War ein guter Tag. Vor dem Spaziergang durchs Blieslab hatte ich ein bisschen Sorge. Das ist ein allgemeines menschliches Prinzip und lässt sich am Ehesten etwa damit vergleichen: du planst einen Ausflug in eine große Stadt, in der du noch nie warst. Natürlich denkst du darüber nach, ob du den Weg dahin übehaupt findest, ob es unterwegs einen Stau gibt, ob du die Straße und die Hausnummer im Gewirr der garstigen fremden Großstadt findest, ob es dort einen Parkplatz gibt und noch so einiges. In fremden großen Städten lauert grundsätzlich Gefahr. Jugendbanden mögen ganze Stadtteile beherrschen, man hört da ja Sachen. Die Bewohner der fremden garstigen gemeinen Großstadt sind derart krass drauf, dass sie dich Landei im hektischen Straßentreiben einfach nieder machen.
Nichts weiter als die allgemeine Sorge vor dem Unbekannten, welches man sich am besten nienienie vorzustellen versuchen sollte. Jede Vorstellung, die man sich vom Unbekannten macht ist nur ein Abgleich mit Gerüchten, die man über Ähnliches gehört hat. Mehr noch, für das Unbekannte gibt es keine Vergleichsmöglichkeit, weil es ja unbekannt ist. Trotzdem wagt man den Vergleich und mag sich vielleicht bei einem Ausflug nach Straßbourg Szenen aus der Glotze in Erinnerung rufen, die umgekippte brennende Autos in der Banlieu zeigen. Das kann einem das Unbekannte vermießen, weil man mit dem Gedanken, ich parke mein Auto in Straßbourg und es wird umgekippt und angezündet, stundenlang auf die Stadt zusteuert.
Wenn man das Ziel erreicht, erweisen sich alle Vorstellungen, die man sich zuvor gemacht hat als Humbug.
Straßbourg ist klasse. Man kann es prima mit dem Fahrrad durchqueren. Noch leichter per Auto.
Doch darum geht es nicht.
Die Vorstellung vom Spaziergang heute nachmittag war auch Humbug. Weder Oberbürgermeister, noch sonstige Honoratioren oder gar Spaßbremsen hatten sich vorhin in der Galerie Beck versammelt. Ein Club von netten Menschen, teils Bekannte trudelten nach und nach ein, so dass der Nachmittag vielversprechend gemütlich werden würde. Die P.s waren gekommen, die mir das Ubuntu-System empfohlen hatten. Fotograf M. ließ sich kurz blicken und schenkte mir ein Buch. Zwei Damen aus der Stadt hatten ihre Hunde zu Hause gelassen. Laudatorin J. war auch zugegen. Wir spazierten hinauf zur Klosterruine. Spazieren gehen ist eine gute Möglichkeit, um zur Ruhe zu kommen. Man atmet im Takt des Schritts. Der Wald war gut. Degeneriert stand er im Wind. Die Klosterruine ist unheimlich. Vor aller Augen prüfte ich das Erdversteck, welches dort oben verborgen liegt. Wie Zauberei, niemand erkennt den Trick. Mit der Laudatorin über Autos und wie man sie selbst repariert geschwätzt. Sie ist eine Bastlerin. Das imponierte mir und ich stellte sie mir vor, wie sie im Blaumann unter ihrer uralten Karre liegt und den Auspuff mit Gipsbinden repariert. Diesen Trick hat sie mir erzählt. Kreative Frau.
Mitten im Wald eilte ein Nachzügler, fragte, ob wir die Bliestallabyrinth-Gruppe seien. Sofort klingelte sein Handy. Ein Flugingenieur. Weiter weiter weiter. Bei der Ruine war ich unvorbereitet. Um den Kunden das Beste zu bieten, hätte ich mir die Geschichte des Klosters in Erinnerung rufen sollen. Einzig verbrieft konnte ich ihnen somit nur erzählen, dass die Ruine vor hunderten von Jahren einst blühte. Fromme Menschen ein und aus gingen. Dass es ein Benediktinerkloster war hätte ich berichten können, war mir dessen aber nicht mehr sicher. Die Infotafel, die noch vor zwei jahren am Forsthaus neben dem Kloster hing war verschwunden. Vielleicht war es auch ein Kapuziner, Johanniner, Schlawiner, sonstiges Kloster? Einzig erinnerte ich mich an das dramatische Ende des Klosters: ein Knecht hatte es versehentlich angezündet in irgendeinem Sommer. Er sollte Schlangen ausräuchern und hat es ein bisschen übertrieben. Das Arreal brannte bis auf die Grundmauern nieder.
Ja, Liebling, das war mein Alltag.
Auf Anraten der Hauptstadtethnologin beende ich diesen Artikel mit einem Gedankenstrich –