Meine tollen fettigen Schweizer Küchenbrettchen

Geradezu ästhetisch schnippt die Axt, sprichs mit Yogastimme „auuffhacken und aabbhacken … auuffhacken und …“ Gerade zerkleinere ich ein Kunstprojekt in Ofen gerechte Stücke, das ich schon ein paar Monate im Kopf trage.

Vielleicht ist es gar mehr als ein ganzes Jahr her, dass ich mit Frau SoSo einen Spaziergang am Wasserschloss machte. Wir hatten die Reuss überquert, flanierten am Flussufer, erreichten ein kleines Strandbad mit Grillplatz. Grillplätze sind ein Stück Schweizer Kultur. Jede Gemeinde betreibt eine oder mehrere Grillstellen mit Schwenker, Feuerschalen, Sitzbänken. Oft raucht auch im Winter ein kleines Feuerchen, sitzen Menschen darum, schmoren ihr Essen. Selbst geschnitzte Stöcke, auf die man die Schweizer Grillwurst persee, Servelat, aufspießt, legen die Menschen nach Gebrauch stets neben das Feuer. Man kann sie weiterverwenden, wenn man selbst ein Feuerchen entzündet. Bei den Feuerstellen gibt es meistens auch einen Vorrat Brennholz, hervorragendes Material, oft Buche oder Eiche, furztrocken und fein gespaltet. Die Schweiz ist grilltechnisch ein Schlaraffenland in dem dir die gebratene Servelat wie von alleine in den Mund fliegt.

Die Reuss treibt nahe des kleinen Schwimmbads langsam auf das Wehr zu, wo sie mit Getöse einen letzten Sturz macht, um sodann mit den Flüssen Limmat und Aare das sogenannte Schweizer Wasserschloss zu bilden.

Die Grillstelle war verwaist. Im Feuerholzstapel befanden sich gut zwanzig Küchenbretter, wie neu, ein bisschen fettig und noch während wir über diesen bizarren Fund rätselten, kam mir die Idee, dass man die Brettchen prima verwenden könnte, um Kunst darauf aufzubringen. Zum Beispiel in Potch-Technik wie im Beitrag zuvor erwähnt. Kurzum steckte ich so viele Brettchen wie möglich in meinen Rucksack, nahm sie mit ins heimische Atelier in der Pfalz, wo sie einige Monate im Trockenen standen und ich mir immer wieder vorstellte, wie ich sie säubere, schleife und Bilder im Transferdruck aufbringe et voilà le Kunst.

Nichts geschah. Monate lang. Die Brettchen wechselten bei Aufräumarbeiten immer wieder ihren Platz und immer wenn sie mir vor die Augen kamen, dachte ich über mein Kunstprojekt nach, ein zwei Tage Arbeit und Akribie und ich hätte eine urige Serie Kunstwerke geschaffen. Die Bedingungen stimmten allerdings nie. Erst einmal müsste ich sie säubern, abschleifen, trocknen, dann die Motive auswählen, laserkopieren, aufbringen, das Papier abrubbeln, lackieren, signieren, fönen, waschen legen der feinen Künste. Gestern entdeckte ich die Brettchen auf einem alten Holzanhänger, den ich begonnen hatte, zu einer Traktorgalerie umzubauen (auch so ein Projekt, das im Kopf geistert). Weil es im November geschneit hatte und der Schnee unterm Vordach auf dem Anhänger landete, war alles feucht. Was rosten konnte, rostete. Was schimmeln konnte, schimmelte, so auch meine tollen fettigen Schweizer Küchenbrettchen.

Nun kam mir meine jüngst per gutem Vorsatz angemahnte Vollstreckermentalität in die Quere (zur Hilfe). Dinge, die schon lange im Hirn gären und auf unbequeme Weise mit der physischen Welt verschränken, anzugehen, sie zu erledigen, sie abzuhaken.

Es schien aussichtslos, die Brettchen endlich in Kunstwerke zu verwandeln. Die Verschimmelung hatte dem Projekt eine ungewohnte Wendung gegeben. Die nahe Axt zur Hand zu nehmen und das einst so kostbare Material in Anfeuerholz gerechte Stücke zu zerlegen war ein Leichtes.

Beim mantrischen Hacken, stets die Worte „einhacken und aushacken, einhacken und aushacken“ im Sinn, schmunzelnd voller Lebenslust, kam ich zu dem Schluss, dass mein Jahr 2022 auch von Abschieden geprägt sein wird. Von bewussten Neins zu Gegenständen, die auf dem Rücken von Ideen und Vorhaben meine Gedanken belasten.

Das Mindeste, was ich für meine fettigen Schweizer Küchenbrettchen tun kann, ist ein Nachruf, diesen hier, in Blogform. Schnell getippselt an einem sonnigen Morgen.

Das Feuer im Ofen lodert. Ich frage mich, welchen Gegenstand ich als nächstes opfere, um meinen inneren Gott der Ruhe und Sorglosigkeit milde zu stimmen.

Die Traktorgalerie vielleicht? Ach und das Auto, das wollte ich doch auch verschrotten.

3 Antworten auf „Meine tollen fettigen Schweizer Küchenbrettchen“

  1. Ha. Als ich sie neulich so liegen sah, auf ebenjenem Anhänger, stiegt die Frage auf, ob es für sie ein Leben nach dem Grillfeuer gebe. Und siehe da, es gibt eins: Im nächsten Feuer Wärme spendend.

  2. Grillstaende gibt es hierzulande auch haeufig, in Parks und auf Rastplaetzen, aber immer nur sehr einfach gehalten: ein Blechkasten von vielleicht 50x30x20 Zentimetern, mit einem Grillrost cdrin. Das ist schon Alles. Es ist sonst nichts da. Man muss Alles, was man benoetigt, selber mitbringen.
    Liebe Gruesse,
    Pit

  3. Pass auf, dass der „Gott der Ruhe“ Dich nicht zur Tabula rasa führt. ;-)
    Du kennst doch bestimmt Fotos von Ateliers bekannter Künstler. Offensichtliche Ordnung herrscht dort eher nicht, vielmehr das Nebeneinander des Disparaten, in das dann der kreative Blitz zu gegebener Zeit einschlägt.
    Uwe

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