Die Wand

Gestern wieder geschuftet, nachdem ich für 30 Euro ein paar Rigipsplatten gekauft hatte. Die Wand zwischen Atelier und Wohnung in der Mache. Seit Jahren steht sie halb fertig. Es ist eine Hohlraumwand. Die Seite zur Wohnung sieht richtig wohnlich aus. Auf der Atelierseite klaffen Löcher, hängt Dämmstoff schlaff herum, sieht man Dachlatten. Sie ist unfertig. Vermutlich kann nur ich mir vorstellen, wie sie aussehen wird, wenn sie fertig ist. Ich kenne den Plan. Ich weiß was von der Zeit. Gerne findet man sich mit dem Zustand der Dinge ab. Die Entwicklung verschließt sich den Meisten. Ist eigentlich genau wie mit Menschen. Man begegnet ihnen, sortiert sie ein in Schubladen, sagt, so und so isser nunmal, dieser Mensch. Die Dynamik bleibt außenvor.

Trotzdem entwickeln sich die Dinge und trotzdem entwickeln sich die Menschen. Meine längst verflossene Freundin Kristin hat das so ausgedrückt: „Du bist auf dem Weg, ich bin auf dem Weg, wir gehen gemeinsam, bis unsere Wege in andere Richtungen führen“.

So entwickelten wir uns. Sie sich. Ich mich. Der Tag des Abschieds war schwer. Nur Liebe ist geblieben. Die Menschen sind weg (unterwegs in andere Richtungen).
In gewisser Weise waren wir wie die unfertige Wand zwischen Atelier und Wohnung. Zwei Ahnungen von einer unbekannten Zukunft.

Ähnliches hab ich gestern bei utopia gefunden (aus Terry Pratchets Der Zeitdieb).
Ich erinnere mich an gestern,« murmelte Wen nachdenklich. »Aber die Erinnerung steckt jetzt in meinem Kopf. Existierte das Gestern wirklich? Oder ist nur die Erinnerung daran real?

So verbrachte ich den Abend damit, zu denken, dass die Vergangenheit nur eine Erinnerung in der Gegenwart ist und somit nicht unbedingt existent sein müsste. Kristin hätte somit nie existiert und auch nicht die Wand, wie sie noch vorgestern halbfertig das Atelier von der Wohnung trennte. Die Wand ist weiß. Sie ist gerade, sie ist schön, nichts deutet darauf hin, dass sie zwei Jahre lang unverkleidet war.

Kurzer Eintrag zur Nacht

Heute mal wieder mit der Geocacherin Lilu unterwegs. Hatte eigentlich keine Zeit, weil ich die Bude mit dem Vorschlaghammer vergrößert habe. Baumaßnahmen stehen an. Trotzdem nehm ich mir die Freiheit, durch den Wald zu schlendern und Erdverstecke zu suchen.

Brillianter Tag.

Hätten am Morgen nicht vier Hühner tot im Stall und der Hahn mit einer schrecklichen Kehlkopfwunde im Sterben gelegen. Das geht mir hart ran. Wenn ich gläubig wäre, würde ich das Ereignis für ein Omen halten. Mein Vater ist am Boden zerstört. Der Hahn war sein Ein und Alles (naja, Eines von zwei Ein und Allesen). Mit dem Spaten gab er ihm den Gnadenstoß. Ich fühle mich mit verantwortlich, weil ich entgegen üblicher Gepflogenheiten nicht abends noch einmal nachgeschaut habe, ob er den Hühnerstall verriegelt hat. Somit hatte der Fuchs des Nächtens freie Hand.
Nun suche ich einen Hühnerverkäufer in der Region Südwestpfalz, stelle mir ein Geschenk vor, das meinen Vater etwa so erwarten wird: Kiste mit toller Schleife vor Haustür, und darin gackern ein paar Hühner und ein feines rotes Hähnchen.

Weiß jemand nen Hühnerladen?

Entscheidungen

Betriebssystem verwechselt. Somit in den Webmodus gebootet und nicht, wie geplant, das Bildbearbeitungssystem. Kann ich auch kurz Mails rufen und ein paar Zeilen an dieser Stelle hinterlassen.

