Tag 39 – Bilder und der Streckenlink

Aus einem freien WiFi in Bankfoot schickte Irgendlink vorhin bereits Bilder des Tages. Er habe sich in Perth einen Innen-Seidenschlafsack und lange Unterhosen gekauft, erzählt er. Eine quirlige Stadt sei das. Als Tagesziel nannte er vorhin den Campingplatz von Dunkeld, oder dann zelte er wild.

Nachtrag um 22:37: Wegen des vollen Campingplatzes in Dunkeld zeltet Irgendlink heute Nacht wild in der Nähe von Inver.

>>> Gallowhill, Kinross – Inver bei Dunkeld: bitte hier klicken!

Ich Schatten … (groß durch draufklicken)

Steigung mal anders angegeben

In Perth

Im Flussbett des Flusses Tay, der durch Perth fließt ( … ich muss an Fontanes Ballade denken, die Brück‘ am Tay …)

Weitere Kunstwerke von Irgendlinks Reise finden sich auf pixartix_dAS bilderblog

Artlines

Mein Halbwissen über die Aboriginies, die australischen Ureinwohner, sagt, dass sie ihr Land in Songlines aufgliedern. Sie besingen besondere Punkte, Quellen, Wasserlöcher, Felsen, markante Stellen im ansonsten kahlen, orientierungslosen Kontinent. So haben sie, an Hand der Lieder eine exakte Karte ihres Landes, die kein Fremder nachvollziehen kann. Von Generation zu Generation werden die Lieder und somit das wichtige Wissen, wo ist die nächste Wasserstelle, wo finde ich Nahrung, weiter gegeben. Die Strecke wird zum Informationsträger.

Das Denken in Strecken, das ich den Engländern zu Beginn meines Auftenthalts auf der Insel unterstellt habe, kommt mir in den Sinn. In der Gegend um Dover waren die Ortsangaben in den Touristenprospekten nicht etwa XY-Straße Haus Nummer soundsoviel, sondern: raus aus der Stadt 1,5 Meilen über die XY Straße Richtung Z, dort auf der linken Seite liegt das, was du suchst. Streckendenken.

Vor fast 20 Jahren, als ich die erste Kunststraße gebaut habe, war mir das Streckendenken, das ich dabei anwende, noch nicht bewusst. Intuitiv habe ich die Kunststraße, bei der ich alle 10 Kilometer ein Foto der bereisten Strecke mache, als Artline bezeichnet. Analog zu den Songlines der Aboriginies. Erst 2010, bei der Wiederbegehung der Kunststraße Zweibrücken-Andorra, ist mir klar geworden, wie sehr wir uns anhand der Wege, die wir zurücklegen, eine Merkstrecke basteln. Erinnerungen werden an markanten Punkten verankert. Superdenker wenden dieses Prinzip an, um sich scheinbar zusammenhangloses, etwa eine Zahlenkette, bestens zu merken. Anstatt sich die Ziffern selbst zu merken, machen sie in Gedanken einen Spaziergang durch ihr Wohnzimmer: Sofa gleich 5, Tisch gleich 8, Schrank gleich 3. Und so weiter.

Manchmal sind die Radwegeschilder mit Farbe besprüht, oder zertrümmert. Ein Angriff auf das Gedächtnis?

Bemerkenswert in der Rezeption des Gallowhill-Zeltplatzes ist die Wand im Flur, grün oder rosa gekalkt; mit Klebestreifen hängen verschiedene Zettel griffbereit neben der Eingangstür: „Bin im Garten – Bin in 10 Minuten zurück“ und so weiter. 10-20 Stück in verschiedenen Farben mit der die pfiffige Besitzerin den Gästen Mitteilungen macht. Die Rezeption ist im Farmhaus, der Zeltplatz auf einer fein gemähten Wiese dahinter.

Wenn ich mir die Tasgesstrecke auf der Karte betrachte, kommen die Erinnerungen an die kleinen Ereignisse, aus denen sich der Tag zusammensetzt: Über die fast menschenleere Gegend um Stronachie und Path of Condie nordwärts, Pause in der Sonne vor Kuhweide, null Autos in einer halben Stunde, steil ab, steil auf, und wie mich die Strecke an die Königsetappe in Zweibrücken Andorra erinnert: von Chappeauroux am Allier über drei Pässe bis nach Le Pont de Montvert am Tarn. Knapp 100 Kilometer Berg und Tal. Eine Gegend wie Mont Lozère durchquere ich. Im Norden erkenne ich schneebedeckte Hänge. Ein Wanderer prognostiziert, dass ich Schnee haben werde. In einem Vorgarten weissagt einer, dass es bis Minus sechs Grad kalt werden soll, weshalb ich in Perth, das gut bestückt ist mit Fußgängerzone und allerlei Läden, auch Outdoorläden, Thermounterhose, Seideninlay-Schlafsack, eine Weste kaufe. Präpariert für Winter, sowie eine Flasche Brennspiritus für abartig teure 3,89 Pfund (Halbliter). Auf der Flasche, die mir vor zwei Wochen in den Fenlands geschenkt wurde, klebte ein Zettel 1,98 Pfund. Später kaufte ich für 2,99 Pfund. Nun das. So kann ich mich an die vermutlich abartigen norwegischen Preise gewöhnen. (Normalerweise hätte ich in der Stadt noch andere Läden besucht, um den Brennstoff billiger zu kriegen, dachte mir aber, ich kaufe für 1,99 und mit den restlichen 2 Pfund kaufe ich mir die Entspannung, nicht mehr suchen zu müssen, nicht mehr das Rad unbewacht in der Fußgängerzone stehen lassen zu müssen, nicht mehr rennen, Ruhe kaufe ich und Wärme). Der Spirituskocher eignet sich bestens, um das Zelt innerhalb von Minuten in einen schwitzhüttenähnlichen Zustand zu versetzen.

