Die Woche im Rückblick

Wie versprochen serviere ich euch heute ein Bildermenü. Ein paar Bilder der letzten Woche …

Einige davon werden für Bildtafeln/Keramikfliesen für das Memory of Mankind-Archiv in Hallstatt weiterbearbeitet. Vielleicht habt ihr Favoriten, die unbedingt in die Ewigkeit eingehen müssten? Dann sagt es uns bitte …!

Dorfbrunnenwunsch, unerfüllt

In Offingen verlasse ich den Donauradweg und schlage mich durch hügeliges Ackerland. Bullenhitze. Sechsunddreißig Grad vorhergesagt. Stechende Sonne. Ich komme mir vor wie Clint Eastwood in – wie hieß der Western noch? – Drei dreckige Halunken. Bloß, dass mich kein Schuft mit vorgehaltener Pistole durch die Wüste treibt, sondern Hunderte von Stechmücken, die, sobald ich raste, gnadenlos über mich herfallen. Ein letztes Donaubad kurz vorm Wehr Offingen. Dann kommt wasserloses Land. In einem Dorf kann ich einen Privatwasserhahn in einem Vorgarten plündern, nässe T-Shirt und Kopftuch. Alle paar Kilometer muss ich das tun. In Roßhaupten prellt man mich um den Dorfbrunnen. Der schwere gusseiserne Schwengel ist festgekettet. Da wurde schon lange kein Wasser mehr gefördert. Erst am Dorfende entdecke ich eine Frau, die ihren Garten wässert. Mit dem Beregner netzt sie meinen Kopf und das T-Shirt.

Kirchturm Roßhaupten
Kirchturm in Roßhaupten

Auch in Bayern hat die (fiktive) Mudartlegende Heiko Moorlander ihre Spuren hinterlassen. Hier sein Erstlingswerk auf amerikanischem Boden, das bei den Mudart-Weltmeisterschaften im Death Valley entstanden ist, als Reproduktion an der B10 bei Zusmarshausen. Titel Dryland, 2005-2012 :-)

Heiko Moorlander Dryland

Orte bis Günzburg

Eine Auswahl der Orte, die seit Zweibrücken bis kurz hinter Günzburg durchquert wurden.

Ortsschilder Deutschland und Frankreich

Mallorca, bad Cop und ein Kölner in Munderkingen.

Fast wie Mallorca, spricht mich ein Mann an, während ich gerde den letzten Beitrag auf einer Bank außerhalb Munderkingens fertig geschrieben habe. Die Bluetoothtastatur auf den Knien, das Fon neben mir und eine Banane in der Hand, antworte ich scherzeshalber, das Eimersaufen fehlt. Aber der Kerl meint es ernst, nei, die Hitz. Schon klar. Und, schwupps, gerät er ins Erzählen, wie er vor langer Zeit einmal so töricht war, auf Mallorca eine Radeltour in die Berge zu machen, echt schön da, in der Mittagshitz, und die Einheimischen haben ihn ausgelacht, lagen alle in friedlicher Siesta im Schatten, jaja, Siesta machen die nicht umsonst, die wissen was von Hitze. Dann habe man ihn eingeladen zum köstlichsten Essen, das er je gegessen habe.

Der Smalltalk übers Radeln und das Wetter macht einen plötzlichen Schwenk und wir sind genau hier in der Gegend. Mit dem Kinn weist der Radler nach rechts den Hügel hinauf, die sind ja so korrupt, die Bullen hier, stellen sie sich vor, die haben mich auf dem Gehweg angehalten, im besten schwäbischen Akzent sagt er das, und dann den Samariter gespielt, dass es normal zwanzig Euro kostet, wenn man auf dem Gehweg radelt, aber sie drücken nochmal ein Auge zu. Immer näher rückt mein Freund, das Fahrrad zwischen den Beinen. Er trägt Gartenarbeitshandschuhe und eine Croupiersmütze, die er ab und zu abnimmt, sich den Schweiß von der Stirn wischt. Seine Eckzähne sehen so seltsam aus, dass ich ständig hinstarren muss – so wie er mir körperlich näherrückt, rücke ich seinem Mund mit den Augen näher. Ein Zahn ist dunkel und glänzt, als wäre er aus einem seltenen Metall, der andere gelb, aber das kann doch kein Gold sein.

Der Croupier hat noch mehr Bullengeschichten auf Lager. Nun weist er mit dem Kinn zur Bundesstraße, einen Kilometer weit auf den Hängen, dort haben sie ihn auch einmal dran gekriegt – weswegen, verschweigt er, sondern schwenkt zurück ins Dorf, wo sie ihn auf dem Rad mit Blaulich verfolgt haben und es deswegen zu einen Sturz gekommen sei, bei dem ihm ein Wirbel gequetscht wurde.

