Navigation #AnsKap

Lautlos gleitet das Ding über den Rasen. Wie ein übergroßer, breitgetretener Schuh sieht es aus. Wie von Magie getrieben eckt es an einem Felsen in dem schwedischen Vorgarten an, bleibt stehen, scheint sich zu orientieren, macht eine 15 Grad Kehre, knapp am Felsen vorbei. Richtung Bach hinterlässt es eine kaum sichtbare Spur gemähten Rasens auf ohnehin schon kurz geschorenem Terrain.Ich weiß nicht, ob diese Rasenmähroboteretwas Sinnvolles bewirken. Aber man findet sie hierzulande ziemlich oft. Fast utopisch unheimlich wie in einem Endzeitfilm sieht das aus: scheinbar von Menschen verlassene Grundstücke, auf denen fast lautlos diese Dinger gleiten.

Weiter südlich, ich glaube, es war am Vätternsee, stand vor der Einfahrt zu einem Haus ein Warnschild Achtung Rasenmähroboter. 

Nicht nur Rasenroboter gibt es in Schweden, auch Briefkastenbots.
 Nun sind schon vier Tage ins Land gegangen, seit unseren Ferien in Falun. In etwa 100-Kilometer-Etappen radele ich weiter nordwärts und folge dabei meist den Sverigeleden-Schildern. Grüne, quadratische Tafeln mit einem Fahrradsymbol drauf und dem Schriftzug Sverigeleden und einem Pfeil. Selten habe ich ein einfacheres und effektiveres Radwegesystem erlebt. Sogar in den Städten funktioniert die Navigation per Schilder fast immer.

Wenn man das Netz kennt und weiß, wie es „verknotet“ ist, kann man auf diese Weise Schweden durchradeln, ohne auch nur einmal in eine Karte zu schauen. Diese PDF gibt einen guten Einblick. Ich wage zu behaupten, dass man alleine damit und mit der Beschilderung schon recht gut bedient ist.

Fast komme ich mir vor wie solch ein Rasenmähroboter, der doch auch nur eine Wenn-Dann-Schleife abarbeitet: Wenn Hindernis, dann 15 Grad-Kehre, wenn keine 15 Grad möglich, dann 30 und so weiter. Wenn Radwegschild geradeaus, dann geradeaus, wenn rechts, dann rechts und so weiter. Mehr ist es nicht. 15000 Schilder sind über mehrere tausend Kilometer Radweg in Schweden verteilt. Die Strecken bisher fast ausschließlich auf ruhigen Straßen. Oft begegnen einem weniger als zehn Autos pro Stunde.

Bisher ist die Reise mit den deutschen Wohlfühl-Flussradwegen zu Beginn und nun dem Sverigeleden ein voller Erfolg der Ruhe, des friedlich Dahingleitens, um es mal so zu sagen.

Die letzten vier Tage radelte ich bei fast immer Sonnenshein durch teilweise beängstigend leere Waldgegenden, so dass ich gegen Sundsvall fast froh war, mal wieder einige zig Kilometer auf Radwegen an stärker befahrenen Straßen zu radeln. Neben der E4, der Autobahn nach Norden, wurde es dann doch ein bisschen zu viel. In Sundsvall hatte ich den Sverigeleden verloren und mich über die mit schwarzen Schildern gekennzeichneten Radwege an der Küste entlang nach Norden rausgeschafft aus der Agglomeration. Sundsvall und Timrå und wohl noch ein paar andere Städte. Urbaner Charme und Industrie (und Eishockey, macht mich ein Twitterer aufmerksam, Timrå = Eishockey). Sogar Industrie-Inseln scheint es zu geben – zumindest sieht es so aus auf der Karte im GPS. Rot eingezeichnete Inseln, die man über eine Brücke oder einen Damm erreicht. Eine Skyline an Fabrikhallen untermauert diesen Verdacht.