Raus aus Perth entlang des River Tay, vorbei an Golfplatz, Vororte, Angler, Hochzeit, bei der die Männer im Kilt vor den Kameras posierten. Weitab vom Meer nun, folge ich der Radstrecke 77, die in Bankfoot auf die 7 mündet, welche Inverness und Glasgow miteinander verbindet. Hinter Bankfoot ein Schild: Inverness 104 Meilen. Zwei-drei Tage schuften. Die 7 führt vorbei am Loch Lomond. Ich habe Lust auf Berge. Ein grün gezeichnetes „trafficfree“-Stück im Kern der Strecke hat mir den Mund wässrig gemacht. Es führe über den höchsten Transportweg Großbritanniens. Das Gap of Dunloe von Schottland, die Porte de Envalira des Nordens, der Kyberpass der westlich zivilisierten Welt. Nur anhand der Karte und meiner Erinnerung, entstehen Bilder von der Strecke, die ich nie zuvor bereist habe. Ist das was vor mir liegt wie die Königsetappe in Zweibrücken-Andorra? Oder wie damals in Irland das Gap of Dunloe, Ginsterbüsche, Pferdekarren, Souvenirsladen auf der Anhöhe?

Ich durchquere Waterloo, erreiche den überfüllten Campingplatz von Inver, fahre ein Stück weiter und finde in einem urigen Fichtenwald eine wunderbare Wilkdzeltgelegenheit. Kaum 1 km vom Camping entfernt.

In Dunkeld, gleich nebenan, wummert ein Fest. Open Air Konzert vermutlich. Die Bässe kommen bis zum Zelt, stören aber nicht. Nachts im Halbschlaf birnge ich das Bassgewummer aber in Zusammenhang mit dem Rascheln von Wildtieren, weshalb im schlaftrunkenen Zustand aus einem Reh , Hasen oder Fuchs ein riesiger Elch wird, stampfend und raschelnd, oder ein „Galloway“, wie Emil schreibt. Zum dritten Teil von Lind Kernigs Abenteuern aus der Zukunft bitte hier klicken.

Die Kunststraße Zweibrücken-Andorra findet sich bei Irgendlink unter der Rubrik Kunststraßen. Mit Links zu den iPhonefotos als animierte Landkarte.

(sanft redigiert, mit Links bestückt und gepostet von Sofasophia)

faszinierend …

Ich finde es spannend, wie Irgendlinks Abenteuergeschichte, die genau jetzt in diesem Augenblick geschieht, andere Menschen zum Geschichtenschreiben inspiriert.

Zum einen hat Emil heute schon den dritte Teil seiner Geschichte um Lind Kernig aka KnildnegrI gepostet. Ihr erinnert euch: Kernig ist der junge Mann aus dem 25. Jahrhundert, der sich auf die Suche nach den Spuren des Irgendlink macht und dessen Reise erforscht. Zum dritten Teil der Geschichte bitte hier klicken!
(alle zusammen: hier klicken)

Dass nicht nur Science Fiction in der Luft liegt, sondern auch magische Geschichten über Irgenlinks Reise zu erzählen sind, beweist die Märchenfrau, die heute ihr neulich angekündigtes Märchen gepostet hat. Es heißt Das Licht des Frühlings und liest sich sehr spannend (hier klicken). Dass es so ganz ohne Moral auskommt und dennoch eine sehr kostbare Essenz birgt, finde ich besonders schön. Danke, liebe Märchenfrau!

Tag 40 – die Strecke

Und wieder wild … Eben erhalte ich eine Mail von Irgendlink: „Wildzelten 2 km nord von Struan und Calvine. Der Radweg läuft 30 km über die stillgelegte alte A9. Empfang sehr schwankend. Mal sehn, ob die Mail durch kommt. Super Platz aber …“

>>> Inver bei Dunkeld – Nähe Calvine/The Struan: zum Kartenausschnitt von heute: bitte hier klicken!

Ab über die Berge

Irgendlink hat kaum mehr Akku (weshalb er keinen Text schreiben konnte) und kaum mehr Empfang. Ich konnte ihn dennoch vorhin kurz sprechen. Schon bald ist er auf der Passhöhe – noch 500 feet fehlen, meinte er. Meinten die Radler, die ihm entgegengekommen sind.

Wir hören hoffentlich bald wieder mehr von ihm.