Wenn dieser PC hochfährt, ist das wie eine Weggabelung. So ähnlich wie vorgestern, als QQlka und ich den Weg hinauf zur Moschellandsburg suchten. Einheimische erklärten uns die Route vom Dorf Niedermoschel bis zur Burg: „Zur Bundesstraßenüberführung, an der Gabelung rechts, geradeaus bis zur Burgstraße.“

Die schlängelt sich schneckengleich um den Hügel.

Leider hatten die Einheimischen vergessen, eine weitere Gabelung zu erwähnen. Wir keuchten bis dahin. QQlka sagte links, ich war unschlüssig. Null plus links gibt Links. So keuchten wir weiter, bis sich der Weg im Nichts verlor. Der war also falsch. Als Radler gibt man ungern Höhenmeter anheim, also fabulierten wir ein Bild von Burgweg, welches sich nur wenige zwanzig Meter von unserer Position manifestieren könnte. Ackerten durchs Gebüsch. Nach 200 Metern standen wir vor einer Kuhweide. Ich überlegte, umzukehren, aber QQlka wuchtete die Räder über Stacheldraht, weiter in einer 100 Prozent Steigung (das ist ein Winkel von 45 Grad, man bewegt sich genauso schnell nach oben, wie vorwärts). Laune total im Keller. Ich dachte an den Splügenpass, Simplon und San Bernardino, Pas de La Casa in den Pyrenäen, sowie zahllose isländische Pässe, die ich einst per Rad erklommen habe. Nun soll es hier scheitern? In dieser namenlosen Einöde, weniger als 300 Meter über dem Meeresspiegel?

Menschen, die auf dem Berg wohnen, sterben im Tal.

Vollkommen außer Puste stützte ich mich aufs Rad. Vor mir lag ein riesiger Kuhfladen. QQlka versuchte mich zu motivieren: „Es ist der Kopf,“ sagte er, „es ist immer der Kopf, er nimmt dir die Kraft.“

Fluchend weiter. Von Westen Gewitter. Genug Zeit, um über Entscheidungen nachzudenken. Man kann lange an Kreuzungen in der Unbekanntheit dieser Welt stehen und überlegen, welcher Weg der richtige ist. Vorwärts kommt man dann nicht. Das gilt sogar für richtige Wege, wie unseren unterhalb der Moschellandsburg.

Ein ähnliches Problem hatte ich heute mit den Bildern des Bliestallabyrinths: sollen die Endergebnisse bunt, sepia oder schwarz-weiß werden? Die Kreuzung ist ein 3 Gigabyte-Ordner.

Werde nun das Betriebssystem wieder wechseln. Bei Betriebssystemen ist die körperliche Anstrengung nicht so drastisch. Gerne gibt man ein paar Höhenmeter preis.

Und:

Die Bilder werden bunt, zu zwei Dritteln im Normalmodus mit Sepia überlagert. Die Aktion ist schon geschrieben. Den Rest erledigt die Software. Die Entscheidung für die Rahmenfarbe kann nur Altrosa lauten.

Hochzeitsparty

Erstmal gabs Probleme, per Radel und Zug in die Nordpfalz zu gelangen. Der Kaiserslauterer Knoten war wegen eines elektrischen Defekts über eine Stunde abgeschnitten. Ich in Homburg. Regionalbahnen allesamt gecancelt. Auf Gleis vier lauerte der Pariser Zug. Schienenersatzverkehr wurde angeboten. Man sagte, „ein roter Bus wird kommen und alle mitnehmen.“ „Auch Fahrräder,“ fragte ich. „Dies ist eine Ausnahmesituation, auch Fahrräder,“ sagte der Schaffner.

Kam kein roter Bus. So überlegte ich, von Bahnsteig zu Bahnsteig radelnd, ob ich die 30 km per Rad erledigen sollte. Schon willens zum Sprung belauschte ich das Service-Personal des Eurocity, „wir starten bald,“ also fragte ich, „nehmt ihr mich mit,“ sie sagten ja.

Mit 200 Sachen nach Lautern, den Anschlusszug um haaresbreite verpasst. Stunde warten. Aus den Lautsprechern dröhnte, „lassen sie ihr Gepäck nicht unbeaufsichtigt, dont leave your baggage allone.“ Fragt ein verwirrter Typ mit Sporttasche, „welchen muss ich denn nun nehmen,“ sag ich, „kann ihnen auch nicht helfen, fragen sie am Schalter, “ geht er weg und lässt die Tasche stehn. Unbeaufsichtigt. Was mach ich nu? Richtig arabisch sieht er nicht aus.

