Auf dem kleinen Balkon an der Nordseite sitzen. Der Landstraße beim Zischen zuhören. Ins kahle Geäst des Windschutzes starren. Die Schwere des Graus des Winters aufs Gemüt betten. Den Menschreaktor hochfahren. Ofen brummt in der Bude. Durchs zugige ehemalige Stallfenster hört man das Knacken der Fichte. Flammen flackern hinter der Ofenscheibe. Ruß und Rauch und frische Luft. Wind umspielt das einsame Gehöft. Wahr und Falsch wie Schleim, der in Zeitlupe ausgespuckt, fliegt, zwei Pole bildet, gehalten durch ein zerreißbares Band. Ein ekliges Bild, ich gebe es zu.
‚Das graue Band, das niemals endet‘, denke ich und stelle mir die Straße vor, wie sie niemals endet und mir wird klar, mein lieber Spruch, den ich schon so oft gebraucht habe und der gar der Titel des einen oder anderen Blogartikels ist, ist grundfalsch. ‚Niemals‘ ist Zeit. ‚Nirgends‘ wäre richtig, aber auch falsch, denn wenn man auf der Straße, dem grauen Band, steht und sich ganz sicher ist, dass es nirgends endet, so denkt man doch nur eindimensional in die Länge. Wenn man sich um neunzig Grad dreht, starrt man direkt auf das graue Band und dessen Ende in der Breite im schmutzigen Straßengraben.
Gedanken fangen. Das ist es, was ich tue. Aber auch das ist Quatsch. Man kann sie nicht fangen. Fassen kann man sie. Aber auch das ist nicht richtig. Fassen kann man Flüssigkeiten. Sind Gedanken flüssig?
Gefangen zwischen den Begriffen Wahr und Falsch, komme ich zu dem Schluss, dass Wahr und Falsch ohneeinander gar nicht existieren können. Immer wenn man ein bisschen Wahrheit in die eine Schale der Waage wirft, entsteht in der anderen Schale der Waage ein Gegenüber aus Falsch.
Eigentlich dürfte man gar nicht erst anfangen, über etwas nachzudenken, denn sobald man dies tut, setzt man Kräfte in Gang, die miteinander ringen. Wie Krieg. So funktioniert alles. Dadurch, dass die Kräfte nie gleich groß sind, entsteht Bewegung und mit der Bewegung entsteht Chaos und mit dem Chaos kommt das Bedürfnis nach Ordnung, das auch wieder eine Kraft im Spiel ist.
Bei genauerem Nachdenken ist es gar nicht die Straße, die zischt. Es sind die Autos mit den Leuten drin auf dem Weg zum Morgengottesdienst. Aber auch das ist nicht richtig. Es sind nicht die Autos, die zischen, es ist das Reiben der Reifen auf Teer.
Je mehr ich an diesem gefangenen Gedanken denke, desto wirrer wird alles, desto mehr verliere ich mich im Spiel der Kräfte, die ich durch morgendliches Hinhören, Beobachten, darüber Denken, entfacht habe.
Alles, was ich in diesem Artikel schreibe, ist falsch. Und richtig. Wenn ein Falsch auf ein Richtig trifft, neutralisiert es sich zu Nichts.
Vielleicht.
Das wäre gut. Dann hätte es nie existiert. Wobei etwas, das nie existiert hätte, dennoch existiert hat, aber nicht mehr ist.
Es ist zum Verrücktwerden. Wäre mir bloß nicht das Zischen der Straße aufgefallen. Ich hätte so schön auf dem Balkon sitzen können und dem Zischen zuhören können und das Geäst der winterstarren Bäume beäugen können wie es im Wind unterm tristgrauen Himmel wiegt, ohne darüber nachdenken zu müssen und es schließlich aufzuschreiben.
Hach … ja, sowas kenn ich gut.
Großes Kopfkino, und doch so anstrengend.
Die Beschreibung der Umgebung ist so gut getroffen, dass man meint ebenfalls die zischende Straße zu hören.
Wahr und Falsch, in der Tat gerühmte Worte – oft benutzt und in der Tiefe nicht ausgelotet.
Der Philosoph verliert sich gerne im DENKEN, da will er hin, da ist sein Zuhause.
Mal ein hallo! Das ist jetzt nur ein Kommentartest, weil es letztens nicht funktionierte.