Folge der gelben Wutz | #UmsLand/Saar

Es ist allgemein bekannt, dass das Saarland, also sein Umriss, die Form eines Schweins hat, das im Profil nach links schaut. Mit etwas Phantasie könnte es sich auch um einen Igel handeln. Igel und Schweine haben ja ähnlich kugelige Formen und ähnlich rüsselige Schnauzen.
Etwas dünnhäutig dieser Tage wegen abschätziger Bemerkungen einiger Menschen zum Künstlerberuf, die mir ungewollt nahe gingen, haderte ich, ob ich an meinem Bayernprojekt weiter arbeite und eine Woche lang entlang der Alpen zwischen Bodensee und Königssee radele, um mein Portrait des Bundeslandes weiter zu bearbeiten. Zwei Dinge ließen mich von der Idee ablassen: es ist mir zu wider, mitsamt Reisegepäck und Fahrrad per Zug oder per Auto zum Einsatzort zu fahren, sprich, erst einmal nach Lindau und später wieder ab Berchtesgarden zurück in die Pfalz. Beides halb- bis ganztägige Reisen. Unbequem.

Ich liebe es nunmal, daheim loszuradeln und auch wieder per Rad nach Hause zu kommen.

Zweitens dieses eigenartige Einknicken des Selbswertgefühls wegen der Bemerkungen zweier Menschen zum Künstler- und Autorenberuf. Normalerweise bin ich dagegen immun und es macht mir nichts aus. Keine Ahnung, wieso es mich so sehr traf.

Wie reagiert man darauf? Ein Erfolgserlebnis muss her. Am besten ein schönes, rundes Reiseprojekt, garniert mit nichtswürdigen Kunst- und Schreibhandlungen. Ein Hieb in Bürgers Wohlgefälligkeitsvisage. Da, nimm, Ignorant, deine ‚Ich hab ja nichts gegen Kunst, aber Schandlippen‘ mögen verstummen.

Nun ist es mit dem Bayernprojekt leider so, dass es nur ’scheiternd‘ gelingen kann. Dass ich es wegen der über 2000 Kilometer Distanz nur scheibchenweise umradeln und beschreiben und bekunsten kann. Jede Etappe bringt mich zwar voran, aber das finale Erfolgserlebnis erhalte ich erst, wenn ich ganz zu Ende geradelt bin. Ich muss mindestens drei Mal scheitern, um zu gewinnen.

Weshalb ich mich des Saarland-Radwegs erinnerte. Knapp 360 Kilometer. Fünf Tourtage. Und direkt vor der Haustür.

So machte ich mich gestern auf, rüber nach Homburg/Saar. Homburg liegt allerdings gar nicht an der Saar, sondern am kaum 20 Kilometer langen Erbach.

Die Hinweisschilder des großen Saarland-Radwegs sind grün, tragen stets Name und Entfernung zu Orten in zehn bis dreißig Kilometern Entfernung. Ab Homburg sind zum Beispiel Jägersburg und Höchen ausgeschildert. Außerdem bleckt gelb der Umriss des Saarlands auf den Schildern. Das Schwein, welches man auch Wutz nennt. Es ist mein weißes Kaninchen, das mich die kommenden Tage führen wird und hoffentlich das Künstlerselbstwertgefühl wieder gerade rückt.

Die gestrige Etappe entgegen dem Uhrzeigersinn führte übrigens hoch in den Norden des Saarlands. Vom Homburger Bruch über den Höcherberg, vorbei an Sankt Wendel durchs Ostertal bis zur Nahe, die oberhalb des künstlich erstauten Bostalsees ihre Quelle hat.

Tippfehler lasse ich mal im Artikel. Dass die Bluetooth-Tastatur nun völlig den Geist aufgegeben hat und ich eindaumig auf dem Touchscreen tippe, werte ich als kleines Scheitern zwischendurch.

Tag 8 im Rückblick | #UmsLand Bayern

Gestern hat Irgendlink mit Lindau jenen Punkt erreicht, wo er ursprünglich die Bayern-Tour hatte beginnen wollen. Und wo er bei der nächsten Etappe wieder einsteigen will. Im Oktober vielleicht oder im nächsten Frühling.

Von Lindau aus hat sich Irgendlink mit der Fähre via Wasserburg ins schweizerische Rorschach bringen lassen, wo ich ihn schließlich auf einer Hafenbank sitzend und bloggend gefunden habe.

