Ich bin zu schnell. Meine Arbeitsweise ist roh und grob. Kaum erlebt, schon gedacht, schon in Worte verwandelt und in irgendeinem geheimen Zwischenspeicher des Gehirns abgelagert. Damoklesk gaukelt über mir eine tonnenschwere Tastatur aus Eifelschiefer an haardünner Fahrradspeiche. Es gibt eine Idealgeschwindigkeit bei allem was man tut, die einen ruhigen Gedankenfluss erlaubt, den Körper nicht überstrapaziert und – im Falle des Kunstschaffens – ein harmonisches „Produkt“ hinterlässt. Einen Text, ein Gemälde, ein Musikstück, eine Fotoserie. Nur wenn der Mensch in Einklang ist mit seiner Umwelt, wenn sein Erleben sich perfekt in die Nischen des Durchlebten einpasst, gelingen solche natürlichen „Produkte“. Ich schreibe es in Anführungszeichen, weil mir kein besseres Wort einfällt. Eben das was entsteht, wenn man einfach nur macht, um es salopp auszudrücken.
Gestern Abend war ich total verspannt, weil ich zu schnell radelte, zu schnell dachte, zu schnell handelte. Den lieben langen Tag lang durch die wunderbare Kalkeifel. Die Radroute Rheinland-Pfalz ist in der Eifel besonders vielfältig und dank ihres Verlaufs auf alten Bahntrassen auch moderat von den Steigungen her.
Überhaupt: Eifel. Gefühlt habe ich Hunderte von Eifeln durchquert. Südeifel, Vulkaneifel, Karsteifel, Krimieifel … die Rheinland-Pfälzer kennen wohl mehr Worte für Eifel als die Inuit für Schnee.
Durchs Eifelkrimiland um Hillesheim und Bernsdorf führt der Radweg rüber ins Ahrtal, wo die Bahntrasse jedoch nur spärlich genutzt wird und dem Radler eher Hindernisse in den Weg legt, als ihn voranzubringen. Oft muss man den halbfertigen Bahnradweg verlassen, sprich vom fünfzehn Meter hohen Damm runter und später wieder rauf, weil eine Bahnbrücke nicht restauriert wurde und die Radroute deshalb über andere Wege führt. Wie mache ich aus einer topfebenen Bahnradstrecke eine Hochgebirgsroute? Die Ahrwegbauer wissen wie: gib ihnen die Steigung scheibchenweise, lustiges rauf und runter vom Bahndamm, hahaha.
Aber im Ernst, ich tue den Planern des Ahrradwegs Unrecht. Es ist verflucht schwer, in dem engen, schieferigen Tal überhaupt einen Radweg zu planen. Die alten Bahnbauten, Tunnel und Brücken sind in einem teils verheerenden, unsicheren Zustand. Es würde Millionen kosten, sie zu restaurieren und durch das sich ewig windende Tal mit den schroffen Felsen führt nunmal nur eine begrenzte Zahl von Wegen.
Ein bisschen erinnert mich das Ahrtal an das mittlere Nahetal zwischen Kirn und Bad Münster am Stein. Nur viel höhere Berghänge. Spärlich gibt es, wie an der Nahe auch, Weinberge. Ultrasteile Etwasse auf kleinen Terrassen.
Altenahr le Mondän. Eine verrückte Stadt. Es gibt, ähm, es gab einmal eine Seilbahn, die den steilen nördlichen Hang hinaufführte. Nun rostet sie vor sich hin und mit ihr verfallen etliche alte Cafés und Restaurants. Ein Trümmerfeld niedergehenden Bädertourismus aus der Zeit der Rheinromantik? Ich weiß es nicht, und ganz so schlimm ist es denn doch nicht, denn als ich von der Seilbahn weiterradele und ins Zentrum komme, das sich an der Hauptstraße neben dem Fluss erstreckt, fühle ich doch noch Puls. Und zwar einen ganz schrägen. Ein glänzendes, riesiges Tanzlokal voller Leute mit Tanz täglich ab 16 Uhr. Fensterfront und schmucke Hausfassaden und viele andere Gastlichkeiten, die an Kurstadt erinnern.
Das Tanzlokal impft mir Eye Of The Tiger ins Ohr und schwupp, stehe ich vor einem Tunnel, eigens für Radler. Vielleicht auch ein Überbleibsel einer einst doppelspurigen Führung der Ahrtalbahn, die noch immer in Betrieb ist?
Ab Altenahr läuft es jedenfalls prima mit dem Bahnradweg. Meist direkt neben der in-betrieb-en Strecke, teils auf Stelzen und Holzbohlen, führt die Radroute gen Rhein.
Festrige Endstation ist der Camping in Ahrweiler, der mitten in der Stadt und direkt am Radweg liegt. Ahrweiler wartet auf mit einem wuchtigen – ich glaube – Ursulinen-Kloster, wenn ich mich recht erinnere, was auf der Plakette am Eingang geschrieben stand, sowie einer wunderschönen Altstadt, die von einer eiförmigen Stadtmauer umzingelt ist.
Ja, ich bin zu schnell. Abends durch die stille Stadt spaziernd wird mir das bewusst. Wirr im Kopf. Im Blog mache ich Fehler – hatte ich doch gestern tatsächlich vergessen, den Text in den vorigen Artikel einzufügen – Danke, Frau SoSo in der Homebase, dass Du mich darauf aufmerksam gemacht hast.
Nun, da ich dies schreibe, sind meine Gedanken schon längst jenseits des Rheins. Es soll steil sein bis hinauf nach Wissen. Der Himmel ist trüb. Ich hoffe, es gibt keinen Regen.
Hallo Juergen,
da gibt’sauc noch die Schnee-Eifel.
Hab’s fein,
Pit
Mal wieder der Tippfehlerteufel: statt „gibt‘ sauc“ sollte es ja wohl „gibt’s auch“ heissen.
Boah ey. Genau. Und die Supermarketingfachleute (wenn ich schon ‚Marketing‘ höre *schnaub*!) von Eifel-Tourismus gehen vor etlichen Jahren hin und kloppen all die vielen kleinen Eifel-Besonderheiten von der Rur- bis zu Mosel-Eifel platt und machen ‚Eifel‘ draus; gesichtslos und angeblich besser vermarktbar.
Reg ich mich immer noch drüber auf. Wie kann man so bescheuert sein? Die hätten nur die Charakteristika in einen Rahmen stecken müssen. Guckt euch die Seite an: http://www.eifel.info/ #isdochwahr