Mittlerweile steht er direkt vor mir. Wie zwei Kühe, die sich im Schatten des einzigen Baums auf der Wiese zusammendrängen sehen wir jetzt aus.
Ich beginne zu packen und es gelingt mir, ohne unhöflich zu sein, den Monolog zu unterbrechen. Kaum dass die vorigen Abschnitte des Livebuchs fertig sind, liefert mir mein redseliger Freund neuen Stoff. Wenn das so weiter geht …

In Munderkingen, drei Kilometer weiter, drücke ich mir um die Mittagszeit am Schaufenster eines Computerladens die Nase platt. Hinter mir plätschert der Stadtbrunnen. Überall im kleinen Städtchen sind zwei Meter große, bunt bemalte Störche aufgestellt. Das macht das ohnehin schon bunte Fachwerkbürgerhäuser-Stadtbild noch bunter. Die Läden sind allesamt bis vierzehn Uhr geschlossen. Auch Mittwochsnachmittags bleibt zumindest der kleine Computerladen traditionell zu. Im Dunkel erkenne ich nicht, ob es da drinnen ein Ladekabel fürs iPhones zu kaufen gibt. Ich muss vor Wochenende besser einen Ersatz finden wegen des Wackelkontakts im eigenen Equipement. Nicht auszudenken, wenn das Fon trocken fällt.

Gerade kommt ein Mann aus dem Wohneingang neben dem Laden. Der könnte doch wissen, ob die sowas verkaufen, vielleicht ist er sogar der Besitzer? Der Mann ist sich sicher, dass es das Gewünschte da drinnen nicht gibt und erklärt mir den Weg zum Mediamarkt in Ehingen: Hauptstaße bis zur Tankstelle, links und immer der Nase nach. Der Nase nach? Der Markt liegt in der Nähe einer Papierfabrik und deren Geruch muss man einfach nur folgen, sagt er verschmitzt. Wir kommen über das Woher und Wohin ins Gespräch und dass er noch immer nur mit GPS navigieren würde, obwohl er schon lange hier wohnt. Ursprünglich komme er aus Köln. In seinem Auto durchwühlt er schließlich das Handschuhfach auf der Suche nach einem iPhonekabel, er habe davon ja so viele, der Konzern ändere ja dauernd die Standards, so dass altes Equipement nicht zu neuem passe, kann aber leider keins finden. Er hätte es mir sogar geschenkt.

Ein paar Kilometer später finde ich in einem Edeka-Getränkemarkt ein Solarladegerät mit Akku und allen möglichen Adaptern, und da die Aussicht, in Ehingen durch Industriegebiete zu radeln, nicht sehr rosig ist, kaufe ich es kurzerhand auf die Gefahr hin, dass das ignorante Apple-Gerät den mitgelieferten Anschluss nicht akzeptiert. Einen weiteren Akku kann ich sowieso brauchen. Die exzessive Fotografiererei und das Vielschreiben und das Datenübermitteln fressen verdammt viel Strom. Glück. Das Ding ist kompatibel.

Die Einfahrt nach Ehingen ist alles andere als gastlich. Entlang einer Hauptstraße wird mir einmal mehr bewusst, wie wichtig der berühmte erste Eindruck doch ist. Wenn einem Lärm und Gestank die Laune vermiesen, erscheint die schönste Innenstadt in einem ganz anderen Licht, als wenn man durch lauschige Auen hinein geführt wird. Somit gerät Ehingen zum Schnellehingen. Kaum getraut und schon geschieden. Im Schnelldurchlauf mache ich eine Hipstafotoserie, duck und weg.

Ganz anders Ulm. Kilometerweit direkt an der Donau entlang mit einem kurzen Stück entlang der Bahnlinie, saugt einen die Stadt auf wie ein trockener Schwamm. Alles überragend das Münster, aber auch die reich verzierten Bürgerhäuser. Gegen zwanzig Uhr stehe ich auf dem Münsterplatz und bewundere, wie sich das warme Abendlicht in dem reich verzierten Bauwerk verliert. Welch ein Genuss. Schnelleinkauf im Nettomarkt – zwei Frauen am Tisch einer Eisdiele verwickeln mich in ein Gespräch und erzählen von der Gattin eines Freundes, die morgens um vier im Allgäu losgeradelt sei und um elf Uhr schon am Gardasee ankam. Hmm? Eine der beiden Damen macht ein Foto von mir und meinem spartanischen Abendessen. Von diesem mache ich ebenfalls ein Bild, das es heute bei Pixartix zu sehen gibt. Zum Thema heimatlos … :-)

Entlang des Flusses geht es raus aus Ulm. Überall auf den Wiesen lagern kleine Gruppen. Die Cliquen von Ulm. Shisharauchende Würfelspieljungs neben Kebabessenden älteren Paaren, schulklassenähnliche Teeniecluster gegenüber bärbeißigen Bettlern. Prollende Mittzwanziger unweit von Volleyballspielern usw. Ein leiser Gedanke an die Ewigkeit und dass das alles irgendwann vorbei sein könnte und wir einmal nicht mehr sind, macht mich ein bisschen sentimental.