Wir haben das Europennerrad ins Autolie gepackt und sind, nach einem kleinen Spaziergang am Sandskulpturenfestival in Rorschach vorbei, rüber nach Österreich ans Fußacher Rheindelta gefahren, wo wir damals, vor zwei Jahren, die erste Etappe unserer Flussnoten vollendet hatten. So ein Bodenseebad als krönender Touretappenabschluss hat ja noch nie geschadet.

Das heutige Wegstück (Track) könnt ihr hier → gucken.

Oder hier (ungefähr):

Direkter Link zur Karte

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Liebe Grüße aus der Homebase
Sofasophia und Irgendlink

Ende des ersten Reiseabschnitts in Lindau. | #UmsLand Bayern

Es gibt die Momente unterwegs, da wirst du unweigerlich schnell. Viel schneller, als dir lieb ist. Der Sog all der Alltage um dich herum reißt dich mit und es gibt, ähnlich wie in einem Meeresstrudel, der den Gezeiten gehorcht, kaum ein Entrinnen.Gerade habe ich eine viertel Stunde verplappert mit einem Düsseldorfer Radler, der sich anschickt, die Route Bodensee-Königssee auf dem Bayernnetz zu radeln. Neben einem Wegkreuz unweit von Schloss Syrgenstein. Der Mann keucht, ist das steil, ich weiß nicht, ob ich genug trainiert bin, um die Strecke zu schaffen. Und ich stimme ihm zu, bin ich doch soeben aus dem Tal des Oberen Argen hier herauf gekeucht. Die Szene ist lieblich und sprengt bestimmt die Lieblichkeitswerte auf meiner selbst erfundenen Skala Liebliches Taubertal und erstmals zweifle ich, ob diese Skala, wie die Richter-Skala, tatsächlich nach oben hin offen ist. Schon vor wenigen Kilometern, beim Abstieg aus dem Weiler Schweineburg, von wo aus man den Bodensee sehen kann, wurde mir bewusst, dass hier, so nahe bei den Alpen ein anderer Radlerwind weht. Auf den Hinweisschildern der Radwege sind sogar Steigungswerte angegeben. Und die sind oft zweistellige Prozentzahlen. Immerhin schaffte ich den knappen Kilometer ab Schloss Syrgenstein noch strampelnd im ersten Gang. Wenn ich die Runde wie ursprünglich beabsichtigt, in Lindau begonnen hätte, wäre ich sofort ins kalte Wasser allen Aufs und Abs gesprungen und ich spüre erst jetzt, nach einer Woche Radeltour, dass ich die nötige Fitness dafür habe. Wer weiß, vielleicht hätte ich aufgegeben, so direkt mit den Härten des Bergradlerlebens konfrontiert.

Da oben gibt es am Radweg keine Einkaufsmöglichkeit, sage ich meinem Düsseldorfer Radlerkollegen. Seine Packtasche quillt über vor Äpfeln, die er gesammelt hat, aber sonst hat er wenig Lebensmittel dabei. Also schenke ich ihm mein letztes Stück Schokolade, dreiviertel Tafel, denn bis zum Campingplatz Höll, den ich ihm empfehle, wird er garantiert nichts mehr einkaufen können.

Drei wandernde Damen aus der Gegend geben mir Tipps für meinen Weg: in Maria Thann gibt es einen Automaten bei einem Bauernhof, wo man Wurst in Dosen und Eier und Käse kaufen kann. Laden? Ach ja, in Wohmbrechts, nur etwa einen halben Kilometer abseits der Radroute ist noch der Dorfladen. Blick auf die Uhr, um sechs macht der zu und nun ist schon halb sechs. Eine wertvolle viertel Stunde verschenkt. Aber ich könnte die fünf Kilometer noch schaffen bis Ladenschluss. So trete ich ordentlich rein und vernachlässige dabei alles Sein, nur um schnöden Vorankommens willen.

Was, Herr Irgendlink, würdest du tun, wenn du nicht wüsstest, dass der Laden bald schließt, wenn du womöglich nie von dem Laden erfahren hättest? So grübele ich an Sehenswürdigkeiten vorbei an bummelnswerten Alltäglichkeiten und spüre, wie der Takt der Außenwelt meinen eigenen Takt bestimmt.