Nördlich von Timra in Fagervik komme ich an einem riesigen Gelände mit Zelten und tausenden Menschen vorbei. Ein Fußballturnier, wie sich herausstellt. Mit Wasserzapfanlage vor den Toren. Die Sache sei International, aber sehr viele (Jugend)mannschaften aus der Gegend sind vertreten, sagt mir eine Frau, als ich gerade meine Wasserflaschen fülle. Einem Jungen mit fast plattem Hinterreifen gebe ich samariteresk Pannenhilfe, dann raus, endlich wieder Stille.

Apropos GPS: der Rasenmähroboterin mir hat noch eine weitere Orientierungsroutine einprogrammiert: wenn keine Radwegeschilder auffindbar, dann Handy einschalten, die Open Cycle Map öffnen, mit dem Punkte-Generator Wegpunkte setzen und auf eigenen Wegen so lange radeln, bis du die Radstrecke wieder findest.

12 Antworten auf „Navigation #AnsKap“

  1. Abenteuer gibt es überall, oder Geschichten, oder zumindest Inspiration zu welchen!
    Die Welt ist voller Inputs und Metaphern. Sich das Straßennetz als geknüpftes Netz vorzustellen … klasse!
    Fast alles können Bots, außer solche Texte schreiben! Zum Glück aber auch.

    1. Hallo SoSo,
      solche Texte natuerlich nicht, aber ansonsten schon. Ich meine, vor einiger Zeit sogar so etwas fuer WordPress entdeckt zu haben. Weisz aber nicht mehr genau, wie das funktionierte. Aber es war so etwas wie ein Textgenerator, der aufgrund von ein paar Angaben dann selbstaendig einen Text „schuf“. Und gibt es das nicht schon im Bereich Journalismus?
      Aber fuer uns einen Textroboter?! Nie und nimmer! Rir machen uns unsere Texte immer noch selbst!
      Hab’s fein,
      Pit

  2. Ah the Rasenmähroboter – lawn mower robot. I remember seeing lots of these grass eating machines on my trip with you in southern Sweden.
    Me – “ I like these machines, I think I will buy one when I get home and it can cut the grass for me.“
    You – „I will buy two and let them fight.“
    A very good joke which transcended the linguistics of the German/British languages. :))

  3. Hallo Juergen,
    also so einen Rasenmähroboter könnte ich hier wirklich gut gebrauchen. 4 bis 5 Stunden auf dem „Lawn Tractor“ sind nämlich ausgesprochen langweilig. Jetzt, in der trockenen Jahreszeit, genügt es Gott sei Dank, etwa alle zwei Wochen zu mähen. Aber wenn wir ein regenreiches Frühjahr haben, wie dieses Mal, dann muss es auch zwei Mal die Woche sein. Das ist dann schon lästig. Hat so ein Rasenmähroboter eigentlich auch GPS? Denn sonst würde der ja bei unserer Nachbarin gleich mit mähen, weil es da keinen Zaun gibt. Und auch wohl regelmäßig in den Bach abstürzen: ebenfalls kein Zaun. Bleibt also wohl doch ein Wunschtraum.
    Jetzt aber mal was ganz Anderes: gestern gab es hier im Kino im Rahmen des Hill Country Independent Film Festivals [http://www.hillcountryff.com/] den Dokumentarfilm „Mount Lawrence“ [http://mountlawrencefilm.com/wp/]. Das ist ein Bericht über eine Radtour von New York nach Alaska. Fand ich hochinteressant. Und z.T. fantastische Naturaufnahmen. Der Autor wollte mit dieser Tour den Selbstmord seines Vaters verarbeiten. Auch unter diesem Aspekt sehr sehenswert. Sehr schade, dass ich nachher keine Zeit hatte, mit dem Filmemacher und Radler zu reden, weil ich dringend nach Hause musste, unseren „Zoo“ versorgen.
    So, und nun noch „safe bicycling“,
    Pit

    1. Das klingt spannend mit dem Film. Im Web gibts den da zu sehen? Ich mache mich daheim mal kundig, kopiere erst mal den Link. Danke lieber Pit

      1. Hallo Juergen,
        war wirklich ein guter Film. Klar, dass Du erst zuhause Zeit hast, mehr daruber/davon zu erfahren. Im Web gibt es aber leider nur einen Trailer.
        Hab’s weiterhin fein,
        Pit

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