Wissensvorsprung, Leser, habentut

Heute wieder für Zeitung unterwegs. Brasilianisches Kammerorchester in dunkler Kirche. Ich habe keine Ahnung von Kammerorchestrischen Manövern im Dunkeln. Ich vermute, der Kerl mit der riesigen Gitarre vor den Füßen, war der Kontrabassist :-).

Es gibt Themen, an die sollte selbst ich mich nicht wagen. Der Wissensvorsprung, den die Leser vor mir haben, ist im Ernstfall Kammerorchester einfach viel zu groß. Kaum möglich das in einer Stunde Schreib- und Recherchearbeit aufzuholen.

Wäre da nicht … Glück. Absolut grandioses Glück. Nein, das Kammerorchester hat keine Homepage in portugiesischer Sprache, die man sich mit zweifelhaften Maschinen übersetzen lassen könnte. Viel besser: Sie haben ein zehnseitiges, zweisprachiges Prospekt aus echter Mahagoni-Cellulose, in dem alles drin steht, was das Herz begehrt. Namen der Musiker, Komponisten, Geschichte des Orchesters, Infos über die Stadt, aus der sie kommen, sowie eine komplette Liste aller Stücke, Solisten, Komponisten. Ein Traum für den nichts ahnenden Pressereporter. Fast schon komme ich mir vor, als arbeite ich mit unlauteren Mitteln, um den Wissensvorsprung, den die Leser vor mir haben aufzuholen.

Die Musik hat mir auch gefallen.

Nebenbei: Ich frage mich, ob es nicht manchmal gut wäre, wenn Reporter über Dinge schrieben, von denen sie selbst keine Ahnung haben. Schließlich schreiben sie für Menschen, die ebenso keine Ahnung haben. Dann vermeidet man nämlich drögen Fachjargon. Und Kulturgewichse im Dienste des neunmalklug gewitzten Fachlesers.

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