Neun Minuten vor sechs bin ich am Abzweig nach Wohmbrechts. Bis in die Dorfmitte sind es nur 600 Meter. Dann noch den Laden finden … ich könnte es noch schaffen, beschließe aber, die Radroute weiter zu radeln. Schließlich werde ich in spätestens Lindau einen bis acht Uhr offenen Laden finden. Genug Zeit also zum Bummeln und vielleicht ergibt sich ja zwischendrin noch eine Möglichkeit. Hergatz lässt sich gut an. Liegt an der B 12. Riesen Spielhölle. Wo Spielhölle, da auch Laden, denke ich arglos. Aber weit gefehlt. Die nächste Möglichkeit, Lebensmittel zu kaufen, ist in Wangen, 5,6 Kilometer ab von der Route. Ich zwinge mich, dem zu widerstehen, nicht zuletzt, weil die Straße nach Wangen feierabendstark befahren ist.

Nun taucht das nächste Problem auf: ich muss vor acht in einem Laden in Lindau sein, logisch. Die Lebensmittelvorräte sind aufgebraucht. Ich habe noch ein daumenbreites Stück Käse, den Apfel vom Düsseldorfer, ein Liter Wasser und ein paar getrocknete Nüsse. Wird ne hungrige Nacht, wenn ich irgendwo draußen bleiben will.

Langsam werde ich dennoch ruhiger. Mein Hirn hat endlich einen Teilsieg erreicht und das Muss, vor acht einen Lebensmittelladen zu erreichen, gestrichen. Stattdessen Alternativen: Wasser und getrocknete Äpfel und daumengroßes Stück Camembert. Dazu Sternenhimmel und eine ruhige Wiese. Das wäre das Schlimmste, was mir drohen würde. Und dafür muss ich nicht im kollektiven Ladenschluss-Alltag hetzen.

Doch es kommt besser. In Hergensweiler lacht mich ein Biergarten beim Gasthof zur Post an und ich beschließe, bei den Landwirten am Rande des Dorfes um Zeltmöglichkeit zu fragen und dann im Gasthof ein Schnitzel zu essen.

Schon gleich beim ersten Fragen lande ich auf der Apfelwiese eines Energiebauern. Zudem mit höchst interessantem Konzept: statt Mais schürt er die sonnenblumenähnliche Pflanze Silphie in einem Pilotversuch im Allgäu, an dem nur eine handvoll Betriebe teilnehmen. Die Silphie wird nur einmal gepflanzt und wächst dann jedes Jahr von neuem. Es entfällt das arbeitsintensive Felder bestellen, das Giftspritzen und der mühsame Schutz wie beim Mais. Zudem ist die Pflanze sehr schön, im Gegensatz zum Mais. Wie der Ertrag ist, weiß mein Gastgeber noch nicht und er hat auch erst einmal nur ein kleines, hektargroßes Versuchsfeld. Das leider schon geerntet und frisch gegüllt ist. Am Rande sieht man jedoch noch einige übriggebliebene, plattgefahrene, braun gegüllte Exemplare. Wenn ich es nicht gewusst hätte, ich würde sie für Sonnenblumen mit kleinen Blüten gehalten oder für Topinambur.

Die Nacht neben dem Kraftwerk ist gemütlich. Ab und zu plumpst ein Apfel neben das Zelt. Sterne funkeln. Abends gabs noch ein wärmendes Lagerfeuer bei meinen Gastgebern, die die letzten Jahre im Sommer stets in ihrem Wohnwagen neben dem Haus wohnten. Das erklärt wohl auch, warum sie schon öfter Zeltgäste hatten. Der Wohnwagen wirkt wie ein Signal, das sind auch Camper, die wissen wie es läuft, die nehmen mich bestimmt auf.

Das finale letzte Stück nach Lindau bewältige ich heute Morgen. Es gibt tatsächlich keinen Laden in Radroutennähe zwischen Isny und Lindau. Nach 13 Kilometern radele ich auf die Insel. Zur Begrüßung gleich einen Beinahe-Unfall mit bösem schwarzem SUV, dessen Fahrer sich einbildet, man könne auf einer drei Meter breiten Spur Radler überholen.

Nunja, ich kann es teils verstehen. Das Konfliktpotential ist hoch in Lindau. Unendlich viele Radler und unendlich gestresste Autofahrer, die sich zudem hinter gefühlt ewig herabgelassenen Schranken bis zum Kreisel vor der Insel stauen.

Lindau und ich werden keine Freunde. Zu touristisch, zu kommerziell alles und eben übervoll. Nur der Besuch in einem Bio-Laden erheitert mich ein wenig. Später am Hafen beende ich den Track auf dem Smartphone. Teil eins meiner Reise um Bayern endet hier.

