Mit Designerkaffeemaschine am Polarkreis

Die Kasseler Wohnmobilistin. Wie sie in die Campingplatzküche kommt, ihr Blick auf das blaue, brodelnde Ding auf dem Tisch fällt, Kaffeeduft in der Luft. Es soll Regnen, tagelang, das sei hier oben manchmal so. „Oh, gibts die Dinger jetzt auch in blau?“ Sag ich: ja und in gelb auch, schon bin ich versucht, ihr vom Styles-Outlet-Center zu erzählen und ein bisschen anzugeben, alles sei günstig und Markenware und die Italiener karren jede Woche einen 40-Tonner über die Alpen voll mit blauen und gelben Kaffeemaschinen. Da wird mir die Verrücktheit der Weltpumpe bewusst, wie große Firmen, die jedweden Gegenstand in Massen produzieren können unsere Wohnzimmer und Küchen mit der jeweiligen Mode des jeweiligen Jahres vollpumpen. Der Konsument entscheidet bei Leibe nicht, was in seinem Haus landet.
Wegen des miesen Wetters haben wir uns für 350 Kronen in einem schimmligen Apartement eingemietet, schön warm mit Küche xirekt auf dem Polarkreis. An Hand des 50er-Jahre-Sessels, auf dem ich sitze und diese Zeilen hacke, wurde mir die Weltpumpe der Konsumgüter wieder ins Bewusstsein gerückt. In den 50ern gab es einmal eine Firma, die ikeagleich die Wohnzimmer dieser Erde mit diesen Möbeln mit dem rauhen, olivgrünen Stoff und den Opel-Kapitän-ähnlichen Kanten bestückt haben muss. Ein Hoch auf den italienischen Designkaffeekocherhersteller.
Bild: Hafen von Nesna.

Exorbitant, exorbitant, exorbitant

Sag ich zu D.:“Auf den Anblick habe ich 20 Jahre gewartet.“
Sagt D.: „Dafür sind wir über 2000 km gefahren.“
Punktlandung am Fjord. Wir sitzen auf einer Picknick-Bank, hinter uns ein hölzerner Pavillon, vereinzelte Seevögel kreischen, keine Mücken, ein leiser Zeltplatz südlich von Bodø. Sonnenuntergang. Das kann dauern. Wie zäh doch Romantik im Norden ist. :-)
Surfen im Campnet, D. hat den Laptop auf den Picknicktisch gestellt. Nprwegerfamilie hämmert bis 11 Uhr an ihrem Haus.
Der Campingplatz hat einen Aufenthaltsraum mit Küche, in dem ich nun sitze, diese Zeilen hacke. Nach und nach trudeln die unterschiedlichsten Bewohner hier ein, erzählen ihre Reise-, gar ihre Lebensgeschichte. Ein Mün hmer allein im Skoda, eine Kasselerin, die die Telefonnummern aller Skandinavienfähren kennt, ein grauhaariger Franzose aus (…) belle Air mit Zweitwohnsitz in Barcelonette in den Alpen.
Einen dreimonatigen Sommertag müsste man hier in dieser Küche verbringen und all die Geschichten notieren.
Protokolle am Fjord.

Wifi am 65ten Breitengrad

So gegen 22 Uhr sitzen D. und ich am Nordmeer, beobachten den Sonnenuntergang. Friedlicher Zeltplatz bei 65,5 Grad nördlicher Breite. Gemurmel der Gäste, leichter Wind, T-Shirt-Nacht. Seevögel quietschen. Licht verändert sich minütlich. Vermutlich so viele Photos heute gemacht, wie in den Tagen zuvor zusammen.
Letztes Bild: Blick vom Zeltplatz Richtung Norden.

