Um elf Uhr ist eine Ausstellung in einer weitwegen Stadt weiter östlich, zu der wir eingeladen sind. Sonntags. Elf Uhr. Perversfrüh! Eigentlich wollten SoSo und ich hingehen, zumal wir den vernissierenden Künstler sehr mögen. Aber sonntags. Elf Uhr. Perversfrüh! Den inneren Schweinehund vor die Tür treiben? So trudelt der Morgen dahin. Die Uhr? Keine Ahnung. Aber seichte Sonne und Katze, die in der Wohnung nach Wollmäusen jagt, sagen uns, dass es bestimmt schon soooviiiel Uhr ist, wenn nicht noch später. Und bis wir aufgestanden sind, gefrühstückt haben, uns die vierzig Minuten über die Autobahn in die weitwege Stadt weiter östlich gequält haben, ist die Laudatio längst gehalten, der Sekt klimpert in den Gläsern, die Leute reden über dies und das und hinter ihnen an den Wänden hängt einsam die Kunst.
Konsens. Wir gehen nicht. Ich koche Kaffee und Tee, zünde das Feuer im Holzofen an, füttere die Katze, lasse den Tag langsam heranrollen. Wie ein Eisenbahnwagen, der sich auf abschüssiger Strecke vom Zug gelöst hat … den Tag aus dem Zeitkorsett lösen, so dass er seine ureigene Form wieder annehmen kann, das ist mein Ansinnen. Überhaupt. Die Zeit, die Kunst, die Zwischenmenschlichkeit, die Konventionen, nach denen wir alle leben und uns mehr oder weniger diszipliniert nach ihnen richten. Ein gutes Thema an einem Sonntagmorgen.
Kürzlich sagt mir der Künstlerkollege P., er wünsche sich mal ein Jahr Auszeit. Ein Jahr ohne jeglichen Zwang. Ohne Zeit, ohne Termine, ohne sich um auch nur irgendwas zu kümmern. Zwischen Tür und Angel stehen wir einander gegenüber und tauschen gehetzte Parolen zweier Werktätiger auf ihrem Sprung von einem Wichtigen zum nächsten und mir fällt mein „Jahr ohne Termin“ wieder ein, das ich vor zwei Jahren am ersten Januar überlegt hatte zu beginnen. Es aber nie tat. Warum nicht? Weil ein Jahr ohne Termin eine Utopie ist. Eine Sache, die, sobald du dich ihr näherst, umso unwahrscheinlicher wird, je mehr du ihr auf den Leib rückst. Und in der Tat ist es doch ziemlich grotesk, ein Jahr ohne Termin an einem bestimmten Termin zu beginnen und es auf eine bestimmte, terminierte Länge zu reduzieren.
Den Elf-Uhr-Termin haben wir nun galant verbummelt und liebäugeln, heute Nachmittag, irrrgendwann rüber zur Ausstellung zu fahren. Einen ganz normalen Sonntagsausflug zu machen. Aber vielleicht bleiben wir auch einfach daheim und versumpfen vor Blog.
Dementi:
1.) Wer hat die Katze gefüttert bitte schön?
2.) Wie hat dieser Jemand heute die Katze gefüttert?
Nur dass es mal gesagt ist: Manchmal flunkert der werte Mösiö Irgendlink. Das nennt sich dann literarische Freiheit. :-)
Klasse Text!
Ich freu mich, dass du mal wieder gebloggt hast.
Oke. Du, nee, Jemand aus meinem Bekanntenkreis hat nackt die Katze gefüttert. Das war eine Heldinnentat
Lieber Juergen;
klingt nach einem Sonntagmorgenbeginn, wie er mir gefallen koennte. Hier bin ich heute aber schon um kurz nach 7 raus, weil ich einfach nicht mehr schlafen konnte, und lasse jetzt den Morgen langsam bei Kaffee, Bloggen und Country-Musik anfangen. Das Versorgen der „Raubtiere“ [mittlerweile 5 Katzen plus einen Hund] habe ich noch etwas verschoben. Kommt aber noch.
Hab‘ noch einen feinen Restsonntag,
Pit
schön, diese Sonntags(ver)bummelei … und noch schöner ist der letzte Teil deines Textes und deine Schlussfolgerung: ein Jahr ohne Termin … klingt zwar verlockend, erscheint aber unmöglich obwohl … wenn man in ein retreat ginge, in eine Höhle und der Liebste brächte jeden Tag oder einmal wöchentlich ein bisschen Reis, Gemüse und Teenachschub vorbei … nun ja … zeig mir die Höhle!
liebgrüss und so
Jein. Auch eine Höhle wäre schon so Termin ähnlich, dass es der Sache widerspräche. Vielleicht? Ich glaube, das Problem ist, dass Zeit und Raum untrennbar mit uns verwachsen sind.