Tag 7 im Rückblick | #UmsLand Bayern

Bald Bodensee. Gesehen hat ihn Irgendlink heute bereits von oben, vom Aussichtspunkt beim Weiler Schweineburg. Morgen erreicht er ihn, und damit auch Lindau, das vorläufige Ende dieser Tour, will heißen dieses Teils der Tour. (Fortsetzung folgt in diesem Theater. Irgendwann nächstes Jahr. Oder so.)

»Die Tour war echt klasse!«, twitterte Irgendlink heute Abend. »Jenseits des Bergs Pfänder in Österreich steht mein Zelt nun in Hergensheim.« Eine Bauernfamilie hat ihn eingeladen, auf ihrem Apfelgrundstück zu zelten. Da fühlt man sich doch fast wie Daheim.

Müde klang er vorhin am Telefon, denn auch heute ging es streckenweise wieder ziemlich aufwärts. Dass er sich letzte Woche entschieden hatte die Strecke ’sorum statt andersrum’ zu fahren, erweist sich im Nachhinein als Glücksfall. »Heilfroh bin ich übrigens, nicht wie ursprünglich geplant in Lindau gestartet zu sein. Der Radweg Bodensee-Königssee hätte mich untrainiert fertig gemacht.«

Das heutige Wegstück (Track) könnt ihr hier → gucken.

Oder hier (ungefähr):

Direkter Link zur Karte

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Hier nun ein paar Bilder von Irgendlinks siebtem Reisetag

Auf der Wasserscheide Rhein-Donau traf ich zwei Bielefelder Wanderinnen, die bis Freitag nach Lindau wandern wollen. Wir machten gegenseitig Gipfelfotos voneinander.Radler mit Reiserad vor altem Schild, auf dem steht Wasserscheide Rhein-Donau 937 komma nochwas Meter.

Am Weiler Schweineburg, wo es nur rudimentär Überreste einer Burg gibt, sieht man erstmals den Bodensee, wenn man den beschwerlichen Anstieg ab Isny gemeistert hat.Vier Menschen, Rücken zum Betrachter auf Parkbank unter grünem Ortsschild Schweineburg schauen über weites Land.

Der Speckbachfall bei Weitnau liegt direkt am Allgäuradweg. Ein etwa zehn Meter hoher Wasserfall unter einer Wandererbrücke mit wild bewachsenen Felsen. Im Bach liegen Steine.

Kirche in Maria Thann.Eine Kirche mit Zwiebelturm. Links daneben ein Wohnhaus in hügeliger Voralpenlandschaft

Das Espantor in Isny.
Blick eine gepflasterte Straße entlang auf einen weißen Tor-Turm.

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Liebe Grüße aus der Homebase
Eure Sofasophia

Ein Sekundenbild, flüchtig an einem Hoftor vorbeiradelnd | #UmsLand Bayern

Man muss durch die Menschen hindurchradeln, hunderte Kilometer weit, um zu verstehn, wie anders sie ticken, wie sehr sie sich verändern, Meter um Meter von Dorf zu Dorf, von Gegend zu Gegend. Alles andere als eine homogene Masse. Es sind die feinen Nuancen, die sich ändern etwa im Grußgebaren. Mehr hat man ja oft nicht mit den Menschen zu tun als Reisender. Ein flüchtiger Gruß im Vorbeiradeln, die Aufgabe einer Bestellung am Tresen oder an der Ladentheke. Es gibt sie nicht,’die Bayern’. Es gibt die Franken, die Ober-, die Unter- und die Mittelfranken und es gibt die Schwaben, vielleicht auch die Allgäuer und selbst das ist zu verallgemeinert. Jeder Mensch ist anders. Blitzlichter am Weg, bei denen es nicht zum Kontakt kommt, reichern das Bild an. Jener alte Mann zum Beispiel, der für eine gute Sekunde an mir vorbeizieht, besser gesagt, ich an ihm und an der Hofeinfahrt zu seinem hoffnungslos überwucherten Hof. Wie er auf seine Hack gestützt ruht, völlig erschöpft von der Arbeit gegen das Kraut. Ein Mensch am Rande des Todes, diagnostiziere ich im Bruchteil dieser Sekunde. Irgendwo nahe Rothenburg ob der Tauber. Wie lange wird er noch leben? Der Mann ist uralt und trägt eine blaue Arbeiterhose, dazu ein Hemd. Mehr kann ich in der Winzigkeit der Zeit nicht erkennen. Fast bin ich versucht, zurückzufahren und ein Foto zu machen, aber das wäre zu intim und darüber schreiben reicht ja auch. Die Sonne schien und damoklesk gaukelte der Herbst über der Szene.