Nach zehn Kilometern durch entweder bewaldetes Stechmückengebiet oder Wohnsiedlungen schiebe ich kurz vor Oberelchingen mein Radel eine Wiese hinauf und baue das Zelt sichtgeschützt hinter einer Hecke auf.

[Von Irgendlink an die Homebase gemailt, dort entfippthelert und publiziert]

Datthausen le Freundlich

Zwiefaltendorf. Kanueinsatzstelle und Fischweiher. Kurz danach ein Anstieg, den man nur noch schiebend bewältigen kann. Oben angekommen in Datthausen haben die Anwohner gleich mehrere Sitzgelegenheiten inklusive Sonnenschutz eingerichtet. Auf den Tischchen liegen Tafeln mit der Aufschrift: War das Schieben dir ein Graus, ruh dich hier ein bisschen aus. Trinkwassernbrünnlein gibt es auch.
Außerhalb Datthausen überholt mich ein braungebrannter, hagerer Typ: ein Tscheche auf Rückpilgerschaft aus Santiago. Auf dem GPS zeigt er mir stolz die geradelten Kilometer, 7100 über Österreich, die Schweiz, Frankreich, Spanien bis Valenzia und dann quer rüber nach Santiago bis ans Ende der Welt (Finisterre). Seit zweieihalb Monaten ist er unterwegs. Auf seiner Fronttasche prangt groß die Jakobsmuschel mit dem Schriftzug Ultreia e Susseia (weiß gerade nicht, wie man das schreibt). Hin und Rückpilgerung, ganz wie im Mittelalter, als es noch keine Flugverbindungen gab. Ein bisschen muss ich schmunzeln, dass vielleicht in Tausenden Jahren, wenn das Memory of Mankind-Archiv gefunden wird, die Entdecker gar nicht so viel anfangen können mit unserem Zeitkonstrukt. Dass die Erfindung des Buchdrucks und die Erfindung des Internets für sie aus so weiter Ferne aussehen muss, wie durch ein Teleobjektiv und sich die Distanzen verkürzen, so dass Buchdruck und Internet beinahe gleichzeitig erfunden wurden und Monsieur Irgendlink eigentlich ein Zeitgenosse Goethes gewesen sein wird?

Bei dem Gedanken an Santiago fällt mir meine Ankunft in der Kathedrale zur Abendmesse ein, als der Pater die eigentroffenen Pilger des Tages begrüßte, nicht namentlich, sondern per Nation: ein Schweizer, der In Roncesvalles gestartet ist, ein Deutscher aus Pamplona, vier Spanier aus Leon, ein Tscheche aus … Der Donauradweg hat ein ähnliches Feeling, wie der Camino Frances in Nordspanien, zumindest was die touristische Infrastruktur betrifft. Überall Gasthäuser, Herbergen, Campingplätze, perfekte Beschilderung, hunderte Kilometer liegt das graue Band, das niemals endet wohlformatiert vor dir.

Zwei Franzosen, die in Dijon gestartet sind, fühle ich mich in die Kathedrale von Santiago zurück versetzt, zwei Belgier aus in der Nähe von Brüssel, ein seltsamer Junge mit Schirmmütze, eine Dreiergruppe unbekannter Herkunft, eine Frau mit einem unheimlich knarzenden Radel. Das belgische Paar will bis ans Schwarze Meer radeln. Von Brüssel sind sie über Aachen und Köln bis zum Rhein geradelt, runter zum Rheinfall bei Schaffhausen, per Zug nach Sigmaringen und nun folgen sie der Danube, wie die Donau vermutlich auf französisch, wie auch auf englisch heißt. Der Tag ist wieder sehr heiß. Aber es weht ein guter Wind und mit nassem T-Shirt und Kopfhaube ist es erträglich. Das Fon macht ein bisschen Sorge. Das Ladekabel hat einen Wackelkontakt und es lässt sich nur sehr schwer Energie von den Zusatzakkus hineinpressen. Vielleicht kann ich in Ehingen einen Ersatz finden?