Neue Kunststraßenbaustelle

Diesmal geht’s in die französische Partnerstadt.

Der Kunststraßenbau hat sich seit 1995 ziemlich verändert. Damals noch ohne Satellitennavigation, schrieb ich Kladden voller vager Notizen, eine Tintenspur quer durch Europa, fotografierte so in 10-km-Abständen den Kapschnitt, eine Kunststraße bis fast zum Nordkap. Ab 2000 haben die Kunststraßen dank detailierter Tagebucheinträge eine gute Präzission erreicht. Viele der Bildaufnahmepunkte der Straße nach Gibraltar sind anhand der Notizen noch auffindbar.

Nichts im Vergleich zu heute. Mit dem wunderbaren Gmaps-Modul meines Drupal-CMS lassen sich per Mausklick eigene Landkarten erstellen und die Route markieren. Schon überlege ich, ob es nicht interessant wäre, den Weg hier am heimischen PC zu markieren, sprich auf der Landkarte die Bildstandorte zu setzen, sie ins GPS zu speisen und dann die Strecke zu erwandern (bzw. erradeln).

Nun habe ich Zweibrücken-Boulogne begonnen, zunächst mit einer groben Landkarte, und einer geraden Linie mit nur drei Punkten. Kunststraßenbau mutiert zu so einer Art digitaler Bildhauerei.

Ihr könnt das Projekt Zweibrücken-Boulogne in der Europenner-Zone verfolgen. Schon nächste Woche wird die gerade Linie zwischen Zweibrücken und Boulogne sich krümmen und erste Bildpunkte auf der Karte eingezeichnet. Ich plane auf der 570 km langen Distanz Fotos in 1-km-Abständen und sie als Bilderserie zu montieren. Alle Bilder werden georeferenziert, so dass man in der Zukunft die Standorte wieder findet und sieht, was sich vor Ort verändert.

Falls Ihr in der Nähe der Linie ZW-BOUL wohnt oder interessante Orte kennt, die man unbedingt in der Fotoserie veröffentlichen muss, sagt mir Bescheid.

Ich sehe schon, das werden drei ruinöse Tage. Sagen wir Nächte. An Schlaf nicht zu denken. Zu aufgekratzt nach fast zwölf Stunden unter Jazzern. Klamme Künstlerbude. Asche-in-mein-Ofen, Schnee-auf-mein-Dach. Das grieselt. Der Ofen brummt. Bin versucht, zu denken, es wäre gut ein Jazzer zu sein wie dieser Schwede, der heute in mehreren Kapellen aufgetreten ist mit seiner roten Trompete. Er wirkte so souverän, trank kaum Bier. Ein unheimlicher Mensch. Morgen tritt er auch wieder auf. Es gibt nur noch den Schweden. Schwede hier, Schwede da. Die Alphamusiker des Landes liegen ihm zu Füßen. Wie paradox.

Manchmal habe ich mich vor der Backstagetür postiert und die Laternen betrachtet, wie London, der Ripper schleicht umher, hinzu kommt der Schneeregen, die unheimliche Stille, untermalt vom Wummern des Schlagzeugs. Ab und an ein Gespräch mit irgendwem, der sich auch vor die Tür wagt.

Über das Wetter. Samstag ist schon wieder gut sagen sie.

Das will ich auch hoffen, denn nächste Woche beginne ich mit dem Bau der Kunststraße nach Boulogne. Werde erstmal bis Luxemburg fotografieren.

Von komischen Hosen und wie man Jazzikonen ruhig stellt.

Just zurück vom Jazzfestival. Wieder mal was gelernt: wie man eine Jazzikone im Backstageraum ruhig stellt. Man gebe dem Jazzer eine gutaussehende Praktikantin des lokalen Rundfunks, die mit einem Mikro hantiert und ihn interviewt. Dann spricht er zuweilen hochdeutsch, reißt sich zusammen, schaut auf die Brüste, ab und zu auch auf das Mikro.

Und weiters gelernt: wie die Hosen, deren Schritt in der Kniekehle hängt, am Körper haften. In dem nutzlosen Raum zwischen Hoden und Kniekehle befindet sich ein Ballon gefüllt mit Helium.

Von Hundegeschlechtsteilen und wie sie daran lecken.

Nachher wieder dieser Job beim Jazzfestival. Ich mag diese Arbeit, ein Kratzen am Mythos große weite Welt, wenn alljährlich in der Nachbarstadt der Spirit des Jazz hochlebt.

Derweil bin ich in Gedanken schon weit in der nächsten Woche, wenn das Wetter besser ist und die Fotografie wieder möglich, sowie das Radfahren. Kürzlich mit dem Kulturdezernenten diskutiert, ob es möglich sei, eine Kunststraße zur französischen Partnerstadt zu bauen und zwar bis Pfingsten. Ich sagte nein. Er sagte, sie kriegen einen Dienstwagen. Aber Dienstwagen geht nicht, gebt mir lieber Geld, Der Weg und ich, ach, wie könnten sie das je verstehen, nein, Dienstwagen ist zu schnell.

Trotzdem träume ich von der Dienstwagen-Variante und überlege, ob es nicht möglich ist, ein anderes Projekt zu machen, das nicht so sehr mit dem Weg verknüpft ist.

Mach‘ es für den Dienstwagen.

Aber da sind wir schon wieder beim Kern des Problems: der Mensch sieht immer nur die markanten Dinge, wuchtige Elemente scheinbar voller Bedeutung und Wert, ohne zu erkennen, dass die markanten Dinge zunächst leer sind und die eigene Vorstellungskraft füllt sie mit Wert und macht sie zu dem, was sie sind.

Hirngespinste in schöner Verpackung.

Sei es ein nobler Gegenstand oder ein Amt und Würden, dein Name auf einem Plakat, ein Bericht über dich in der Zeitung – Was ist die Zeitung? Nur bedrucktes Papier und wenn es eine deutsche Zeitung ist, so verstehen maximal 60 Millionen Menschen das, was darin geschrieben steht. Rein statistisch so gut wie niemand. Dann ist es doch nichts wert, ebenso, ob man einen riesigen Turm in der Stadt gebaut hat und alle Welt schaut scheinbar her, Mann, ist das Ding groß.

Groß wird etwas erst, wenn man lange genug darüber nachdenkt und sich etwas vormacht.

Wer hätte gedacht, dass ich nun noch die Kurve zurück zu den Jazzern kriege, welche sich alljährlich in den Garderoben der Stadthalle der Nabarstadt treffen und jammen oder ihren Gigs entgegenfiebern. Eine Mischung aus Weltstars und lokalen Jazzikonen, die nichts besseres zu tun haben, als ihren willigen Groupies die Backstagemacht zu demonstrieren, mit der Potenz des geplünderten Kühlschranks, aber hey, Lokaljazzweltstar, deine Macht endet unter der flimmernden Neonröhre an einem krümeligen Tisch in einem verqualmten Raum, ich hoffe, du schaffst es, das abgehalfterte Groupie herumzukriegen.

Simpsons-Zitate

„Es ist die Pflicht eines jeden Amerikaners, aus einer Situation seinen Vorteil zu ziehen.“

„Ich hasse dich nicht, weil du versagst. Ich liebe dich, weil du es immer wieder versuchst.“