Chef von Irgendwem – böse

Die französische Jazz-Rock-Reggae-Band, deren CD ich kürzlich im Juragebirge gekauft habe, trägt mich über die Schlucht des Vergessens. Jene Stelle auf dem Arbeitsweg, an der das Hirn normaler Weise umschaltet von kreativ auf rudimentäres Funktionieren. Um acht-Uhr-perversfrüh schält sich der Tag aus dem Dunkel. Nebelbänke auf der Anhöhe. Im Tal etwas bessere Sicht. Böser schwarzer BMW kommt mir lichthupend auf langer gerader Straße entgegen. Ein niederträchtiges, schuldzuweisendes Lichthupen, kein aufrüttelnd freundlich hinweisendes Lichthupen, so dass ich erschreckt das vermeintlich vergessene Aufblendlicht betätige. Da es aus war, schalte ich es ein. Das macht den Fahrer des BMW erst richtig wütend. Das Auto ist plötzlich auf meiner Spur, schlingert kurz vorm Frontalzusammenstoß zurück. Wach jetzt, bemerke ich mein Vergehen: Nebellicht vergessen. Im Rückspiegel verschwindet der BMW im nahen Dorf. Wenn da der Chef von Irgendwem drin sitzt, hab ich heute Irgendwem ein Scheißleben voller Qualen beschert.
Die Jazz-Rock-Reggae-Band dudelt monoton beruhigend weiter, so dass das Adrenalin in meinen Adern sich schnell verflüchtigt. Es herrscht Krieg zwischen den Schwachen und den Starken, zwischen den Aufmerksamen und den Teilnahmslosen, wird mir plötzlich klar, zwischen den Funktionierenden und den Nichtfunktionierenden, den Leistungsbürgern und denen, die aus irgendeinem Grund durchs Netz gerasselt sind und ich bin mitten im verwüsteten Niemandsland zwischen den Frontlinien.

5 Antworten auf „Chef von Irgendwem – böse“

  1. Ja, dieses Niemandsland zwischen den Frontlinien…schön beschrieben. Manchmal werde ich traurig, wenn ich darüber nachdenke. Darüber, dass eine Menge Unverständnis auf der Seite der „Leistungsbürger“ herrscht, weil es oftmals wirklich gute Gründe für das durchs-Netz-rasseln gibt. Und darüber, dass es wenig Chancen für die oftmals brillianten Qualitäten derjenigen, die in keine Schublade passen, gibt. Zu ungewöhnlich, verkannt, nicht genug Mut für Neues. Hm…

    Gut, dass dir nichts passiert ist!

    LG, Meike

    PS: Ich würde mir gerne erlauben, deinen Blog meiner öffentlichen Linkliste hinzuzufügen, wenn DU erlaubst…?

    1. Er war zum Glück weit genug weg. Was macht Mann, wenn er alle „legalen“ Mittel ausgeschöpft hat? Im Straßenverkehr, insbesondere auf der Autobahn empfinde ich diesen inneren Krieg in der Welt stets am intensivsten. Es ist subtil genug, um nicht als Krieg aufzufallen, die Mittel sind mächtig genug, um sich den Anschein von Gefecht zu vermitteln. Ich hasse Autobahnfahren. Am simplen Beispiel Autobahn wäre die Lastergeschwindigkeit die Geschwindigkeit der „Schwachen“ und die „Starken“ rasen mit Tempo 180 vorbei – dazwischen zerrieben werden diejenigen, die der Richtgeschwindigkeit folgen. Ich frage mich, ob die Schnelleren gegen die weniger Schnellen mehr Stress haben und ob sich die weniger Schnellen in ihrem Drang zum Aufstieg unnötig stressen – im übertragenen Sinn: ob es nicht schädlich ist fürs Gemüt, nach Mehr zu streben?

  2. Die Leistungsbürger rasseln manchmal heftig rein- ins Loch der plötzlichen Arge-Gänger- nach Betriebsschließungen z.B.- unsereins wüsste immer was zu tun, aber DIE können einem dann leid tun…
    wie gut, dass Du nicht gerempelt wurdest!
    Gruß von Sonja

  3. zwschen den fronten zu sein, ist kein zuckerschlecken. manchmal ist neutralität ganz schön schwer auszuhalten. position zu ergreifen ist gar keine so schlechte wahl. ja, wahl, denn die hast du zum glück fast immer.
    bin ich froh, ist dir nix passiert!

    und froh bin ich auch, dass dich auch nach dem tal des vergessens inspirierende gedanken verfolgt haben. um dieses tal überleben zu können, müssen sie offensichtlich ganz schön stark sein:-)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert