Wetten, dass … dieser Mann die Fußballergebnisse an Hand des Autokorsohupkonzerts nach den Spielen sagen kann? In wirrem Traum erwacht Monsieur Irgendlink Schulter an Schulter mit Thomas Gottschalk. Vor Millionenpublikum – Applaus, Applaus – in einem lichtdurchfluteten Fernsehstudio. Die Maske hat ganze Arbeit geleistet, Schweiß und Schmutz der letzten Tourtage wegretuschiert. Fönfrisiert, saubere Kleider, Thomas legt brüderlich den Arm um des Helden Schulter, was irgendwie nicht zu den Ebereschenwipfeln passen will, die sich hellgrün in den nordisch klarblauen Himmel recken. Davor das Fliegennetz des Zelteingangs und von drüben, von der anderen Rheinseite zischt die Bundesstraße nach Basel, halb Acht, die ersten Hundegassigänger auf dem Wanderweg neben meinem Zelt. Wie ist das Spiel ausgegangen, frage ich einen Mann mit Golden Retriever. Zwei zu Zwei, packend, und er gibt einen kurzen Bericht, wer wann welches Tor in der wievielten Minute, derweil im Hier und Jetzt die Morgenvöglein zwitschern und eine Harley auf der Schweizer Seite sich durchs Klangbild schiebt. Düü-düdelüü-düdüdelüü, höre ich als letzten Traumfetzen die Wetten-Dass-Verlierermusik. An Hand des gestrigen, sehr verhaltenen Autokorsogehupes, hätte ich auf zwei zu eins für Ghana getippt.
Die gestrige Etappe führte von meinem Zeltplatz im Privatgarten bei Artzenheim über ein gemisch aus ruhigen Landstraßen und Kanalradweg nach Neuf Brisach. Eine – ich glaube – fünfeckige Vauban-Festung mit fünf Wehrtürmen und etlichen Gräben und Schutzwällen. Für die damalige Zeit, Siebzehnhundertnochwas glaube ich, uneinnehmbar. Erst kürzlich hatte ich eine Reportage über Vauban, den Festungsbauer und auch Festungseinnehmer der späten französischen Könige gesehen. Überall in Frankreich hat er seine militärarchitektonischen Spuren hinterlassen. Neuf Brisach, zu deutsch Neu-Breisach, ist an diesem Samstag wie ausgestorben. Kein Markttreiben auf dem riesigen Exerzierplatz in der Mitte des Festungsstädtchens. Eine Gruppe Biertischgarnituren für etwa 100 Gäste, wie verloren, daneben ein Ausschank mit zwei drei Schluckspechten.Mittag. Die Radwegebeschilderung ist mies, so dass ich durch alle drei Stadtore ein und ausradele auf der Suche nach dem Kanalradweg am Rhein-Rhône-Kanal, schließlich zusammen mit einem englischen Paar, das unbedingt zum Rhein radeln will, nach Sonnenstand navigiere Richtung Südwesten und über Landstraße bis Heiteren (dort erfinde ich die Geschichte zweier gleichreicher Bauern in Heiteren, die ich noch schreiben möchte). Ab Heiteren über teils übel zugerichtete Buckelpistenkanalwege durch ein Urwald ähnliches Gebiet, Konfrontation mit bösem schwarzem Hund inklusive, vorbei an Mühlhausen. Kanalradeln bis Basel durch ein Gebiet, das sich die Camargue Alsacienne nennt, die elsässische Camargue. Ich erwarte Pferde und erhalte Vögel, Stechmücken, Vogelbeobachtungstürme. Ab Hunigue verstädterte Zone, Übergang nach Basel und plötzlich stehe ich in Sankt Johann am Rhein. Tausende Sonnenbadende auf den Terrassen am östlichen Ufer. Auf dem Radweg nach Rheinfelden gelange ich ungewollt (eigentlich bin ich auf der Suche nach der schweizer Rheinroute, die bestens geführt und beschildert sein soll) ins fußballstille Deutschland. Überall Flaggen. Kaum Autos unterwegs. Eine einsame Hundegassigängerin zeigt mir das inoffizielle Strandbad von Grenzach Wyhlen, wo ich mein Zelt aufstelle, abendliches Bad im Rhein inklusive. Ich schalte den Track wieder ein, so dass man die heutige Etappe live verfolgen kann.
https://track.gs/4iD9Vx
Bilder: Schattenwurf eines Hauslöwen in Basel, Rhein in Basel, Sonnenuntergang bei Grenzach-Wyhlen, Blick aus dem Europennerzelt am Morgen.
eben erst entdecke ich deinen neuen artikel. hach, es macht einfach freude, das unterwegs-sein mit dir!!
Dankeee. Das spornt an.