Man sagt, in der Sekunde, in der man vor seinem Schöpfer steht, läuft das gesamte Leben noch einmal vor einem ab. [Denise alias Sofasophia] Wie ein Film rückwärtsgespult. Jedes Bild, jedes Geräusch, jeder Gedanke und jedes Gefühl, das man im Laufe der Jahrzehnte auf dieser Erde hatte, werden noch einmal kurz eingeblendet, bevor der letzte Vorhang fällt. [Norbert und Ute] Ich habe das Fon auf Diaschau gestellt, Zufallsmodus, Bildabstand eine Sekunde. [Anette und Brian] Wahllos blitzt es durch mein Leben, nicht nur die siebentausend Bilder der Nordseerunde sind darauf, auch weitere sechzehntausend Bilder aus den vergangenen Jahren. [Violetta] Die Jakobsweg-Wanderung, Zweibrücken Andorra, Privates mischt sich mit Beruflichem. [Emil und Hannelore] Dokumentarisches ist darauf, die Abfotografie von Informationen, Visitenkarten schnell fürs merken geknipst. [Norbert U.] Hochgradig im Fon bearbeitete Kunstwerke sind neben Banalitäten. Eine konfuse Schau am letzten Reiseabend. [Du und Sie] Vom Wildzeltplatz bei Voudencourt radele ich zunächst über ruhige Landsträßchen. [Michelle und Henriette] Die weißen Sträßchen in den französischen Karten kann man gut als Radwege benutzen. Außer in den Stoßzeiten ist dort nichts los.
Die Karte zeigt Übles: ein verstädtertes Gebiet an der Mosel, das sich von Metz bis Thionville gut fünfundzwanzig Kilometer weit zieht. Auf der Karte ein gut fünf Zentimeter breiter Moloch, eine unnatürliche Barriere aus Industrie und Gewerbe und Wohngebieten. Kaum eine wenig befahrene Strecke verzeichnet. Nur Hauptstraßen. Ich weiß, dass es den Moselradweg auch in Frankreich gibt. [Susanne L.] Er soll gar nicht übel sein. Aber ich will ja quer rüber, nicht der Mosel folgen. Bei Moyeuvre-Grande beginnt der Spaß. Mit Mühe und Not kann ich die steil steigende Straße auf einem Weg am Bach umschiffen, lande verloren in Briey, wo mich vor dem Ortsplan auf einem Schild ein Barbesitzer anspricht und mir den Weg erklärt: Stoppschild, Lidl, Feuerwehr, dann rechts ab den Hinweisschildern folgen. [Klaus K.] Schufterei aus dem steilen Bachtal heraus. Mäßige befahrene Strecke über Moutiers nach Romecourt. [Madame Hingrez] Vor einer Pizzeria frage ich einen Mann, den Besitzer, nach dem besten Weg zur Mosel, möglichst ohne Steigung und tranquille. Er malt es mir auf: Erster Kreisel rechts, zweiter links, Ampel und Brücke geradeaus, Stoppschild rechts, Kreisel, Kreisel, Kreisel und so weiter, Rombas. [Monsieur Quehen] Dort fragen. Gut so. Warte noch, sagt er und verschwindet in der Pizzeria, bringt mir eine Dose Cola zur Wegzehrung. Schon fast an der Mosel? Mäßiger Verkehr. Laut. Stickige Luft. [Gitte] Mosel noch immer nicht in Sicht. Ab Rombas nimmt das Gemetzel zu. Über die D8 Richtung Fluss. [Robin] Autos zählen, zwei, zehn, zwölf, achtzehn und so weiter, knapp hundert Karossen bis kurz vor der Autobahn. [Engelbert] Zwei gefährliche Kreisverkehre, in denen ich ein Loblied auf die englischen RadwegeplanerInnen singe, weil sie es geschafft haben, auf der bald zweitausend Kilometer langen Strecke des Radwegs Nummer Eins selbst den größten, undurchquerbarsten Kreisel so für Radler zu beschildern, dass man irgendwie durchkommt. [Peter und die 14 Schotten] Hinter der Autobahnauffahrt sind die Hinweisschilder zur Moselbrücke plötzlich mit Folie verklebt. Ist die Straße gesperrt? [Gaarder Sykkelsport] Ich versuche bei zwei Polizisten, die einen LKW-Fahrer kontrollieren, herauszufinden, ob man durchradeln kann. Arroganz pur. Der jüngere dreht mir demonstrativ den Rücken zu, als er mich anrollen sieht. [Ray] Ob man das auf der Polizeischule so lernt? Bürgerferne. M.
