Max, der Pilger

Frühmorgens rief Nachbar J. an, wo führt denn der Jakobweg weiter?

Ganz montypythonesk erklärte ich es ihm: Rauf zur Landtraße, hundert Meter durch dichten Verkehr, rüber auf die andere Seite und im ersten Feldweg links bis zum Waldrand, der Weg mit der kleinen Obstbaumallee. Alles kein Hexenwerk, aber ich weiß, ist doof, da oben im Nichts sich zu orientieren.

Natürlich ahnte ich, dass gerade ein Pilger bei ihm nach dem Weg fragte. Also zeichnete ich eine Skizze, packte den hofeigenen Pilgerstempel, spazierte ihm ein wenig entgegen. Am steilsten Abschnitt stand ein junger Mann mit drei Hunden und einem voll bepackten Bollerwagen. Das Wegstück hat wohl seine 20 Prozent. Wir plauderten, er verschnaufte, die Hunde hechelten. Zwei sehr ähnliche Hunde hatte er in Rumänien aus einem Wurf von sechs Welpen adoptiert, die er am Straßenrand gefunden hatte. Ein großer Hund mit unendlich Fell, hellbraun bildete den vierten im Bund der Pilgerrunde. Hellbraunes Fell. Jemand habe ihm ein Ohr abgeschnitten und er sei auf Jäger nicht gut zu sprechen und überhaupt, naja, ich bin ohnehin sehr zurückhaltend Hunden gegenüber. Gemeinsam schoben und zogen wir den Wagen den Berg hinauf bis zum einsamen Gehöft. Max aus Braunau am Inn. Seit sieben Jahren unterwegs kreuz und quer durch die Welt und nun eben auf dem Jakobsweg mit Ziel Santiago. Ich mach das für meinen verstorbenen Onkel, sagte er. Krebs.

Ein zwei Stunden ruhten er und die Hunde sich aus, lud er das Handy, gab einen Blick auf sein momentanes Leben als, naja, Reisender, Pilger, Woofer (Worker on organic Farms; arbeitet gegen Kost und Logis). Wobei er vielfältige Fähigkeiten mitbringt. Automechanik, Gartenarbeit, Carearbeit. Wie so ein moderner Heiliger, der nicht viel Aufhebens macht um seine Person, so kam er mir vor. Gutes tuend von Ort zu Ort, auch Gutes nehmend und auch mal die üblen Seiten der Zivilisation erlebend, das bleibt ja auf der Straße nicht aus. Dabei ist er ganz und gar nicht obdachlos. Zumindest erzählte er von einigen Traktor-Oldtimern, die er zu Hause hat und allmögliches Zeug, was man ohne Obdach sicher nicht hat. Die Nacht hatte er nur einen halben Kilometer entfernt von hier zeltend bei einer Wanderhütte verbracht. Dort gab man ihm abends warmes Essen und überhaupt, die Leute in unserer Gegend seien äußerst freundlich und liebenswert. Hört man natürlich gerne.

Er ist mittlerweile der dritte oder vierte Pilgergast in meiner bescheidenen inoffiziellen Pilgerherberge. Vielleicht sollte ich doch mal ein Gästebuch anlegen, damit ich mich erinnere (aber dafür ist nun dieser Blogeintrag gut).

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