Nordkappveijen

Bjøra Camping. Zwischen den beiden Nordkapstraßen E6 und Reichsstraße 17. Gestern das Fjäll verlassen und eine Art Küste erreicht. Küste, das heißt Berge, einsame Gehöfte, winzige Getreidefelder, Wiesen und ab und zu ein Zipfel Fjord, aus denen bei Ebbe das Wasser einige 100 Meter zurückweicht. Kleine Inseln voller Bäume, zu denen man mit Gummiestiefeln rüberlaufen könnte. Es sieht aus wie im Voralpenland. Golfstrom sei dank ein grüner Streifen Land.
Ein Norweger spricht uns an, erzählt in Kürze seine Lebensgeschichte und weil er obendrein eine Landarte 1:50000 von ganz Nordnorwegen im Kopf zu hBen scheint, erklärt er uns klein und fein. Wo wir denn bitteschön weiter fahren müssen. Da er auf den Lofoten geboren ist und auf den Vesterâlen wohnt, führt unser Weg nun dorthin. Ab Bodø sollen wir unbedingt auf die größere der beiden Fähren, sir heißt auch Bodø und hat 2 Decks, billig wäre die Überfahrt nicht, aber Lofoten, hey, Mann. Und dann auch die Mitternachtssonne da Oben …
Der mann entuppt sich als ehemaliger Lehrer auf dem Weg nach Stavanger, welches sich seiner Meinung nach auch gut als Rückweg eignen würde. Ein bisschen erinnert er uns an den verrückten Schotten, den wir vor anderthalb Monaten nähe Sète getroffen hatten. Ein netter, nerviger Mensch an der flexiblen Grenze des Erträglichen.
Die E6, die ich vor über 20 Jahren hochradelte, ist zu einer nicht sehr schönen Touristenstrecke mutiert, auf der mit 60 bis max. 90 km ein nimmer endender Wohnwagentross nach Norden zuckelt. Bis zum Kap noch knapp 1200 km. Aber wir müssen ja mit der Bodø auf die Lofoten. Von Süden kommt ein Sturm.
Bild: Einfahrt zu einem SparMarkt zwischen Selbu und Hell an der Route 705. Man beachte den nicht so kleinen Anhänger im Hintergrund zwecks Größenvergleich.

Fjäll

In den Bergen (also grob auf skandinavisch gesagt, im Fjäll) an Trondheim vorbei auf der Route 705. Eiskalte Seen, etwa 800 Meter hoch. Schnee liegt in den nördlichen Mulden und da wo es aifgetaut ist steigen unzählige Stechmücken aus den Flechten. Hier gibt es keine Bäume, allenfalls krüpplige Birken, deren Stamm höchstens 15 cm durchmisst und die nicht höher als 3-4 Meter werden. Auf dem Campingplatz von Sturudal. Im Westen rauscht ein kleiner Fluss. Die Menschen tragen Kapuzenjacken, sind strenk verhüllt, die Burka des Nordens, aus der Not geboren wegen der Myriarden von Mücken. Wir frühstücken im Zelt, hoffen aif Wind; dann können sich die Viecher nämlich nur im Windschatten eines Menschen bewegen und wenn der ständid umher tippelt …
Ich formuliere den erweiterten Sauberkeitsbegriff nach Irgendlink:
Wenn die Unterhose so lange als sauber gilt, wie man die Schrift auf dem Bund noch lesen kann – dafür ist die Schrift ja da – dann gilt: alle anderen Kleider, die man trägt, sind auch so lange sauber, wie man diese Schrift lesen kann (Nettoyitätsprinzip). :-)
Spaß bei Seite.
Rein touristisch sind wir sehr seltsam unterwegs. Ganz ohne Reiseführer. Nutzen das iPhone und die Geocaching-Datenbank, um die alternativen Sehenswürdigkeiten abzuklappern, die andere Geocacher, Menschen wie du und ich per GPS-Koordinaten veröffentlichen. D. hat ein neues Genre entdeckt: in kostenlosen Internetstationen in den Turistbyros die Infos vom Bildschirm abfotografieren und danach navigieren. Karten, Bilder, alles Mögliche gelangt so ins iPhone ohne jegliche Roaminggebühren.
Bild: Blick vom Geocache Brekkenveien nach Süden.