Mein Weg so weiß

Pilgerherberge San Esteban in Castrojeriz. Zum ersten Mal seit Los Arcos wieder mit einer nennenswerten Anzahl von PilgerInnen in einer Herberge. Peter aus Deutschland, der den Weg schon zum 12. Mal läuft. Auf dem Rückweg nach Hause. 2 Spanierinnen, ein italienischer Hochleistungspilger, der in zehn Stunden von Burgos hierher gelaufen ist. Die zierliche Japanerin Misaka, die seit Le Puy läuft. Bloggerin Alice (Alice läuft den Camino). Umd natürlich meine schräge Puristenpilgerfamilie aus Rabe. Wie so oft muss ich mein Geplapper von gestern revidieren. Slovenin Martina erweißt sich als sehr patente Laufgenossin. Immer wieder begegnen wir einander in der Hochebene zwischen Rabe und Hontanas. Das ist für unser beider Psyche ziemlich wichtig. Zu wissen, dass man nicht alleine ist auf dem ewigen, meist geraden, verschneiten Weg. Mit den beiden anderen soll es bis zum Nachmittag dauern, dass ich sie wiedersehe und dass wir erste Worte wechseln. Gestern Abend konnte ich erste Geheimnisse erfahren, weil sie sich leise auf englisch unterhalten im dunklen Herbergszimmer. Er heißt Aki und er war mal ein halbes Jahr auf Wanderschaft, lausche ich mit. Den Rucksack hat er nie ausgepackt während dieser Zeit. Ihren Namen erfahre ich erst morgens, als ich das Gästebuch der Herberge lese: Nora. Ein bisschen erinnert mich diese Lauschszene an den Roman ‚Mein Herz so weiß‘ von Garcia Marquez (? oder ähnlich); in dem Buch gibt es eine einfühsame Belauschungszene in einem Hotel in Havanna. Was man durch Mithören alles über die Menschen erfährt. Nora gibt und gibt keine Ruhe; im fünf Minutentakt, immer wenn man fast eingeschlafen ist, erzählt sie mit Aki, den sie übrigens auch immer wieder weckt. Er kommt mir vor wie eine menschliche Klagemauer. Tagsüber folge ich den Spuren ihrer abgewetzten Schuhe durch den Schnee. Auch hier lese ich allmmögliches Zeug. Noch mindestens zwei weitere PilgerInnen vor uns. Alice und Masuki? Nora geht immer links von Aki.
Ab Hontanas führt der Camino abwärts. Es fängt am zu schneien, später Regen. Jemand hat seine Schuhe eulenspiegelesk über eine Stromleitung geworfen. auf der Rückseite der Verkehrsschilder sind Sprüche gemalt, die einem Mut machen, weiter zu laufen.
Die Herberge San Esteban wird zur Zeit von dem Mallorciner Christobal gemanagt. Er befindet sich mit seinen vier Hunden auf Rückpilgerschaft nach Llerida. In Santiago gab es einen Zeitungsbericht über ihn.

Ich bin diesertage etwas konfus und komme mit dem weiten Land nicht so gut zurecht. Es ist fast so, als ginge die Art der Pilgerschaft Hand in Hand mit der Art der Landschaft. Aus der Geborgenheit der navarrischen, bewaldeten Täler nun ausgeliefert in der winterkahlen Messieta. Vor dem Internetcafé in Castrojeriz hängt ein Schild‘ ‚Santiago 437 km‘. Morgens passiere ich eine ‚Area 469‘. In der garstigen Ebene kommt man gut voran.

Abwärts nach Hontanas
Ortseingang Castrojeriz
Am Abend ein Streifen Sonne in Castrojeriz. 5 Grad

Eine Antwort auf „Mein Weg so weiß“

  1. „In der garstigen Ebene kommt man gut voran.“
    Ein Satz, der mir eine Gänsehaut verleiht. Für sich genommen eine kleine Metapher für den Hamsterrradalltag und auch sonst alles mögliche.
    Dennoch wünsche ich dir gutes Vorankommen, natürlch, und buen camino auch heute!

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