flüsterplatz im grellen Sonnenlich sehen.
Er war leer.

Straße nach Gibraltar 016

anfang (Bild, Link entfernt 2016-11-26)

Es ist mir bis heute ein Rätsel, warum Menschen langjährige Beziehungen eingehen. Es ist mir ein ebenso großes Rätsel, warum Menschen, die in einer langjährigen Beziehung leben, sich trennen. Die Liebe ist ein paradoxer Zustand. des Nichtwollens. Sie ist ein Ort der Ruhe. An den Rändern der Liebe entstehen Turbulenzen, die erhebliche Kräfte freisetzen. Stets sind es Grenzgebiete, in denen die schlimmsten Kräfte wüten. (Michel P., Chanteur Cycliste)

Am 3.  April 1994 schien die Sonne im Pariser Parque de la Villette. Eine riesige silberne Kuppel, in der sich ein Museum befindet, glänzte mit den knallrot gestrichenen Metallskulpturen, die überall verteilt waren um die Wette. Auf den Wiesen lagen Liebespaare. Ich beobachtete die Szenerie. Besonders der Geschmack internationalen Staunens, welches sich hier aus touristischen oder geschäftlichen Gründen versammelte hatte es mir angetan. Nachdem ich eine Weile im Park umher spaziert war und den besonderen Architekturen-Mix angeschaut hatte, ließ ich mich auf einer Betonbank nieder, die durch eine Kuppel gegen den Lärm spielender Kinder abgeschirmt war. Die Kuppel hatte obendrein den Vorteil, dass sie die kräftige Frühlingssonne bündelte und um die Mittagszeit gut aufgeheizt war. In dieser wohligen Wärme döste ich. Die Stimmen der Umgebung verschwammen. Touristen und Kleinfamilien und Geschäftsleute liefen an mir vorrüber. Plötzlich hörte ich ein leises Geräusch aus dem Nichts: „Pssst!“, machte es. Verwundert schaute ich auf. Der Ursprung des Geräuschs war nicht zu orten. „Psssst!“ Da! Schon wieder. In der schrägen Sonne konnte ich nicht erkennen, wer da auf dem Weg vor mir steht und mich an-pssstet. Vielleicht war das Psst auch gar nicht für mich bestimmt? Ich lehnte mich zurück und schloss die Augen. Erneut drang ein Pssst in mein Ohr, diesmal gefolgt von einem leisen: „Ja, duda, mit dem roten Rucksack.“ Ich schaute auf meinen Rucksack, er war rot. „Nu schau nicht so,“ sagte die Stimme, „hier bin ich.“ Es schien, als kämen die Worte direkt aus der Kuppel hinter mir, aber das war doch nicht möglich. Vielleicht machten sich einige Kinder einen Spaß? Ein steter Strom von Menschen lief an mir vorbei. Keiner von ihnen stand auch nur für einen Moment still. Schon war ich versucht, aufzustehen, und die vermeintlichen Scherzbolde hinter meinem Sitzplatz zu überraschen, da flüsterte es erneut: „Hier bin ich.“- „Wo?“ fragte ich. „Na hier, gegenüber. Wenn Du Deine Sonnenbrille aufziehst, dann kannst Du mich sehen.“ Die Sonne erschwerte meine Sicht ungemein. Die Menschen, die an mir vorüber zogen, nahm ich nur als Schatten wahr. Vorhin hatte ich mir vorgestellt, wenn sie schnell genug an mir vorbeirennen würden, entstünde vielleicht ein Stroboskopeffekt durch ihre langen Schatten. Die Luft würde flimmern und wenn ich zur Epilepsie neigen würde, könnte ich einen Anfall erleiden. Aber sie zogen ruhig wie ein Fluss am Ende seiner Reise. Auch mit Sonnenbrille, war der Ursprung der Psst-Stimme nicht zu orten. Ich hielt die Hand über die Stirn, aber da war niemand. „Ja, richtig! Du schaust genau in meine Richtung“, sagte die Unsichtbare, „vielleicht hättest Du Lust, einen Kaffee mit mir zu trinken.“
Das war aufregend. Eine unsichtbare, geheimnisvolle Stimme, vermutlich eine Frau, forderte mich zu einem Tete a Tete, mitten in Paris. „Wenn ich wüsste, wer und wo du bist, dann würde ich das vielleicht tun.“ sagte ich. „Warum so ängstlich? Du siehst gar nicht aus, als könnte dich das Unbekannte bremsen.“
„Wer bist Du?“ fragte ich.
„S.“sagte sie.
Wir stellten uns einander vor. Die Situation war grotesk. Für einen Moment dachte ich, ich wäre vielleicht verrückt. Es muss ein bizarrer Anblick gewesen sein: Ein Mann mit rotem Rucksack und Sonnenbrille reckt den Kopf hektisch wie ein Huhn und führt dabei Selbstgespräche.
„Liebe S.,“ sagte ich, „natürlich würde ich gerne einen Kaffee mit dir trinken, aber sei mir nicht böse, ich weiß gar nicht, ob du existierst. Vielleicht bin ich verrückt und denke mir dich nur aus? Könnte ja gut möglich sein, so lange alleine unterwegs.“
„Ich versichere dir, du bist nicht verrückt, mich gibt es wirklich.“
„Wo bist du?“
„Ich bin genau gegenüber, nur 20 Meter entfernt.“
„Das ist nicht möglich,“ sagte ich, „wir flüstern. Du bist eine Phantasie, eine schleierhafte Figur jenseits der Schatten.“
„Was für dich Schatten ist, ist für mich Licht, was für dich Wärme ist, ist für mich Kälte. Es kommt immer auf den Standpunkt an. Wichtig ist doch, dass wir miteinander reden. Unsere Worte sind von beiden Seiten gleich. Sie lügen nicht.“
Plötzlich blieb es still. Das Geräusch von Schuhen aller Art auf dem Weg vor mir. Die Schatten flimmerten. Ich war allein.
„Hallo?“ fragte ich.
Nichts.
„Hallo, …, bist du noch da?“
Die Zeit verging. Stille. Ein Kind boltzte einen feuerroten Ball quer über den Weg. Wie ein Blitz flog er nur wenige Zentimeter an meinem Kopf vorbei. Ich schaute nach hinten. Der Ball wirkte surreal auf der frischen grünen Wiese. Als ich den Kopf wieder nach vorne drehte, stand ein riesiger, langbeiniger Schatten vor mir. Sie reichte mir ihre kühle Hand und sagte: „Pssst!“
„Gehn wir Kaffee trinken,“ sagte ich.