Kamen zwei schwarze Sherrifs aus der Unterführung, denk ich, wenn die die Tasche sehen, gibts Bombenalarm und keiner kommt mehr weg hier. Was sag ich denen?

„Die Tasche gehört mir?“

„Die Tasche gehört einem hellhäutigen Fremden ohne Bart und Kaftan.“

„Wie könnt ihr nur so hysterisch sein?“

Vorsichtshalber hatte ich mich hinter dem Stahlträger versteckt. Wenn die Bombe hochginge, könnte ich vielleicht überleben.

Die schwarzen Sherriffs entpuppten sich als braunes Battailon. Bomberjacken und wadenhohe Springerstiefel mit weißen Schnürsenkeln. Sie stellten sich direkt neben den Bombenkoffer. Er zündete nicht.
Weiter gings in die Nordpfalz, wo ich QQlka traf, wir gemeinsam über den Löwenstein-Cache bis zum Moschellandsburg-Cache radelten. Verflixte Berge. Die Nordpfälzer Geocacher legen zudem die Messlatte ziemlich hoch. Die Caches sind verdammt gut versteckt. Ich musste die halbe Burg auseinander nehmen, um Hinweise auf das Erdversteck mit Logbuch zu finden.

Zeit genug war ja. Die Hochzeitsparty stieg direkt unter dem Bergfried der Moschellandsburg. Piratenflagge wurde gehisst. Feuerwerk. Man trank und tanzte im Burgverließ. Knapp 200 Gäste aus der ganzen Republik. Ein Holländer, der sich mit lustigem Mützchen einschmeichelte. Franzosen. Anwälte bis zum Abwinken. Ausgiebig mit Staatsanwältin geflirtet. Dann ab ins Verließ.
In der Morgendämmerung krochen wir ins Zelt. Um 10 Uhr früh verließen die letzten Partypeople das Kellerverließ. Ich glaube, sie sind nur gegangen, weil sie bis 11 Uhr die gebuchten Hotelzimmer verlassen mussten.

Heute relativ rekonvaleszent noch einen weiteren Burgencache gemacht, ein wahnsinniges Rätsel, welches man zum Teil im Internet lösen musste.

Nun wieder hier, zum Nachtmensch mutiert und vollfit.

Auf geht`s ins Wochenende

Puuh, das war ne harte Woche. Leider bin ich am Buch nicht viel weiter gekommen. Dafür aber ist das Bliestallabyrinth so gut wie fertig.

Ich finde wieder Spaß am Leben. Räume das Atelier auf, Entwickele die nötige Lust für die zwei Ereignisse in den nächsten Wochen. Ende August kommt der Schweizer Maler Marc Kuhn und macht eine so genannte Col-Aktion hier auf dem Gehöft. Vermutlich werden wir zusammen ein großes Bild malen, miteinander, umeinander, gegeneinander. Die Aktion ist sehr spirituell, vermute ich. Im September geht der Mainzer Kunstverein hinaus aufs Land. Wo ist das Land? Hier auf dem einsamen Gehöft natürlich. Ich erhoffe mir eine witzige Party bei bestem Wetter. Familiär soll es zugehn.

Deshalb muss ich das Atelier von Eulenscheiße befreien. Schließlich soll auch Kunst an den Wänden hängen.

Jetzt bin ich heilfroh, dass Wochenende ist. Ich werde nichts tun, absolut nichts. Kein Computer, keinen Foto in die Hand nehmen. Nur das GPS nehme ich mit in die Nordpfalz. Dort feiert die zweite Vorsitzende des Kunstvereins nämlich morgen ihre Hochzeitsparty auf einer Burgruine. Wetter soll ja anständig werden. Hab die vier Geocahces um die Ruine eingespeist ins GPS. Einer liegt sogar direkt vor Ort. Das wird ein guter Tag mit netten Menschen und vielversprechenden Erdverstecken. Zudem in meiner alten Heimat.

Wünsch Euch ein gutes Wochenende.

Euer Irgendlink