Nachmittags lief es ziemlich verquer mit einem ersten, informierenden Blogeintrag über das bevorstehende Projekt Zweibrücken–Andorra 2020, bekannt unter dem Hashtag #zwand20. Irgendwie radebrechend an einem Artikel über das Vorhaben und die vielen Unsichtbarkeiten, die – arbeitstechnisch – dahinter stecken, verrannte ich mich in einen Blogartikel, der mir so ganz und gar nicht gefallen wollte. Ein holperndes, seelenloses Etwas, so diagnostizierte ich resigniert beim ersten Korrekturdurchlauf. Das darf nie nie nie an die Öffentlichkeit, dachte ich. Ich legte das digitale Machwerk zu den Privatnotizen ins Blog und hielt erst einmal ein Mittagsschläfchen. Ziemlich geknickt. Wie soll das bloß werden mit den kommenden Tour, wenn ich denn nächsten Dienstag schon losradele und allen da draußen verspreche, ich berichte über die Reise? Wie gewohnt am offenen Herzen der Literaturin Konjunktion der Klaviatur der Tweets mit der orchestralen Wucht dieses Blogs, ein literarisches Einmannorchester auf den virtuosen, spiegelglatten Tasten des Smartphones, hey! Was für eine Katastrophe, wenn ich mich tagelang in erklärenden Meta-Artikeln über die Eingeweide der Software und was weiß ich, was ich noch alles im Hintergrund geschuftet habe, auslasse. Mann Mann Mann. Laaangweilig. Vergiss den Artikel, sagte ich mir. Er spielt keine Rolle und überhaupt, Junge, du hast doch gar keine Übung mehr im Schreiben. Du kannst nur noch coden und kryptisches Zeug auf dem Terminal tippen, aber eine echte, packende erlebte Geschichte, die kriegste so nie und nimmer hin. Du bist eingerostet. Ein alternder Westernheld, der mit zittriger Hand das Schicksal bedrohter kleiner Westerndörfer zum Guten wenden soll.
Nachdem ich am Wochenende das Reiseradel endlich mit neuen Ersatzteilen bestückt hatte, bin ich sonntags in einer der raren Regenpausen ein bisschen testfahrend unterwegs gewesen, nur etwa zwanzig Kilometer im Kreis (das Hamsterrad des Europareisenden sozusagen) abwärts in die Stadt, dabei einen Track mitlaufen lassend, genau wie beim richtigen Reisen und was soll ich sagen, welch Wohlgefühl! Das neue Schaltwerk, nach elf Jahren erstmals ersetzt, nach mindestens dreißigtausend Kilometern, vielleicht auch mehr, ich kriege die Gesamtzahl nicht mehr auf die Reihe, läuft wie ein Nähmaschinchen. Hätte ich gewusst, wie leicht es ist, eine neue Schaltung einzustellen im Gegensatz zur alten ausgeleierten, ich hätte schon viel früher gewechselt, sagte ich mir. Aber immerhin, es ist gut, zu erkennen, dass man auch eine Schaltung dreißig- vierzigtausend Kilometer fahren kann, nur für den Fall, dass man einmal um die Welt radeln möchte. Egal. Mir dämmerte plötzlich, dass ich sowohl radlerisch, also körperlich, als auch schreiberisch, also kreativlich total aus der Übung bin und dass ich im Vorfeld der Reise nicht nur den Körper in den Sattel hieven muss, sondern mich auch dazu zwingen muss, schreiberisch Fitnessübungen auf mich zu nehmen. Ich muss mich warmschreiben vor der Reise. Der Artikel vom Nachmittag bleibt für alle Zeiten geheim, aber vorhin, in einer Art Anwandlung und Rückbesinnung auf Vergangenes, schrieb ich einen kurzen Artikel, der dem Zyklus UmsLand/Bayern zuzuordnen ist (siehe voriger öffentlicher Blogartikel) und da wurde mir Zweierlei klar: auch Schreiben braucht Training und Gewohnheit, ganz wie Sport, Radfahren, Wandern und es ist verdammt wichtig, ein Thema zu haben, also ein greifbares Etwas, ein Leitfaden, ein Track und nicht solche Lullifullie-Problemschilderungsmomente, in denen sich der Autor, moi même, im Kreis dreht und sich über die uninteressanten unsichtbaren Arbeiten auslässt, die er unter der Motorhaube des Blogs und der ganzen Livereisemaschinerie durchführt, damit das Maschinchen am Ende wohlig schnurrt.
Zum Training, ich habe ja noch ein paar Tage, bis ich auf Tour gehe (es sei denn, das der Virus funkt dazwischen), habe ich zum Glück noch einige Baustellen lose Fäden, an denen ich weiter knüpfen kann. Die nächsten Tage werden zeigen, ob es mir gelingt, den Blogreaktor wieder in Betrieb zu nehmen. Bleibt am Ball. Oder auch nicht. Ganz wie es Euch beliebt.
Oh, und fast vergaß ichs, der Blogtitel, der ausnahmsweise schon vor dem Schreiben dieses Eintrags feststand, ist ein Zitat des Pfälzer Radprofis Udo Bölts, der, wie Wikipedia schreibt, Jan Ulrich in den Vogesen auf der 18. Etappe der Tour de France 1997 mit diesen Worten anfeuerte.