[Susanne alias Frau Freihändig] Da sonst niemand auf dem autobahnähnlichen Straßenstück zwischen den Kreiseln zu finden ist, muss ich selbst heraus finden, warum man die Schilder zur Moselbrücke nach Bousse zugeklebt hat. Einen Kreisel weiter wird klar: die renovieren die Brücke. [Karen und Carsten] Sie wäre zwar passierbar, ist aber mit Absperrungen so stark verbarrikadiert, dass man selbst zu Fuß kaum durchkommt. [Ingrid alias Waldviertelleben] Drei Kreisel retour, weitere fünf Kilometer Gemetzel. Rüber nach Guénange. [Herr Steffen] Ein anderer verlorener Radler mit viel Gepäck vor mir. [Sarcom] Kurz vor der Brücke habe ich ihn fast erreicht, aber er fährt geradeaus weiter gen Thionville. [Schlager] Andere Moselseite. Blog seis getrommelt und gepfiffen. [Steph] Der Moselradweg führt dort auf idyllischen Teerpfaden, in Flussnähe, meine ich zu erkennen. [Friedrich und Giesela] Noch bis Metzervisse bin ich im Feierabendstrom gut hundert Autos lang über die normalerweise ruhige D60. [Arne und Sylvie] Wenn ich erst europäischer Verkehrsminister bin, phantasiere ich, sorge ich dafür, dass Autos nur dann fahren dürfen, wenn mindestens drei Menschen darin sitzen und dass man Radler nur mit einer Maximalgeschwindigkeit von fünfzig km/h passieren darf. Jawohl. [Patrick alias Kieselsteine].
Nur noch acht Dörfer bis Deutschland. [Tone, Jostein und Jon Olaf] Ab Kédange wunderbare idyllische Strecke durch Wiesen und Hügel. [Neil aus Newtonmore] Verschlafene Dörfer, in denen ich jeweils für ein paar Minuten anhalte, um Frankreich ausklingen zu lassen. [Stefan alias Fliegerhorst] Die letzten Ideen im Kopf zusammenkratzen, als würde man einen Teller Nudeln leeressen oder ein Nutellaglas bis zum letzten Rest ausschaben: was fehlt? [Ulli und Horst] Eine Dankesliste und eine Gesamtrevue der Nordseerunde. [Emil M.] Na, ob das so eine gute Idee ist, die beiden Elemente des live geschriebenen Berichts auch tatsächlich am offenen Herzen der Literatur operierend einzuflicken? [Emil und Hannelore] Der Review der gesamten Strecke, mal ehrlich, lieber Irgendlink, kannst du doch in diesem unkonzentrierten, hippeligen Endstadium der Reise gar nicht gerecht werden. [Hanne alias Dina] Zu wild sind deine Gedanken und Gefühle, zu verwirbelt ist alles. Das ist ein Glas Wasser, in das du gerade einen Tropfen Sirup geschüttet hast. [Klausbernd und die Buchfeen Siri und Selma] Chaotisch mischt sich das Süß mit dem Trägerstoff und in dem Anfangsstadium dessen, was du bald trinken wirst, ist kaum etwas Klares auszumachen. [Georges] Hey, das wird der Reise nicht gerecht, wenn du jetzt noch einen zusammenfassenden Artikel schreibst und mit den Dankesreden, nuja, du wirst sicher den einen oder anderen vergessen. Lass es! [Brian, Lil und Frieda] Eine Idee kommt mir in den Sinn, die ich schon vor Boulogne hatte: ich flicke einfach alle Namen derjenigen, denen ich danken will, in einen ganz normalen Artikel ein. [Jachi und Christel] Dann werden sie auch gelesen. [Jo und Dani] Nichts ist dröger, als eine Seite voller Namen, auf denen diejenigen, die vermuten, genannt zu werden, nach ihrem Namen suchen müssen. [alle, die ich vergessen habe].
(sanft redigiert und gepostet von Sofasophia)