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Spamfilter eliminieren E-Mails, indem sie vorgegebene Codes filtern. Wenn im Betreff einer Mail z.B. Photoshop oder OEM oder Viagra auftaucht, kann sie automatisch gelöscht werden, wenn man die Worte in die Filterregeln aufnimmt.

Nun stellt sich die Frage, was von der Sprache übrig bleibt, wenn man sie auf die meistbenutzten Spamwörter filtert. Wird in Zukunft eine abgespeckte Blümchensprache entstehen, die nur noch aus wenigen guten Worten besteht?

Deutsch ist als Spamschutz übrigens gar nicht mal so übel. Wenn man pauschal alles Englische filtern würde, könnte man den Spam um einige zig Prozent verringern.

Die Wege, die wir gehen

Hermann Sörgel wäre zu nennen. Ich habe ihn eben, durch Zufall entdeckt, weil ich über die Straße von Gibraltar gelesen habe. Es ist nicht unbedingt schlecht, von Suchmaschinen auf seltsame Seiten geleitet zu werden. Hermann Sörgel wollte die Straße von Gibraltar durch einen Staudamm ersetzen. Dann hätte er das Mittelmeer teilweise trocken gelegt und Afrika und Europa vereint. Die Kraft des Wassers sollte intensiv genutzt werden. Von den ökologischen, wirtschaftlichen und politischen Problemen abgesehen gefällt mir diese Idee, weil sie so phantastisch ist. Vielleicht ist sie nur deshalb gut, weil sie nicht umgesetzt wurde.

Einmal mehr wird mir die Ähnlichkeit zwischen WWW und Straßennetz bewusst. Man befindet sich stets an einem Punkt, ist aber ständig auf der Weiter-, bzw. Durchreise. Nichts ist fest. Man ist nur einen Mausklick vom Unbekannten entfernt. Man erforscht hier wie da die Umgebung, nutzt Knoten, Kreuzungen, Links, um die Richtung zu ändern. Immer weiter, weiter weiter ins Unbekannte. Das ist wie ein Rausch.

Das Buch, das hier entsteht ist vielleicht ein Roman. Eher jedoch ein Reisebericht. Wenn man in die Galerie schaut, so ist es ein Bildband. Es hat keine Form in althergebrachter Weise. Es ist vielleicht etwas Neues. Nun, da ich dies schreibe, kommt noch eine, sich rückkoppelnde philosophische Komponente hinzu: Der Forscher (das bin ich, indem ich dies life schreibe) verändert das Objekt seiner Forschung. Der Text, der hier entsteht ist nicht fest. Da er im Blog entsteht, nimmt die Web-Welt Einfluss. Baut sich auf zu einer zweiten Ebene, sei es auch nur eine Erwähnung am Rande, „ein Herr Hermann Sörgel wollte mal …“ Wie eine Schablone liegt die tatsächliche Reise auf dieser, entstehenden Geschichte über die Reise. Und da die Geschichte interaktiv ist, nehmen Äußere Einflüsse wie Links und Kommentare Einfluss auf den Autor. Man könnte sagen: das Schreiben über die Reise ist auch eine Reise.

Heute, jetzt im Moment, fast sechs Jahre danach.