Oder jener etwas angetrunkene Kerl beim Bruckwirt vorgestern, der zur Musikergesellschaft gehörte und der zwischen Tür und Angel der Toilette ein Gespräch anzettelte, weil er dachte, er kenne mich. Kann eigentlich nicht sein, sagte ich, ich bin fremd hier, hast Du Wurzeln in der Pfalz, fragte ich. Nein. Wir können uns also nicht kennen. Es hätte in lustiger, alkoholschwangerer Abend werden können, aber ich war müde.

Den Illerradwg, dem ich über hundert Flusskilometer von Ulm bis Kempten folgte, kann ich nur bedingt empfehlen. Die ersten etwa fünfzig Kilometer sind recht langweilig, meist direkt am Fluss, ohne viel kulturellen Input. Meist radele ich allein. Erst ab Aitrach verzeichnet der Radwg deutliche Ausschläge auf der nach oben hin offenen Skala Liebliches Taubertal, an der ich seit dem Beginn der Reise alles messe. Ganz groß ist die sehr hügelige Gegend um den Iller-Durchbruch bei Kalden. Ein bisschen erinnert das steile Gelände aus Schutt und Gröll, in dem sich Bäume und Gestrüpp zu halten versuchen, bis der nächste Hangabrutsch erfolgt, an die Rheinschlucht, aber in Miniatur. Burg Kalden liegt direkt beim Panorama- Aussichtspunkt. Unbedingt den hundert Meter Abstecher vom Radweg machen. Und wer noch nicht genug hat, kann sich entlang der Wiese oben auf dem Abbruch weiter- und über einen Waldpfad hinunterschaffen, bis zu Bayerns erster Hängebrücke, die nach 2001 erbaut wurde. Ich war erstaunt, dass es offenbar vor der Jahrtausendwende keine einzieg Hängebrücke in Bayern gab.

Gegen Kempten nimmt die Lieblichkeit des Illerradwegs wieder ab und in Kempten biege ich auf den Allgäu-Radweg Richtung Südwesten ein, verlasse das Illertal. Die Navigation hinaus aus Kempten ist mühsam. Ein Stümper muss die wirklich reichhaltige Radwege-Beschilderung angebracht haben oder ein Spaßvogel, der das Radwegmarkieren mit Ostereiersuchen verwechslt hat. Anders lässt sich nicht erklären, dass die Schilder an den unsinnigsten und uneinsehbarsten Stellen angebracht sind. Ja, wo versteck’ ich denn das nächste Schildchen für die Radweg-Eier-suchenden Radlerchen?

Jenseits von Kempten via Ahegg führt ein beispiellos gut erhaltener Bahntrassenradweg in Schlangenlinien hinauf in die hügligen Berge des Allgäu. Traumhaft erhaltene alte Brücken, nur selten muss man die Straße überqueren. Mein Nachtplatz an einem Weiher mit Strandbad ist obendrein gut gefunden. Frisch gemähte Wiese, Stille. Ich könnte sogar im See baden und zur Plattform hinüberschwimmen, wenn ich den Mumm hätte. Aber am Abend kühlt es schnell aus und ich schaffe es gerade mal, die klebrigen Radlerhände im lauwarmen Wasser zu waschen.

Nun bin ich schon wieder einige Kilometer bahnradwegaufwärts geradelt, habe bei Josts Dorfladen in Ermengerst einen Kaffee getrunken und ein Sandwich gegessen. Sitze auf einer Bank und es beginnt zu nieseln. Noch etwa fünfzig Kilometer Luftlinie sind es bis Lindau. Vielleicht erreiche ich heute das Ziel dieses ersten Abschnitts meiner Bayernrunde.

Nachtrag: wegen Tastaturversagens musste ich sämtliche E des Artikels mit dem Touchscreen hinzufügen. Eine halbstündige Frickelei. Es könnte zu erhöhtem Tippfehlervorkommen kommen.

(2. Nachtrag aus der Homebase: Die Homebase hat ein wenig mit dem E-Streuer nachgewürzt.)